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Kolumne LügenleserWas erlauben Özil?

Juri Sternburg
Kolumne
von Juri Sternburg

Nun, da er sich geäußert hat, passt es den Özil-Kritikern auch wieder nicht. Für den multikulturellen Nachwuchs ist das ein fatales Signal.

Nachdem Özil sich mit deutlicher Kritik aus der Nationalmannschaft verabschiedet hat, hauen alle noch mal drauf Foto: afp

M esut Özil sagt: „In den Augen von DFB-Chef Grindel und seinen Unterstützern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und Immigrant, wenn wir verlieren.“

Seine Gegner aus Kommentarspalten oder von der Bild-Zeitung stellen ihn als verwirrten Jammerer dar, der gewiss kein Einstein ist. Und sie haben recht. Denn Einstein kam schon einige Jahre früher zu der Erkenntnis: „Wenn ich mit meiner Relativitätstheorie recht behalte, werden die Deutschen sagen, ich sei Deutscher, und die Franzosen, ich sei Weltbürger. Erweist sich meine Theorie als falsch, werden die Franzosen sagen, ich sei Deutscher, und die Deutschen, ich sei Jude.“ Willkommen in Europa!

Nachdem Özil sich mit deutlicher Kritik an DFB, Medien und Sponsoren aus der Nationalmannschaft verabschiedet hat, hauen alle noch mal drauf. Was erlauben Özil?

Obwohl sich die Deutschen gerne daran reiben, dass Fußballer angeblich keine echten Kerle mehr sind und niemand Klartext redet, passt’s jetzt auch wieder nicht. Allen voran die Bild. Chefredakteur Julian Reichelt, der sich selber anscheinend als aufklärerisches Twitter-Enfant terrible sieht und einen merkwürdigen Fetisch für Falschmeldungen pflegt, erklärte in seinem Kommentar, die Vorwürfe seien „von Özil frei erfunden, um sich zum Opfer rassistischer Ungerechtigkeiten in den Medien zu machen“.

Beduselt und barrierefrei

Die Dutzenden Bild-Schlagzeilen à la „Kosmos Özil: Er pilgerte nach Mekka und liebt eine Miss Türkei“, „2x Ärger – sonst nix von Özil“ oder „Özil fühlt sich nicht wohl im DFB-Trikot“ – egal. Das komplette Ignorieren der durchaus zutreffenden Vorwürfe gegen den früher durch äußerst rechte Positionen aufgefallenen und offenbar unfähigen DFB-Boss Grindel hat sicherlich auch nichts zu tun mit der Tatsache, dass die von Kai Diekmann gegründete Firma „Storymachine“ seit diesem Jahr als Berater des DFB fungiert. Von den sprachlichen Ausfällen der Teilzeit-Fußballer und Vollzeit-Alkoholiker, die ihr Gnadenbrot bei der Bild verdienen, ganz zu schweigen.

Was drei Hefeweizen so alles anrichten können, weiß man ja im deutschen Fußball. Und in Deutschland sowieso.

Nachdem beim Thema Flüchtlinge längst sämtliche moralischen und sprachlichen Barrieren gefallen sind, kann man sich nun auch wieder den Deutschtürken widmen, die man am Stammtisch beinahe schon vergessen hatte. Und die haben die Schmähungen vergangener Tage nicht vergessen. Die hohe Zustimmung für den Despoten Erdoğan unter Deutschtürken war auch ein Ergebnis der Özil-Affäre. Nicht etwa das unsägliche Foto, sondern der Umgang damit hat Wahlkampf gemacht.

Nun haben die Özil-Gegner ihren Willen. Für den multikulturellen Nachwuchs ein fatales Signal. Wenn man sich die freudetrunkenen Unsympathen und/oder Journalisten dieser Tage so anguckt, möchte man diesen Kartoffelauflauf nur noch an Folgendes erinnern: Drei leere Hefeweizen können schnell drei Mollis sein.

Lesen Sie zum auch Thema: Mesüt Özil tritt zurück, Der Fall Özil ist ein Fall Grindel von Jan Feddersen und den Kommentar Danke, Özil! von Jagoda Marinić

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Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
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24 Kommentare

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  • "Ja klar Özil der Arme, DFB (Deutschland) das Böse," meint da jemand.



    So einfach darf man sich das nicht machen. Der DFB und sein CDU-Rechtsaußen Grindel sind nicht "Deutschland".

    Vor allem eines : "Deutschland" zu sein, können sich vor allem die antiislamischen Scharfmacher nicht anmaßen, die das Thema Özil wochenlang am Köcheln hielten, weil der prominente moslemische Deutschtürke so schön ins hassgeprägte Pegida-Weltbild passt.

