piwik no script img

Klimaschutzprogramm der GrokoWirkung unbekannt

Die Langfassung des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung enthält keine Zahlen darüber, was die einzelnen Maßnahmen bringen sollen.

Bleiben, was den Klimaschutz angeht, sehr vage: Kramp-Karrenbauer, Merkel, Dreyer und Scholz (v.l.) Foto: dpa

Berlin taz | Nachdem das Bundeskabinett am Mittwoch die umstrittenen Eckpunkte ihres Klimaschutzprogramms 2030 verabschiedet hat, soll in Kürze auch die Langfassung beschlossen werden, die alle geplanten Maßnahmen im Detail auflistet. Doch im jüngsten Entwurf, der der taz vorliegt, fehlt im Vergleich zu einer früheren Version der entscheidende Teil: Die Angaben, wie viel CO2 durch die jeweiligen Maßnahmen eingespart werden sollen, wurden komplett gestrichen.

Aus Sicht der Grünen ist das Papier damit wertlos. „Damit ist das Klimaprogramm eigentlich nicht überprüfbar“, meint Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Auch die Schüler*innen der Streik-Bewegung Fridays for Future sind entsetzt. „Es wird immer lächerlicher“, schreiben sie auf Twitter: „Scheinbar reicht es dieser Bundesregierung nicht, dass sie sich mit dem Klimapaket vom 1,5-Grad-Ziel verabschiedet. Jetzt streicht sie aus dem Papier auch noch die Informationen darüber, wie viel Emissionen die Maßnahmen überhaupt reduzieren!“

Das Umweltministerium verteigt das Vorgehen dagegen. Die Abschätzungen zur Wirkung der einzelnen Maßnahmen seien „inzwischen veraltet“, sagte ein Sprecher der taz. Fundierte neue Zahlen ließen sich in wenigen Tagen nicht erarbeiten. Darum habe man sich entschieden, zunächst auf Zahlen zu verzichten, denn: „Wir wollten keine Zeit verlieren bei der Verabschiedung des Klimaschutzprogramms 2030.“ Zur Ermittlung der CO2-Minderungswirkung sollen anschließend neue Gutachten erstellt werden.

Ob das einvernehmlich gelingt, ist allerdings fraglich. Schon bei den bisherigen Prognosen gab es Streit innerhalb der Regierung gegeben, weil das Verkehrsministerien sehr optimistische Werte gemeldet hatte, ohne die Grundlagen der Berechnung offenzulegen.

Überprüft werden soll die Wirksamkeit des Pakets laut Umweltministerium anhand der realen Emissionszahlen, die jährlich für jeden Sektor ermittelt werden. Auch hier scheint es aber noch keine Einigkeit über das Verfahren zu geben – im Entwurf steht bei der Überprüfung ein „Leitungsvorbehalt“, was bedeutet, dass die Frage noch auf Ebene von Minister*innen oder Staatssekretär*innen geklärt werden muss.

Die Klimapläne, auf die sich die Koalition in der vergangenen Woche nach langen Verhandlungen geeinigt hatte, waren auf breite Kritik gestoßen. Vor allem der CO2-Preis, der im Jahr 2021 mit 10 Euro pro Tonne starten und bis 2025 auf 35 Euro steigen soll, war von Expert*innen als zu niedrig und damit wirkungslos kritisiert worden. Auch die ­Bevölkerung sieht die Pläne skeptisch: In einer ZDF-Umfrage erklärten 53 Prozent der Befragten, die geplanten Maßnahmen gingen „nicht weit genug“. Nur 13 Prozent meinen, sie gingen zu weit. Höhere Benzin- und Dieselpreise aber, die ein höherer CO2-Preis zur Folge hätte, ­lehnten 63 Prozent der Befragten ab.

