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Kolumne LiebeserklärungDie Klimaretterin lauert im hohen Gras

Der Klimawandel scheint unaufhaltbar. Doch vom Südosten der USA aus schickt sich ein kleines Tierchen an, die Menschheit zu retten.

Vielleicht eine bessere Klimaretterin als viele Politiker: Die Zecke, die Menschen zu Vegetariern macht Foto: Lisa Zins/flickr

W ährend die jungen Leute für den Klimaschutz protestieren und die alten Leute offenbar nichts auf die Reihe bekommen, um die Zukunft der Menschheit wirklich zu retten, taucht am Horizont ein Hoffnungsschimmer auf. Der Hoffnungsschimmer heißt Amblyomma americanum und ist eine Zecke.

Einer der größten Klimakiller ist bekanntlich die Neigung des Menschen zur karnivoren Ernährung. Doch aus dem Südosten der USA naht Rettung: Die Lone-Star-Zecke übernimmt kurzerhand die Überzeugungsarbeit und macht mit einem Biss den Menschen zum Vegetarier. Denn im Speichel des kleinen Klimaretters ist ein Zuckermolekül mit dem schönen Namen Galactose-alpha-1,3-Galactose enthalten, das auch in rotem Fleisch vorkommt. Gelangt der Stoff ins Blut, produziert unser Immunsystem Antikörper, welche sich fortan im Magen der Zuckermolekül-Bekämpfung widmen.

Für den gebissenen Menschen sind die Folgen zunächst einmal unerfreulich. Vom Ausschlag über Kurzatmigkeit bis hin zum unfreiwilligem Nahrungsauswurf reichen die Symptome, die einige Stunden nach dem Fleischverzehr auftreten. Bis der Auslöser identifiziert ist, machen die Betroffenen ihr Martyrium oft mehrfach durch. Linderung bringt nach aktuellem Stand der Medizin nur der Verzicht auf rotes Fleisch – Geflügel und Fisch sind noch erlaubt.

Die Mission Klimarettung kann die Zecke mit dem gelben Tupfer auf dem Rücken gegenwärtig übrigens ausgerechnet durch den längst laufenden Klimawandel auf den Rest der USA ausweiten. Denn wärmere Temperaturen ermöglichen dem Lone Star erst die Erschließung neuer Lebensräume. In Europa gibt es die Zecke noch nicht. Aber Forscher haben Alpha-Gal, wie sie das fatale Zuckermolekül liebevoll nennen, bereits bei anderen Arten nachgewiesen – etwa beim Gemeinen Holzbock, der auch in Deutschland fleißig Menschen beißt.

So leistet eine kleine Zecke ihren bescheidenen Anteil zur Rettung der Welt. Das ist mehr, als wir scheinbar von den Meisten erwarten können, die eigentlich im großen Maßstab Dinge bewegen könnten. Dafür sind wir der kleinen Zecke dankbar.

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16 Kommentare

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  • Die natürlichen weideflächen in Australien und Argentinien kann man dann ja in soja monokulturen umwandeln so dass nicht mehr der Regenwald entfernt werden muss, die inuit und sami und andere isolierte Völker sind dann vieleicht die letzten omnivoren H. Sapiens sapiens.. Das agrarmässig schlecht bestellte skandinavien mit ihren Böden muss fleissig importieren, und nutztiere nur noch in Zoos bestaunen und irgendwann wird man enpirisch feststellen, dass rein pflanzliche ernährte H. Sapiens zuviel CO2 produzieren, besonders wenn man die 10 mrd marke gesprengt hat und feststellt das sich 10 Mrd noch schneller vermehren als 7 Mrd...ach so... wenn der yellowstone hochgeht oder nur krakatau mässiger kleinerer wird die klimabilanz sich rapide verschlechtern...und waldbrände bitte verbieten, die verfälschen auch die bilanzen.

    • @andreas mirko:

      Warum denn dann noch Soja-Monokulturen? Die wären dann ja endlich überflüssig, wenn man nicht mehr all das Tierfutter, das in die ganze Welt exportiert wird, aus dem Großteil des weltweit angebauten Sojas herstellen müsste. ;-)



      Importiert wird sowieso von allen. Auch in deutschen Supermärkten liegt doch kaum noch deutsches Obst und Gemüse zum Verkauf. Im Endeffekt wohl deshalb, weil die Masse der Verbraucher eben das Hauptaugenmerk auf billige Preise legt. Da würde sich also nicht viel ändern, ob in Skandinavien oder anderswo.



      Das mit den Zoos halte ich zwar für keine so gute Idee aber zumindest würde die Zahl leidender Nutztiere dadurch drastisch, auf die in den Zoos bei ihren exotischen Leidensgenossen eingesperrten, reduziert.



      Dass die CO2-Einsparung allein durch den Verzicht auf tierische Produkte wohl nicht ausreichen würde um das Klima- Steuer noch herumzureißen ist wohl richtig. Aber es wäre zumindest ein bedeutender Schritt. Immerhin zeichnen sich die Unsummen unwürdig zusammengepferchter "Nutztiere" (was für ein Unwort) für etwa den gleichen Ausstoß von Klimagasen verantwortlich, wie der gesamte Transportsektor.



