Kommentar Geschlossene Häfen Italiens: Salvinis Spiel vereiteln!
Die Radikalabschottung wirkt. Nur wenige Geflüchtete schaffen es an Italiens Häfen. Die EU braucht endlich eine großzügige Aufnahmepolitik.
E s sind so wenige wie seit Jahren nicht mehr: Nur 350 Flüchtlinge sind seit Jahresanfang von Libyen und Tunesien aus übers Mittelmeer nach Italien gelangt. Matteo Salvini, Italiens Innenminister und Chef der rechtspopulistischen und rassistischen Lega, kann das als kompletten Erfolg seiner Politik der Radikalabschottung werten.
Doch selbst die wenigen, die noch kommen, sind ihm zu viel. Auch die 49 Menschen an Bord des italienischen NGO-Schiffs Mare Ionio, das jetzt vor Lampedusa liegt, will der Minister auf keinen Fall an Land lassen. Mehr noch: Die Rettungsaktion ist ihm Anlass, seinen Kurs weiter zu verschärfen. Bisher sprach er von „geschlossenen Häfen“, am Montag dann erteilte er die Anweisung, Italiens Hoheitsgewässer gleich komplett für NGO-Schiffe zu schließen.
In Salvinis Logik nämlich ist die Rettung von Menschen in Seenot ein Verbrechen, stellt sie nichts anderes dar als „Förderung der illegalen Einwanderung“. Und er hat allen Grund, mit dieser Politik weiterzumachen: Sie kostet nichts, hat aber einen hohen Ertrag – etwa 60 Prozent der Italiener befürworten die rigide Flüchtlingsabwehr, und die Lega schnellte in Umfragen auf nunmehr über 30 Prozent hoch.
Salvinis Kurs konnte auch deshalb so populär werden, weil unter Italiens Bürgern wenigstens in einem Punkt Konsens herrscht: „Europa hat uns mit den Flüchtlingen allein gelassen.“ Jedes Mal, wenn in letzter Zeit ein Flüchtlingsschiff in Italien eintraf, ging das immer gleiche Trauerspiel los, das tagelange Gezerre, welches EU-Land nun 10, welches 20 Flüchtlinge aufnimmt.
Erbärmlich ist das Bild, das die EU dabei abgibt. Schlimmer noch: Am Ende spielt sie das Spiel Salvinis. Der hat an der Änderung der aktuellen Situation eigentlich gar kein Interesse – erlaubt sie ihm doch im anstehenden Europawahlkampf gegen seine beiden Lieblingsfeinde zugleich, gegen die Migranten und „die in Brüssel“, zu Felde zu ziehen. Unterlaufen ließe sich dieses Spiel nur, wenn andere EU-Staaten endlich zu einer großzügigen Aufnahmepolitik fänden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen