piwik no script img

Kolumne Dumme weiße MännerDie Scharia des Abendlandes

Weiße Männer wollen uns vor einem rückständigen Islam retten. Dabei befreien wir uns doch gerade erst noch von ihrer Rückständigkeit.

Das Abendland wird gegen solche Männer verteidigt: Messe gegen die Abtreibungsrechts-Demo in Polen Foto: dpa

I n Syrien fraßen die abendländischen Christen Menschenfleisch. Während des Ersten Kreuzzuges eroberten die europäischen Kreuzritter die Stadt Maara, fanden aber bei den anschließenden Plünderungen nicht ausreichend Essen. Die Berichte des Feldzuges lesen sich von erbärmlich bis grotesk. Aus Verzweiflung hätten die Kreuzritter „sich von den Leichnamen der Sarazenen [ernährt], die schon in Verwesung waren“, schrieb Albert von Aachen an den Papst.

Für Europäer des 12. Jahrhunderts war es naheliegend, dass “Hexen, Juden, Wilde, Orientale und Heiden denkbar – gar zwingend – Kannibalen waren“, doch kein anderer Kontinent hat eine so gut dokumentierte Geschichte des Kannibalismus wie Europa. Und die Gewohnheit, die eigenen Sünden auf den vermeintlichen Feind zu projizieren, hielt an: Geschichten des Kannibalismus prägen das Zeitalter des Kolonialismus. Weiße Entdecker griffen selbst in Notlagen zu Menschenfleisch, dichteten kannibalische Rituale aber gerne den Völkern an, die sie erobern oder ermorden wollten.

In der aktuellen Diskussion um die weltweite Flüchtlingskrise finden sich noch immer solche Verdrehungen. „Die Indianer konnten die Einwanderung nicht stoppen. Heute leben sie in Reservaten“, heißt es sowohl bei NPD wie AfD. Koloniale Eroberung und Völkermord als „Einwanderung“, die Deutschen als Opfer gleich den nordamerikanischen Völkern.

Folgerichtig sprechen die überwiegend weißen, männlichen, rechtsextremen Bewegungen Europas auch von einer angeblichen „Invasion“ afrikanischer und arabischer Geflüchteter. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein wissen sie offenbar, dass es weiße, europäische Wirtschaftsflüchtlinge waren, die in den vergangenen Jahrhunderten die Küsten anderer Kontinente mit Raubzügen überzogen. In einer völlig anderen Situation wollen sie nun das eigene Verhalten wiedererkennen.

Immer wieder behaupten weiße Männer, Sexismus, Homophobie und Antisemitismus seien Importe, die Muslime nach Deutschland bringen würden – ihren Hass auf Muslime tarnen sie als Sorge um die progressiven Errungenschaften Europas. „Ich brauche keinen importierten Rassismus, und wofür der Islam sonst noch steht, brauche ich auch nicht“, schrieb der ehemalige Bild-Journalist Nicolaus Fest und trat vor Kurzem der AfD bei.

In der CDU geblieben ist dagegen Jens Spahn, der im vergangenen Jahr vor „importiertem Antisemitismus“ warnte – und daran erinnert werden musste, dass es hauptsächlich weiße, christliche Männer waren, die sechs Millionen Juden ermordeten. „Die Scharia gehört zu Deutschland“ heißt es in einem Text der Welt, der argumentiert, dass der „authentische Islam“ nur sexistisch, homophob und autoritär sein könne – als hätte es so etwas in Deutschland bisher nie gegeben.

Freche Konservative

Die abendländische Scharia ist aber noch gar nicht so lange her. Die progressiven Errungenschaften in Deutschland und Europa wurden seit Jahrzehnten gegen weiße, konservative Männer ausgefochten. Frech ist, dass nun weiße, konservative Männer sich als Anführer anbieten, um diese Errungenschaften zu verteidigen. Dass sie dafür nicht gebraucht werden, haben gerade erst die Frauen in Polen gezeigt, die ihr Recht auf Abtreibung gegen christliche, weiße Männer verteidigten.

