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Klimapolitik der neuen RegierungDen Ruf gleich ruiniert

Wie macht man einen guten ersten Eindruck? Das Kabinett von Bundeskanzler Merz hat das bei der Klimapolitik schon mal nicht hinbekommen.

Ist der Ruf erst ruiniert, merzt is sich ganz ungeniert Foto: Markus Schreiber/ap

I ch hatte mir die Haare gewaschen und eine saubere Hose angezogen. Trotzdem war ich ein bisschen nervös, als ich damals zum ersten Mal bei den Eltern meiner damaligen Freundin vor der Tür stand.

„Du hast nie wieder die Chance, einen guten ersten Eindruck zu machen“, hatte meine weise Mutter gesagt. Also gab ich mir Mühe, lobte den wirklich guten Apfelkuchen der Hausfrau und antwortete brav auf die Frage: „Und Sie arbeiten also bei einer kommunistischen Zeitung?“ Es funktionierte: Dieser seltsame Mensch aus Berlin wurde Jahre später ein Familienmitglied bei den besten Schwiegereltern der Welt.

Ob die Regierung Merz so harmonisch und erfolgreich ihre Arbeit zur Rettung der Welt begonnen hat, da bin ich hingegen nicht so sicher. Gut, die Haare sind gewaschen und die Hosen sauber. Aber wenn am Montag in Bonn die erste UN-Klima-Zwischen­konferenz beginnt, bei der Schwarz-Rot Deutschland vertritt, muss man fragen: Machen die Neuen einen guten ersten Eindruck?

Nun ja: Als Erstes haben sie der Welt gesagt, wie wenig sie von der Klimaaußenpolitik der Ampelregierung halten. Haben die weltweit hochgeschätzte Klima-Sonderbotschafterin Jennifer Morgan entlassen und ihren Job im Auswärtigen Amt gleich ganz gestrichen. