Kolumne „German Angst“: Verkehrte Welt und vierte Gewalt
Endlich aufgedeckt: Nicht die Polizei schützt Recht und Gesetz, um Vertrauen in den Staat überhaupt erst zu ermöglichen. Es verhält sich andersherum!
K leiner Polizist, wenn Du einmal auf Streife bist / Und wenn Du durch den Hauptbahnhof gehst / Und in der Wallehalle all die hübschen Jungen siehst / Die schauen Dich an, was machst Du dann
Am Rande einer Pegida-Demo hat es einige Polizisten erwischt. Wieder einmal. Sie haben ihre hoheitlichen Aufgaben ausgeführt, waren korrekt, ordnungsmäßig. Das bescheinigten der sächsische Ministerpräsident, Mitglieder der Regierungspartei, Polizeigewerkschafter.
Was geschah Ein LKA-Beamter geht auf eine rechte Demo. Er versucht mit der Umdeutung der Pressefreiheit in eine „Straftat“ Journalisten an ihrer Arbeit zu hindern. Die Polizei unterstützt ihn und nimmt die Anzeige seines Begleiters aus dem Umfeld der Nazi-Terrorgruppe Freital entgegen – gegen die Journalisten.
Was davor geschah: Clausnitz, Bautzen, Dresden, Chemnitz, immer wieder Einzelfälle in den eigenen Reihen, kurz: #Pegizei. Das Wohlwollen der sächsischen Polizei gegenüber Rechten ist berüchtigt.
Besonders rechte Menschen
Kleiner Polizist, wenn Du einmal im Frühling bist / Und wenn Du mit einem Liebesmädchen gehst / Und wenn sie später sagt, dass sie erst vierzehn Jahre ist / Dann bist Du dran, was machst Du dann
Es wurde betont, PolizistInnen seien ganz normale Menschen und ihre Gesinnung – Wohlverhaltenspflicht hin oder her – entspreche dem rechten Schnitt. Aber so ist es nicht, sie sind besonders rechte Menschen. Der Sachsen-Monitor 2016 zeigte, dass Beamte dem Menschenhass zuneigen. Auch sind von zehn AfD-MdB aus Sachsen vier Polizisten.
Michael Kretschmer aber sieht das anders: „Den hashtag ‚Pegizei‘ halte ich für unverantwortlich!“ Von einer Verantwortung der Polizei, etwa für Pressefreiheit, ist nicht die Rede. So schnell wandert die Verantwortung von den Staatsdienern zu jenen, die auf verbriefte Rechte pochen, statt sie zu erfinden („Das ist eine Straftat“). Nun gibt es also vier Gewalten: Legislative, Judikative, Exekutive und das gesunde Volksempfinden.
Kleiner Polizist, wenn Du einmal betrunken bist / Und wenn Du nicht mehr den Weg nach Hause kennst / Und wenn Du aus Versehen vor die Straßenbahn rennst / Die fährt Dich an, was machst Du dann
„Bürger in Uniform“
Der CDUler Marian Wendt erklärt das im DLF: „Wenn wir solche Kampagnen gegen unsere Polizei fahren, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn sich die Polizisten (…) von dieser Gesellschaft zurückziehen und das Vertrauen in unser Land verlieren“.
Offenbar haben wir also dieses „Bürger in Uniform“ bisher falsch verstanden. Nicht die Polizei schützt Recht und Gesetz, um Vertrauen in den Staat überhaupt erst zu ermöglichen. Es verhält sich andersherum! Frei nach Georg Kreisler „Schützen wir die Polizei“, damit sie nicht das Vertrauen in Recht und Gesetz verliert.
Kleiner Polizist, die Welt ist Mist (F.S.K.: Kleiner Polizist, 1981)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden