Kommentar Beziehungen zur Türkei: Teetrinken mit Gabriel
Die Türkei steuert immer weiter Richtung Autokratie. Kritik wird auch dann nötig bleiben, wenn deutsche Staatsbürger wieder frei sind.
Die Bilder vom Wochenende in Goslar suggerieren, zwischen Deutschland und der Türkei gehe es wieder aufwärts. Da wird bei Gabriels zu Hause mit dem türkischen Kollegen Çavuşoğlu Tee getrunken und anschließend mit fahnenschwingender Begleitung türkischer Erdoğan-Fans durch die Stadt spaziert. Man redet zwar noch über Differenzen, aber die Bilder zeigen etwas anderes: Schwamm drüber, man kann sich ja nicht ewig anfeinden.
Sosehr das Bemühen, die Beziehungen grundsätzlich wieder zu verbessern, begrüßt werden muss, sollte man sich doch daran erinnern, dass der Konflikt ja nicht aus der persönlichen Abneigung zweier Außenminister entstanden ist. Im Gegenteil: Er hat ganz klare politische Gründe. Präsident Recep Tayyip Erdoğan steuert die Türkei seit Jahren in eine Autokratie, die sich um demokratische Teilhabe, Meinungsfreiheit und rechtsstaatliche Verfahren immer weniger schert. Insbesondere im Nachgang zum Putschversuch im Juli 2016 ist in der Türkei kein Oppositioneller mehr sicher, im herrschenden Ausnahmezustand machen Polizei und Justiz, was Erdoğan will, und das Parlament ist nur mehr Fassade.
Daran hat sich rein gar nichts geändert, auch wenn die türkische Justiz einige deutsche Staatsbürger aus der U-Haft entlassen hat, und selbst wenn der seit nun fast einem Jahr inhaftierte Deniz Yücel auch aus dem Gefängnis käme, säßen immer noch rund weitere 150 Journalisten in Haft.
Deutschland und die EU können und sollen nicht die Innenpolitik der Türkei bestimmen. Doch solange im Land der Ausnahmezustand herrscht, soll man auch nicht so tun, als könne man zur Normalität zurückkehren. Selbst wenn alle deutschen und deutsch-türkischen Staatsbürger entlassen werden, was hoffentlich bald passiert, bleiben die Differenzen über einen funktionierenden Rechtsstaat, demokratische Regeln und freie Meinungsäußerung.
Es ist gut, miteinander zu reden, es ist gut, dies möglichst sachlich und auch „auf Augenhöhe“ zu tun, und es schadet auch nichts, gemeinsame Ansichten wie in der Jerusalemfrage festzuhalten, aber man muss dabei bleiben, den Kurs der türkischen Politik zu kritisieren, wo es notwendig ist. Tauschgeschäfte, Rüstungslieferungen und Hermesbürgschaften verbieten sich nach wie vor von selbst.
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