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Koalitionsverhandlungen in BerlinDas Feilschen beginnt

Ab Freitag verhandeln SPD, Grüne und Linke. Man gibt sich optimistisch, dass bis Dezember der neue Senat steht. Aber es gibt einige Fallstricke.

Mal sehen, ob sie auch nach der ersten Runde der Koalitionsverhandlungen noch lachen Foto: dpa

Berlin taz | Wenn SPD, Grüne und Linke an diesem Freitagmorgen mit den Koalitionsverhandlungen für eine Neuauflage ihres Bündnisses beginnen, dann muss die Kulisse erstklassig sein – und gleichzeitig ein bisschen trivial: Die erste Runde der drei Parteien findet in einem Tagungszentrum am Pariser Platz statt; die Auftaktbilder werden daher das Brandenburger Tor im Hintergrund haben.

Um 9.30 Uhr trifft sich die sogenannte Dachgruppe aus Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen der Parteien; sie koordiniert die Verhandlungen. Anfangs soll es um Grundsätze der Zusammenarbeit sowie Zusammensetzung und thematische Ausrichtung der geplanten 16 Arbeitsgruppen gehen. Klappt alles, können diese ihre Arbeit aufnehmen und die Fachfragen klären. Es sind große Runden: Je nach Thema entsenden die Parteien fünf bis acht Vertreter in diese Gruppen. Was wie formuliert im Koalitionsvertrag landet – also der Arbeitsgrundlage für die kommenden fünf Jahre –, entscheidet aber die Dachgruppe.

Bis Anfang Dezember sollen die Verhandlungen beendet sein; alle drei Parteien haben bereits für diesen Zeitraum Parteitage anberaumt.

Dennoch ist längst nicht ausgemacht, dass Rot-Grün-Rot erfolgreich zueinander kommen. Die vorläufige Entscheidung war nur auf Druck der sozialdemokratischen Basis zustandegekommen, gegen die Vorliebe ihrer Spitzenkandidatin Franziska Giffey für ein Ampelbündnis mit der FDP. Immerhin waren die Sondierungen, so ist aus Verhandlungskreisen von SPD, Grünen und Linken zu hören, dahingehend erfolgreich, dass wichtige inhaltliche Punkte festgesetzt werden konnten, aber alle auch Kompromisse eingehen mussten – was als Zeichen des gegenseitigen Vertrauens gewertet wird.

Anderseits starteten 2011 auch Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen, die der damalige SPD-Regierungschef Klaus Wowereit noch am ersten Tag platzen ließ, vordergründig wegen der Ablehnung der Grünen für den Weiterbau der A100. Offenbar waren Wowereit aber die zwei Stimmen Mehrheit, die er mit den Grünen gehabt hätte, zu unsicher. Am Ende ging die SPD mit der CDU zusammen.

Die Mehrheitsverhältnisse sind diesmal kein Problem: SPD, Grüne und Linke verfügen zusammen über 92 der 147 Sitze im Berliner Abgeordnetenhaus. Allerdings gibt es einige inhaltliche Klippen, nicht zuletzt der Umgang mit dem Ergebnis des erfolgreichen Enteignen-Volksentscheids, den Giffey stets abgelehnt, die Linke aber voll unterstützt hatte.

Im Sondierungspapier, der Grundlage für die Koalitionsverhandlungen, heißt es nun: „Die neue Landesregierung respektiert das Ergebnis des Volksentscheids und wird verantwortungsvoll damit umgehen.“ Eine Kommission aus Ex­per­t*in­nen soll klären, wie; an ihr soll auch die Initiative des Volksbegehrens beteiligt werden. Die Formulierung lässt viel Raum für Interpretationen, was immer eine Quelle für Streit ist.

Streitpunkt Tempelhofer Feld

Diskutiert wird all das ab Sonntag in der Verhandlungsgruppe zu Stadtpolitik, auf die sich alle Augen richten werden. Hier geht es auch um das Thema Neubau, das Giffey wie kein anderes für sich und ihre Partei reklamiert. Nachdem die von der SPD geforderte Teilbebauung des Tempelhofer Feldes nach den Sondierungen gegessen schien, machte Giffey das Thema am Donnerstag im Tagesspiegel wieder auf, dem sie sagte, es sei „noch keine Einigung“ erzielt.

Womöglich ist das ein Taschenspielertrick der SPD, die Grünen und Linken vor die Wahl zu stellen, welchen von zwei Volksentscheiden man eher ignorieren kann. Oder es ist der Versuch, eine Sollbruchstelle zu konstruieren nach Art der Autobahn 100 im Jahr 2011. Sicher ist: Es wird hitzig in dieser Runde. Mit jeweils acht Ver­tre­te­r*in­nen, darunter etwa der SPD-Baufilzler Volker Härtig und die sozialistische Stadtpolitikerin der Linken, Katalin Gennburg, treffen Positionen aufeinander, die inhaltlich nicht weiter voneinander entfernt sein könnten.

Auch der bisherige Bausenator Sebastian Scheel (Linke) wird der Verhandlungsgruppe angehören. Dabei gilt es als wenig wahrscheinlich, dass er sein Amt behalten kann. Die SPD drängt darauf, den Posten, den sie bis 2016 jahrzehntelang innehatte, zurückzuholen. Allerdings hat Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer dies in der Vergangenheit mehrfach öffentlich zurückgewiesen – zu deutlich, um hier einzuknicken.

Andere Se­na­to­r*in­nen haben sich bereits zurückgezogen. Sandra Scheeres (Bildung) und die glücklose Dilek Kalayci (Gesundheit, beide SPD) hatten schon lange vor der Wahl angekündigt aufzuhören. SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz würde gern weitermachen; die neue SPD-Spitze aus Giffey und Raed Saleh will das aber offenbar nicht.

Was wird aus Innensenator Geisel?

Unklar ist die Zukunft von SPD-Innensenator Andreas Geisel, der gern Stadtentwicklungssenator werden würde – ein Amt, das er bereits einmal innehatte. Der grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop sagen manche Ambitionen nach, Teil der nächsten Bundesregierung zu werden – auf welcher Ebene auch immer.

Dass die Grünen den Posten der Verkehrssenatorin auch nach der Absage von Regine Günther behalten, gilt als gesetzt. Gesetzt sind auch Klaus Lederer (Linke), der liebend gerne seine Arbeit als Kultursenator fortsetzt, und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, für die noch ein Ressort gesucht wird. Die im Sondierungspapier festgehaltene Einigung, Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen, deutet darauf hin, dass auch die linke Sozialsenatorin Elke Breitenbach weitermacht.

Verhandlungssache ist noch die Zahl der jeweiligen Senatsposten pro Partei

Verhandlungssache ist noch die Zahl der jeweiligen Senatsposten pro Partei. Derzeit gibt es zehn plus den Regierenden Bürgermeister. Möglich wären vier für die SPD plus Giffey als Regierende und vier für die Grünen. Dann blieben nur zwei für die Linke – das würde ihrem Wahlergebnis von 14,1 Prozent in Berlin aber nicht gerecht. Eine andere Möglichkeit wären vier für die SPD inklusive Giffey, vier für die Grünen, dann blieben drei für die Linke. Das zeigt: Es muss mit allem gerechnet werden.

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