    Die schlichte Naivität, vielleicht auch eine gespielte politische Ahnungslosigkeit dieses Fußballers haben die rechten Hetzer in BILD und sonstwo vor und nach der WM als willkommenes Geschenk angesehen, ihn als Multikulti-Sündenbock zu beleidigen.

    Ob Erdogan sein Land in die Ein-Mann-Diktatur führt, ist diesen Leuten doch letztlich egal - Hauptsache, sie können jetzt ihre Breitseiten auf die jahrelang in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln richten, nachdem die miese Stimmungsmache gegen neu angekommene Flüchtlinge ihren Höhepunkt überschritten hat.

  • Zitat: Die Dutzenden Bild-Schlagzeilen à la „Kosmos Özil...

    Es ist wohl so, dass die Bild am meisten in Deutschland gegen Migranten schreibt. Selbst wenn ein Migrant Deutschland oder die Welt gerettet hätte, würde die Bild das diffamieren!

  • Was sehr auffällig ist, es melden sich viel zu viele Bayern Funktionäre und Ex Spieler aus München. Aber Deutschland bzw. die Nationalmannschaft ist nicht der FC Bayern München. Das wollen die erst gar nicht wahr haben.

    Sind die Stimmen aus Bayern konstruktiv und wahr?

    Immer wieder wird es aus München versucht, so viele wie möglich Bayern Spieler in die Nationalmannschaft mit Nachdruck und quasi Gewalt „rein zu pressen“. So auch vor der WM war das mit Herrn Ulreich und Herrn Wagner.

    Und zum Beispiel Philipp Lahm kritisierte den Bundestrainer, was indirekt gegen Özil ging. Dabei dürfen wir nicht vergessen, wie Lahm damals zum Kapitän wurde und dass gerade er Michael Ballack aus der Nationalmannschaft „abgeschoben hat“ als er damals über ihn petzte.

  • Ogottogott...! All diese Übertreibungen ! Nun lasst doch mal diesen `Jungen´ in Ruhe! Den Özil , in seinen evtl unbedachten Formulierungen.. als Opfer des BILD und AfD verwirrten "Deutschen Geistes" zu stilisieren? Das bringt doch niks!

  • "..möchte man diesen Kartoffelauflauf nur noch an Folgendes erinnern: Drei leere Hefeweizen können schnell drei Mollis sein."

    Wau, kaum verklausulierte Gewaltdrohungen in der taz. Aber es trifft ja angeblich die Richtigen. Und dann immer dieses rassistische Kartoffelgeschimpfe. Rassistisch nicht, weil es sich gegen Einheimische Deutsche richtet. Sondern weil ein Lebensmittel Deutschen zugeordnet wird, obwohl es den Inkas geraubt und dann kulturell von den Spaniern und dann von ganz Europa angeeignet wurde.

    Aber im Zorn des Gerechten zählen solche Betrachtungen nicht. Sibylle Berg, Jakob Augstein und Georg Diez äußern vergleichbare Gewaltfantasien. Gründen die jetzt eine neue RAF.

  • Ähnlich wie der unten schon erwähnte Kommentar zum 'nur Israelkritiker' schwierig, da ich mich frage, ob ich einen Depp noch einen Depp nennen darf, nur weil der eine andere Hautfarbe/Nationalität hat als ich.... kritikwürdiges Verhalten verdient Kritik, die nicht dewegen unterbleiben darf, weil jemand seine eigenen Fehler hinter Rassismus (o.ä.)-Vorwürfen versteckt....



    dass in dieser Debatte dann genauso kritikwürdige Türkenhass-Tiraden abgehen, zeigt nur, wohin wir gerade steuern..... die AfD lacht sich ins Fäustchen...

    • @Lars F:

      "die AfD lacht sich ins Fäustchen": diese Steilvorlage für die AfD regt mich am meisten auf und Özil checkt das nicht.

  • Es ist eigentlich ein alt-bekannter Reflex, den Unsensible unbewusst (und ganz selbstsicher) ausüben: da sagt einer "Ich fühle mich [rassistisch oder wie auch immer] gemobbt von dir." - und der entgegnet dann "Das stimmt nicht!". Eigentlich unglaublich, aber alltäglich wahr...

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Senhor Amor:

      Deklinieren Sie doch mal das ganze durch: wo kämen wir hin, wenn wir stets auf die Befindlichkeiten irgendwelcher Gruppen oder Individuen Rücksicht nehmen wollten? Wir wären eine Diktatur des Gefühls. Auf dem Weg dahin sind wir m.E. schon!

