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Komakonsum am „Black Friday“Die Steigerung von Gut: Güter

Der „Black Friday“ ist die Mutter aller Konsumorgien. Die Industrie hält uns für Ökosozialschweine ohne Gewissen. Sie könnte damit richtig liegen.

Jetzt aber schnell: Sonderangebotswerbung in einem Schaufenster in Hannover Foto: Julian Stratenschulte/dpa

I ch habe gern meine Ruhe. Wenn ich eine Kolumne schreibe, mache ich die Bürotür zu. Wenn ich keine Kolumne schreibe, sitze ich gern im Wald. Und wenn ich in Zukunft Erholung suche, gehe ich in die nächste Shoppinghölle.

Denn in größeren Geschäften müssen wir nach den neuesten Coronaregeln jetzt mindestens 20 Quadratmeter Freiraum haben. Vier mal fünf Meter. So viel Platz hat man nicht mal auf den letzten Höhenmetern am Mount Everest. Und vor allem nicht während „Black Friday“ und „Cyber Monday“, den Müttern aller Konsumorgien, die jetzt wieder über uns hereinbrechen. An diesen Tagen macht der Einzelhandel hier 3,7 Milliarden Euro Umsatz. Mehr als Sierra Leone im ganzen Jahr.

Werden uns die Warteschlangen abschrecken, die durch freilaufende ShopperInnen mit 20 Quadratmeter Ruhezone entstehen? Ich bin da eher skeptisch. Das Schlimmste an dieser Lawine aus Krempel, den wir kaufen, obwohl wir ihn nicht brauchen, ist doch: Wir denken, „Güter“ sei die Steigerung von „Gut“. Wir sind Bittsteller, die froh sein müssen, auch mal ein paar Kopfhörer zu ergattern.

Wie Sektenmitglieder zelten wir vor den Konsumkultstätten, um das neueste xyphone zu ergattern. Die Industrie hält uns für Ökosozialschweine ohne Gewissen, solange nur das T-Shit 99 Cent kostet. Und sie könnte damit sogar richtig liegen.

Wir werden zu Recht behandelt wie schlecht erzogene Vierjährige, die jetzt SOFORT ALLES haben wollen. Oder wie Junkies in unserer Gier nach mehr, größer, neuer. Wir brauchen Adleraugen, um das Kleingedruckte zu lesen. Gleichzeitig verspricht uns das Großgedruckte tatsächlich Glück, Erfüllung, Lebenssinn und Liebe, wenn wir uns nur ordentlich verschulden.

Das Verstörendste am Komakonsum ist aber, dass wir uns bis Weihnachten wieder verhalten wie VerbraucherInnen, nicht wie BürgerInnen. Wir wissen, dass der Überkonsum uns umbringt, dass der Verpackungsmüll uns erstickt, dass unsere Milliarden bei Amazon und Co landen. Jetzt heißt es wieder in verschärfter Form: Der Kunde ist König. Kann ja sein. Aber seit 75 Jahren leben wir hier in einer Republik.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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11 Kommentare

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  • Natürlich ist die Konsumreligion Unfug.



    Aber - liebe Taz.. mal Butter bei die Fische. Die ständige Werbung im "taz shop" mit "Hochwertigem Schiefergeschirr" oder "Hochwertigen Chilisaucen" für 30€(?) für 3 Flaschen.. Was wird das? Ein Angebot nur noch für wohlhabende Linke?

  • Leider haben auch taz-AutorInnen daran mitgetan, dass Konsumismuskritik entpolitisiert und individualisiert wurde.

  • Aber solange die Sachen doch mit einem "fair", "nachhaltig" und einem "grünen Punkt" gelabelt sind, ist doch alles gut. Die Industrie (und diverse Parteien) gehen doch damit auf das Öko-Bewusstsein der Konsumenten ein. Seit 40 Jahren mit wachsendem Erfolg und Umsatz!

