Kolumne Dumme weiße Männer: Kuddelmuddel aus Fehlschlüssen
Wenn weiße Männer anfangen, die Gender Studies zu kritisieren, läuft man Gefahr, dümmer zu werden. Welches Gen macht sie eigentlich so?
H arald Martenstein hat einen knallharten Test, um die Wissenschaftlichkeit von Disziplinen, die er zweifelhaft findet, zu untersuchen: den Alltag. Als er 2013 sich mit den Gender Studies beschäftigt, liegt er am See und fragt sich angesichts rumblödelnder Männer “Warum sind junge Männer manchmal so? Warum sind junge Frauen meistens anders?“
Eines Tages wird er so wohl auch die Elektrotechnik kritisieren, weil er beim besten Willen nicht ausrechnen kann, was die Quadratwurzel von -1 ist, oder die Quantenphysik, weil doch ein einfacher Ballwurf beweist, dass die Heisenbergsche Unschärferelation falsch sein muss.
Für einen weißen Mann, der über Gender Studies schreiben will, ist Martensteins Text die beste Vorlage: Er ist ein Kuddelmuddel aus erkenntnistheoretischen Fehlschlüssen und beinhaltet alle Bausteine der Diffamierung, die auch immer wieder von anderen „Genderkritikern“ genutzt werden.
Es gibt den ökonomischen Baustein: “2011 gab es 173 Genderprofessuren“, ohmeingottwaskostetunsdas?! Den moralischen: der Verweis auf John Money, der als erster die Unterscheidung von Sex, dem biologischen Geschlecht, und Gender, dem sozialen Geschlecht, vornahm – aber auch nach einer fragwürdigen Genitaloperation, die einen Jungen als Mädchen aufwachsen ließ.
Es gibt den denkfaulen: Männer sind so, Frauen sind so, das zeigen Studien, das habe ich am See erlebt und von Israel bis Russland, und deshalb muss das biologisch bedingt sein. Und den erlogenen: GenderforscherInnen würden biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen grundsätzlich verneinen.
Den gleichen Text wie Martenstein hat dann drei Jahre später Christian Weber für die Süddeutsche Zeitung geschrieben, in dem er argumentiert: „Zahlreiche Studien lassen […] vermuten, dass Frauen auch aus evolutionären Gründen rein statistisch weniger ausgeprägte Karriereambitionen als Männer haben.“ Klar: Vor Millionen Jahren sah die Evolution den Kapitalismus kommen und entschied: Es reicht, wenn nur die Hälfte der Menschheit karrieregeil wird.
Das war dann wahrscheinlich die längste Langzeituntersuchung aller Zeiten, begonnen von einem Menschenaffen und beendet von einem deutschen Forscher in den 1970ern, der evolutionär bedingt den Arbeitsvertrag seiner Frau kündigte, weil sie den Haushalt vernachlässigte.
Irgendwas mit „Gender“
Besonders fixiert auf Money ist der Pflanzenforscher Ulrich Kutschera, der die Gender Studies gleich in „Moneyismus“ umbenennen möchte. Dass es Tausende ForscherInnen in dem Gebiet gibt, ist ihm – wie auch Harald Martenstein – egal: Wesentlich ist, dass es mal John Money gab, der erstmals das Wort „Gender“ so verwendete, wie es von vielen auch heute verwendet wird.
Es folgt: Alle die „Gender“ so oder anders verwenden wie Money, sind moralisch ebenso fragwürdig wie er. Ohnehin scheint es, dass Kutschera kaum etwas von dem Feld verstanden hat, außer dass dort das Wort “Gender“ vorkommt.
Die Anekdote von John Money lässt Weber weg, rechnet dafür nochmal ein bisschen expliziter die Kosten der Gender Studies auf: “Jede Million mehr für die Geschlechterforschung ist eine weniger für die Meteorologie oder die Byzantinistik.“ Vielleicht hätte bei einer anderen Verteilung der Gelder mal ein Byzantinist Zeit, Weber das byzantinische „cum hoc ergo propter hoc“ zu übersetzen. Denn die Korrelation von etwas so komplexem wie menschlichem Handeln und etwas so komplexem wie biologischem Geschlecht bedingt nicht gleich eine Kausalität.
Vielleicht kann ja dann ein Biologe auch mal untersuchen, welches Gen dazu führt, dass vor allem weiße Männer die Wissenschaftlichkeit der Gender Studies in Frage stellen.
Eventuell kann er gleich mituntersuchen, was mit dem IQ von Leuten los ist, die solche Leute beauftragen: Warum, zum Teufel, glauben sie eigentlich, davon schlauer und nicht dümmer zu werden?
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