      • @849 (Profil gelöscht):

        Wenn ich das meine Rechen-Maschine mal durchdeklinieren lasse, kommt da nur Mist raus. Wenn ich dagegen mein Herz einschalte, spüre ich große Vorfreude darauf! Wobei "Diktatur" natürlich das hässlichst-mögliche Wort ist. Ich singe gern ein Loblied auf die Befreiung der Gefühle, auf eine gleichberechtigte Macht von Geist, Herz & Verstand!! :-)



        Wir alle wissen doch: wie's ist, kann's doch nicht bleiben... ;-)

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Senhor Amor:

          Herz & Verstand = Vernunft. Ich halte es für unvernünftig, auf jede Befindlichkeit einzugehen, denn das würde dazu führen, dass alle immer noch rumjammern, so wie momentan ja schon und sich der wesentlichen Probleme nicht mehr annehmen, weil sie nur noch die eigenen im Sinn haben. :-)

          Ansonsten stimme ich zu!

          • @849 (Profil gelöscht):

            Echtes Rumjammern ist für mich der ernstzunehmende Ausdruck von unterdrücktem Gefühl. "Befreiung der Gefühle" = wahrhaftige Fähigkeit zu Freude, Trauer, Feiern, Klagen, Mitgefühl. Jammern tät dann nicht mehr not...

            • 8G
              849 (Profil gelöscht)
              @Senhor Amor:

              Stimmt, aber wie unterscheidet man echtes Herumjammern von der Larmoyanz, die keine Befreiung der Gefühle zum Zweck hat, sondern die Instrumentalisierung der Gefühle anderer?

              • @849 (Profil gelöscht):

                Ich denke, in einem Klima freierer Emotionalität erübrigt sich diese Skepsis grundsätzlich. Alles eine Frage von Übung, Gewohnheit. Ich denke, in dieser Hinsicht kann der gewöhnliche "Bio-Deutsche" sehr viel von anderen Kulturen lernen.

  • Es gibt einige gute Gründe,die gegen eine Karriere sprechen,bei der man so in der Öffentlichkeit steht und von so vielen benutzt werden möchte.



    Ob es das Geld und auch den Spaß, den das machen kann wert ist,muss jeder selbst wissen.



    Aber nur eines macht der Öffentlichkeit mehr Vergnügen als eine Star hochzujubeln,ihn zu versenken.



    Gut,wenn am Ende dieses Theaters noch genug Geld übrig ist,dass man sich zurückziehen kann und allen den Finger zeigen kann.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Dass die BILD eine rassistische Grundhaltung hat und damit dem deutschen Spießer auf den Leib geschrieben ist, wäre das richtige Thema gewesen. Aber sich angesichts des von Ozil selbstverschuldeten Dramas (dessen Höhepunkt sein larmoyanter Abgang ist) dessen zu besinnen, ist wohlfeil. Die BILD müsste generell im Visier jeder sich als links verstehenden Zeitung stehen. Leider passiert das Gegenteil (Wandel durch Anbiederung) und auch solche Blätter wie die TAZ bilden da keine Ausnahme.

  • Ich würde gerne mal einen Polemik von Deniz Yücil dazu lesen. Vielleicht gibt es dann auch irgendwann mal ein Bild mit Erdogan, Özil und Yücil gemeinsam!?

  • Die Özilkritiker, die Israelkritiker usw.



    Vielleicht wäre es sinnvoll, eine Möglichkeit der Kritik zuzulassen, die jemanden nicht augenblicklich in eine Zwangsgemeinschaft mit Rechten katapultiert.



    Ich schlage vor, man schreibe mehr über den DFB, Grindel und deren Aussagen, während man Özil selbst nicht überstilisiert, sondern seine Rolle ebenfalls kritisch betrachtet. Dann hat man auch nicht ein "entweder, oder", sondern die Möglichkeit sachbezogen zu diskutieren.



    Wenn zwei sich streiten, können sich beide irren.

    • @Hampelstielz:

      Richtig bemerkt. Oezil hat schlechten Fussball gespielt und sich politisch dumm verhalten. Gut, dass er weg ist. Das hat mit Rassismus erst einmal gar nichts zu tun. Auch Einwanderer können kritisiert werden.

    • @Hampelstielz:

      Zustimmung!

    • @Hampelstielz:

      Ja wie? Das is ja mal ne Vorlage!



      Für nen mailfrischen Nachklapp!





      "Ach! Wie gut, dass niemand weiß,



      dass ich Heinzchen Rumpel stieß.."







      (Otto W. *22.07.1948 - Helzrichen Gwücklunsch schon mal)"

      unterm---



      Sicher. “…Wenn zwei sich streiten, können sich beide irren."



      Mann kann aber auch Läuse & Flöhe haben. Milde ausgedrückt - kerr.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    In ein paar Jahren wird retrospektiv der Rücktritt der Wendepunkt im deutschen Fußball sein, nicht die vergeigte WM.

    • @970 (Profil gelöscht):

      Der Wendepunkt kommt erst mit Loews Rücktritt.

      • 9G
        970 (Profil gelöscht)
        @Sven :

        Der kommt erst nach dem Vorrundenaus bei der EM 2020. Prophezeiung: Sündenbock Leroy Sané.