Angesichts der Kritik und um eine Zustimmung zum Klimapaket im Bundesrat sicherzustellen, haben sich einzelne Poli­tiker*innen von Union und SPD für einen höheren CO2-Preis ausgesprochen. SPD-Interims­chefin Malu Dreyer brachte als Kompromiss einen Einstiegspreis von 20 Euro ins Gespräch. Unionsfraktionsvize Andreas Jung plädierte dafür, bereits jetzt festzulegen, dass der Preis bis 2030 auf 180 Euro pro Tonne steigen kann. Der Wirtschaftsrat der CDU lehnte Veränderungen am beschlossenen Paket dagegen strikt ab.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Nachdem es sehr wesentlich ist, welche indirekten Effekte in die Betrachtung einbezogen werden (z.B. Gegenbewegung durch EU-Emissionshandel oder EU-Flottenverbrauch bei der Elektroautofoerderung) sind ohnehin keine exakten Zahlen zu erwarten. Die Koalition hat aber grosse Toene zum zeitlichen Rahmen gespuckt (Gesetzesvorlagen bis zum Jahresende). Das ist recht ambitioniert. Wie waere es hiermit: Wenn es bei puenktlichen Gesetzesvorlagen eine Nullnummer gibt, wird eine Null an den Emissionspreis gehaengt?

  • Dieses Herumeiern ist doch der beste Beleg dafuer, mit wirkungsvollem Emissionshandel alle Sektoren zu erfassen, und zwar ohne generellen Uebertrag von Zertifikaten auf Folgejahre. Mit den Klimazielen 2020 sollte das begonnen werden. Bis zur Wahl haetten sich die Buerger dann schon an die neuen Spritoreise gewoehnt.

  • Es scheint nicht aufzufallen, dass einerseits anerkannt wird, dass CO2 schädlich ist, aber anderseits die politische Diskussion und die Konfliktlinien zwischen den Ministerien ausschließlich vom Erhalt des sektoralen Status quo bestimmt wird. Ein Stellungskrieg, mit dem der klimapolitische Stillstand fortgeschrieben werden kann! Mit jeweils passender Munition von den Interessenverbänden versorgt, um die ökonomischen Schäden für die eigenen Branchen abzuwehren.

    Fakt ist, dass der Kohlenstoffgehalt pro Tonne/Barrel/cbm Öl, Kohle, Braunkohle, Gas errechnet werden kann. Die Unterschiede im CO2 Gehalt/Kohlenstoffdichte der verschiedenen Sorten und Förderregionen lässt sich leicht ermitteln.

    Mit einer CO2 Abgabe pro Tonne/Barrel/cbm beim Import, ließe sich dieser politisch BEWUSST gesteuerte Konflikt auflösen. Eine CO2 Quellensteuer/Abgabe würde alle ökonomischen Sektoren gleich behandeln, und tatsächlich eine Dynamik zur CO2 Reduktion erzeugen.



    Diese Ablenkungsdebatten bewirken das Gegenteil!

  • Wenn die nicht handeln, müssen wir es tun. Also wir müssen es sowieso tun.

    Welche Maßnahmen, die wir selber durchführen können, reduzieren CO2 und andere Klimagase? Welche Maßnahmen senden auch ein deutliches Signal an "die da oben" (Politik, Wirtschaft).



    .:.



    Am übelsten schauts wahrscheinlich im Verkehrsbereich aus.



    Deshalb, Leute, wer ist dabei?



    - autofrei leben, weder Privat- noch privat genutzter Dienstwagen



    - Boykott aller Fluchreisen, Urlaub da, wo man auf dem Boden hinkommt, per Pedes, Rad, Bahn



    .:.



    - wieviel Wohnfläche beheizt Du? und wieviel Fläche ist für Deine vielleicht zu große Wohnung verbaut worden?



    - Heizung runterdrehen lohnt sich bald wieder, einen hübschen Pullover hat fast jeder zuhause und wer drei hat, kann einen an den frierenden Nachbarn verschenken



    .:.



    - Beim Internet kenn ich mich nicht so aus, wer ergänzt das bitte bezüglich Streamen und Googlesuche und ähnlichem.



    .:.



    - auch LED-Licht kann man ausmachen



    - Städte, dreht die Straßenbeleuchtung runter



    .:.



    - und der große Brocken bei der Ernährung. Kein umweltfeindlich angebautes "Super"food wie Avokados, keine Flugwaren, keine Erdbeeren im Winter und kein Spargel im Herbst.