      Wohingegen die von Ihnen genannten Vulkanausbrüche sich mit einem Hundertstel der Menschgemachten CO2-Ausschüttung eher gering ausnehmen.

      Und dass die steigende Waldbrandgefahr wohl von immer drastischeren Wetterextremen und damit in letzter Konsequenz sogar vom erwähnten Klimawandel HERRÜHREN wäre auchnoch anzumerken.

      Langer Rede kurzer Sinn: Jede Reduzierung des Konsums und schlussendlichder Produktion tierischer Produkte ist rundweg eine gute Sache für alle Beteiligten.

  • Ich schließe mich Birgit Bossbach an.



    Die Ironie ist m. E. fehl am Platz. Denn das jahrelange Suchen mit echt harten Symptomen und Ärzteaussagen wie 'Das gibt es nicht' sind überhaupt nicht komisch. Abgesehen davon, dass eine heftige Reaktion durchaus lebensbedrohlich sein kann.

    Insofern: Gut dass es neue Erkenntnisse gibt!

  • Na, das ist ja eine Sensation.

    Wenn da nicht sofort Fleischverzicht aufkommt.



    Man stelle sich vor, es gäbe noch mehr Erkrankungen, die durch Fleischkonsum hervorgerufen würden wie Gicht, Herz- unf Kreislauferkrankungen, Diabetes oder Darmkrebs.



    Wer würde dann noch Fleisch essen?

  • Wie fanatisch muss man sein um einem Krankheitserreger dankbar zu sein? Warum nicht gleich dem AIDS-Virus? Der Malaria? Der Pest? Den Pocken? Immerhin haben die ja die Ausbreitung des Menschen eine Weile verhindert und somit den Klimawandel aufgehalten, oder?

    • @Birgit Bossbach:

      Wie fanatisch muss man sein, um auf eine vergleichsweise harmlose Allergie mit tödlichen Krankheiten kontern?

      • @Jim Bo:

        Eine Allergie ist nicht harmlos. Schon mal was von anaphylaktischem Schock gehört?



        Eine Nahrungsmittelallergie festzustellen dauert außerdem sehr lange. In der Zeit, hast Du Schmerzen, Magen. Darm Beschwerden und niemanden, der Dir hilft. Aber es geht meistens andersrum. Ich kannte solch ein körperlich weit zurückgebliebenes Veganerkind, das Kreuzallergien gegen alle möglichen Pflanzen entwickelt hatte. Schließlich mussten die eltern wieder etwas Fleisch einführen, um dieses Kind überhaupt satt zu bekommen.

      • @Jim Bo:

        Ein Anaphylaktischer Schock kann auch bei einer "harmlosen Allergie" zum Tode führen. Das tritt aber meistens "nur" bei Kindern ein. Da gibt es auch noch keine Studien zu, inwieweit der Biss dieser Zecke bei Kindern noch andere Langzeitschäden hervorruft.

  • D.h., dass dort, wo diese Zecke beißt, es auch keine Raubtiere mehr gibt?? Oder funzt bei denen das anders als bei Menschen?

    Mit individueller Freiheit hat das btw nix zu tun, wenn ich Personen mit einem Gift infiziere, dass deren Entscheidungsfähigkeit einschränkt.

  • Bah igitt. Nur noch mit dem Auto zum Supermarkt, rotes Fleisch kaufen. Zu Fuß viel zu gefährlich.

  • (Noch) scheint der Effekt sich im Rahmen zu halten, da der Südosten der USA nicht für seine Abkehr von der Barbeque Tradtion bekannt ist.

    Aber die Zecke bietet damit auch eine Lösung für das Paradies-Problem an. Im Paradies ist ja alles friedlich, aber was machen dann die Löwen im Paradies? Sie wurden zu Vegetariern, dank der Zecke, die durch die Himmeltür geschlüpft ist.

  • Eine Zecke, die Menschen unfruchtbar macht, wäre hilfreicher.

    • @Thomas Friedrich:

      Haben Sie auch noch ein anderes Thema im Angebot?

    • @Thomas Friedrich:

      Ja was sollen die Viecher denn sonst noch alles machen? Trump auffressen?

  • Tja, hmm. Dann macht mich also die Zecke zum Vegetarier. Und als Bonusgabe erhalte ich obendrein noch FSME und Borreliose. Ist auch keine Lösung.

    • @Pfanni:

      Falsch! FSME und Borreliose werden von Erregern übertragen, mit denen ein sehr kleiner Anteil bestimmter Zeckenarten infiziert ist und von denen auch erst einmal bei einem Biss eine nicht unerheblicher Menge in das Blut des gebissenen Lebewesens gelangen muss, um dort dann diese Krankheiten auszulösen.



      Der in dem Artikel beschriebene Effekt kommt durch den Speichel der Zecken und kann somit bei jedem Biss eintreten.