Gegen weiße Männer wie diese wurde das Wahlrecht für Frauen durchgesetzt. Weiße Männer wie diese unterschrieben in Deutschland noch bis in die 70er Jahre die Arbeitsverträge von Frauen, weiße Männer wie diese höhnten als Grünen-Politikerinnen erstmals im Bundestag von Sexismus sprachen. Weiße Männer machten Homosexualität strafbar – ließen aber ungestraft, wenn Kinder geschlagen oder Frauen in der Ehe vergewaltigt wurden.

Islamisten werden nicht so bald die Macht in Europa ergreifen. Weiße Männer träumen aber schon von der Kanzlerschaft.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Lalon Sander
Datenjournalist
Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • "Dumme weiße Männer" (natürlich christliche) - mehr Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geht nicht.

     

    Es ist bezeichnend, dass man hunderte Jahre zurückgehen muss, um zu beweisen, dass diejenigen noch schlechter sind, als wer auch immer. Und doch "beweist" man (falls überhaupt) etwas anderes: Dass, wer auch immer in seiner Entwicklung hunderte Jahre zurückliegt.

  • Wer wahrhaftig an die Worte von Jesus Christus glaubt, der weiß, dass es nicht um Rassen, Alter, Kulturen oder andere irdische Dinge gehen kann.

     

    Jesus hat gesagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich." und er sagte, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist und nur sein Königreich in Ewigkeit besteht. Wie sehr sehnen wir uns doch in unseren Herzen nach solch einem universalem Königreich. In dem der Frieden selbst herrscht - Christus. Wie sehr verlangen unsere Herzen nach dieser wahren Liebe Gottes, die gibt und schenkt. Nur: Wahres Geben und Schenken ist immer zugleich auch ein fordern an sich selbst. Betrachten wir hier z.B. Mutter Theresa, wie sie sich den Armen geschenkt hat - das ist wahre Liebe.

     

    Gott ist Gemeinschaft (Trinität) und nur in einer Gemeinschaft, in der Begegnung mit dem "Du", kann es wahre Liebe geben. Wer den Worten von Christus glaubt und folgt, der wird in die Gemeinschaft Gottes hineingezogen und er erlangt hierdurch auch die Erkenntnis, die dem Autor dieses obigen Textes offenbar fehlt.

     

    Lieber Autor: Schenke dein Herz Jesus Christus und lies dir die Bergpredigt durch. Bete innig zu Gott und wirf dich vor ihm nieder. Denn wahre Liebe fordert auch Gerechtigkeit und Gerechtigkeit fordert die Strafe für Sünde. Also gib auf dich acht!! Alles Gute, LG Martin

  • "Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört. Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute! Meidet das Böse in jeder Gestalt! Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt." (1.Thess 5,17-23)

  • Kann diese hetzerische Kolumne bitte geschlossen werden? Danke.

  • "In der CDU geblieben ist dagegen Jens Spahn, der im vergangenen Jahr vor „importiertem Antisemitismus“ warnte – und daran erinnert werden musste, dass es hauptsächlich weiße, christliche Männer waren, die sechs Millionen Juden ermordeten."

     

    Wollen Sie Herr Sanders, ernsthaft behaupten das Antisemitische Ansichten in Deutschland genausoweit verbreitet sind wie im Nahen Osten?!? Die Forschungslage spricht da eine deutlich andere Sprache.

  • ...und nebenbei: Hautfarben Eigenschaften zuzuordnen ist immer Rassismus. Wollten wir nicht damit aufhören?

    • @Bandari:

      Satire sollte man ernst nehmen, nicht aber damit aufhören

  • Whataboutism vom feinsten. Man könnte ja auch einfach Kritik annehmen, anstatt direkt auf ähnliche Verfehlungen der Anderen aus der Vergangenheit zu verweisen.