    Fleisch nur noch, wenn es nachweislich mit einheimischem Gras und einheimischem Futter erzeugt wurde und überhaupt weniger und nichts von den Großfirmen, die ihre Lobbyisten im Bundestag sitzen haben.



    - und brauchst Du wirklich einen Hund? Soviel Fleisch wie alle Hnde fressen können alle Vegetarier nicht einsparen.



    .:.



    Wenn Du Dir jetzt ans Hirn tippst, hast Du recht. Das ist alles viel zu wenig und der Eisbär, der auf seiner schmelzenden Scholle bald ertrinkt, sollte Dein tierliebes Herz rühren. Die im brasilianischen und indonesischen Regenwald verbrannten Tiere, die brannten für Eukalyptuspapier und für Viehfutter und für Siedlungsflächen.



    .:.



    Radikalere Maßnahmen dürfen wir uns jederzeit ausdenken

  • Das war ein wunderbares Stück Scheinpolitik um einen Moment lang zu zeigen wie man sich bemüht. Langfristige Effekte waren nicht wirklich geplant.

    Um dem dummen Volk zu zeigen was man von Klimapolitik hält flogen ja dann auch unmittelbar nach der Verkündigung der Ziele der Regierung die Kanzlerin, die Verteidigungsministerin und der Herr Außenminister in drei Regierungsjets nach New York bzw. Washington.

    Die jetzige "Detailauswertung" ohne konkrete Angaben bestätigt die Realsatire auf bedauerliche Art.

    Die Leute sollen ihren Stuhl räumen. Sie haben keine Visionen, mehr sind müde und einfallslos. Das Volk merkt das aus zusehens.

  • 0G
    07954 (Profil gelöscht)

    Dass das bestehende EEG kaum wirksam ist ist ja schon bekannt. Eine zumindest Überschlagsrechnung des CO2 Reduktionspotentials sollte aber schon vorliegen. Dass die Umweltministerin das nicht abschätzen kann ist beschämend.

  • Es ist angemessen, wenn dort keine Zahlen auftauchen. Es wird keinerlei messbare Reduktionswirkung haben.



    Man hätte natürlich die beliebte "schwarze Null" reinschreiben können ...

  • Die Wirksamkeit des Paketes kann jeder vorher sagen: Null.



    Die Wissenschaftler, die die Regierung beraten haben, haben ja Mindestgrenzen vorgeschlagen, die bereits konservativ waren.



    Diese wurden so weit unterschritten, dass man von einer Wirksamkeit nicht mehr ausgehen kann.

    Mit der Kampagne gegen Habeck wurde ja davon abgelenkt, dass er in der Sache recht hat (und der Einwurf der Journalisten eine Falle war, die nichts mit dem Thema zu tun hatte):

    Wer mit dem Auto pendelt bekommt zusätzliche Anreize. Von diesem Fakt wurde geschickt abgelenkt - auch von der taz, die diesen Blödsinn auch kolportierte.

  • Zweck der Übung war, dass Merkel bei der UN Konferenz als Klimaschützerin auftreten konnte. Nun kann das Papier in Tonne, da man als die tatsächliche Bedrohung unserer Wirtschaftsweise und gemeinsame Feindin aller Wachstumsprediger eine Sechzehnjährige ausgemacht hat, die in einer vierminütige Rede gerufen hat: Der König ist nackt! Nun schlägt der Hofstaat zurück, mit aller Macht, mit allen Mitteln und mit Unterstützung aller Medien. Es hat sich nichts am "gesunden Menschenverstand" der BesitzstandwahrerInnen geändert. Weiter so! Das Mädchen ist krank? Nicht unser handeln?

  • Man sticht halt mal rein und versucht mit einem Wirrwar von Aktionen an ein höheres Steuereinkommen zu kommen. Für den Bürger am kritischten wird wohl die noch nicht konkretisierte KfZ-Steuer-Anpassung kommen. Obwohl sie schon zig-mal mit der Argumentation Umwelt gezündet wurde und nie funktioniert hat. Weil das Geld immer anderweitig ausgegeben wurde!