    Mal ein Tipp: Geht mal an einem x-beliebigen Nachmittag zu einem sogenannten "Wertstoffhof". Da kann man in den Containern sehen, wie richtig die Industrie mit ihre Einschätzung liegt, dass wir "Ökosozialschweine ohne Gewissen" sind.

  • Ist "T-shit" gewollt oder hat das Unterbewusstsein die Steuerung der Finger übernommen?

    Der Text zeugt davon, dass wild umhergetippt wurde. SOFORT ALLES widerspricht dem Black Friday, der ja mittlerweile eher eine Woche ist. Er hat sich ja längst vom amerikanischen Ursprung losgelöst und Amazon hat auch viele deutsche Firmen viral infiziert.

    Wie war das gestern? Solidarisch shoppen ist Bürgerpflicht? Auf geht s.

  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    Rabatte nute ich gerne, aber ich muß das was rabattiert wurde auch benötigen :-) ... ansonsten lasse ich das Ding im Laden und der Rabatt ist mir egal. Und dann frage ich mich hin und wieder, ob Rabatte bei langlebigen Produkten großartig ins Gewicht fallen. Das fällt dann richtig auf, wenn man den Anschaffungspreis mal auf die Nutzungszeit bezieht. Eine teurer Klamotte, die viele Jahre getragen werden kann, bringt dann sicher Ersparnis gegenüber einer Klamotte, die man sich jedes Jahr neu kaufen muß (ja, es gibt auch zeitlose Mode) - gilt natürlich auch für technische Geräte (z.B. Küchengräte wie Mixer u.ä.).



    Naja, ich muß ja nicht jeden Mist mitmachen. :-)

    • @68514 (Profil gelöscht):

      Das ist doch so. Wenn man ein Produkt, welches normal 100€ kostet mit 50% Rabatt kauft, spart man 50€. Kauft man es aber gar nicht, spart man 100€.

  • Was ist Konsum in der Coronazeit?



    Lebensmittel, Masken, Vogelfutter, Bücher, Theatergutscheine für die Zukunft.



    Aber für die regionalen Händler ist die Zeit hart.

  • Das ist die eine Seite der Medaille.



    Man kann es auch anders machen. Ich habe heute in einer Drogeriekette die üblichen Einkäufe gemacht, nur alles etwas mehr, es gab 20% Black Friday Rabatt. Letztes Jahr haben wir mehrere benötigte Geräte am Black Friday gekauft und etwa 200 Euro weniger bezahlt. Wenn man natürlich erst am Black Friday oder der Week oder wie auch immer vermeintliche Sonderangebote sieht und darauf anspringt, wird man vielleicht veräppelt. Ich verfolge aber für vieles, was ich mehr oder weniger benötige, die Preise über längere Zeit, u. a. mit einem bestimmten Preisvergleichsportal. Bei Angeboten, wo ich mir ziemlich sicher sein kann, dass es der günstigste Preis für ein Produkt ist, hinsichtlich der Zeit davor und vermutlich auch für die nächsten Monate danach, kaufe ich ein Produkt. Ich bin mir ziemlich sicher, so über das Jahr ein paar wenige Hundert Euro weniger auszugeben. Das entspricht dann auch ungefähr dem Betrag, den ich für Ökostrom, grünes Gas, für eine regionale Allianz gegen rechts, für faire Bio-Wäsche, für Seenotrettung im Mittelmeer und ein paar andere gemeinnützige Zwecke ausgebe.



    Der mündige Bürger kann Rabattschlachten auch für sich nutzen und profitieren. Klar, das klappt bei vielen vielleicht nicht so ganz gut.

    • @LeSti:

      Die dummen sind dann kleine Geschäfte, womöglich noch mit guter Beratung, die so etwas nicht mitmachen können. Geiz aus Prinzip ist nicht immer geil.

      • @resto:

        Ja, könnte sein. Allerdings gibt es für die fraglichen Produkte eigentlich keine kleinen Geschäfte mehr, zumindest hier in Nürnberg.

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Sie sprechen mir aus dem Herzen Herr Pötter!!