Kommentar Anti-Terror-Einsatz Chemnitz: Sicherheit dank Syrern
Der Terrorverdächtige aus Chemnitz kommt aus Syrien. Die Männer, die seine Festnahme ermöglichten, sind auch Syrer. Das zeigt: Herkunft spielt keine Rolle.
D ie öffentlichen Verlautbarungen der CSU funktionieren häufig nach einem vorhersehbaren Reiz-Reaktions-Schema. Jüngstes Beispiel: Die CSU-Aussagen zum Anti-Terror-Einsatz in Sachsen. Kaum war bekannt geworden, dass der mutmaßliche Terrorist, der in einer Chemnitzer Plattenbausiedlung mit hochgefährlichem Sprengstoff hantiert hat, ein aus Syrien stammender Flüchtling ist, forderten CSU-Vertreter eine stärkere Sicherheitsüberprüfung von Einwanderern mithilfe der Geheimdienste. Sein Subtext: Syrer in Deutschland – eine Gefahr für die innere Sicherheit. Die Hetzer von AfD, Pegida und Co wird es gefreut haben.
Man kann die Geschehnisse in Chemnitz aber auch aus der gegenteiligen Perspektive betrachten: Syrer in Deutschland – Retter der inneren Sicherheit. Denn es waren drei Landsleute des Terrorverdächtigen, die den flüchtigen Mann mit in ihre Wohnung nahmen und später gefesselt dem Sondereinsatzkommando übergaben.
Einen Terrorverdächtigen übrigens, den die Polizei bei ihrer Razzia entkommen ließ und trotz polizeilichen Großaufgebots fast zwei Tage lang nicht fand. Eine Panne, die verheerende Folgen hätte haben können. Schließlich wusste man nicht, ob der Flüchtige bewaffnet ist oder gar eine Bombe bei sich hat.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diesen drei Syrern nun zu Recht gedankt. Ihr beherzter Einsatz macht Hoffnung – auch über den konkreten Einzelfall hinaus. Denn er eröffnet in diesen polarisierten Zeiten den Blick auf eine dritte Perspektive: Dass es in dieser Frage keine Rolle spielt, ob einer Syrer oder Deutscher ist, ob er als Flüchtling ins Land kam oder hier geboren ist.
Entscheidend ist: Stellt sich jemand auf die Seite der Demokratie oder bekämpft er sie? Ist jemand für Terror und Gewalt oder dagegen? Zieht man hier die Grenze zwischen Wir und Ihr, dann ergibt sie Sinn. Ein gemeinsamer Kampf gegen Terror und Gewalt ist möglich. Dringend erforderlich ist er ohnehin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen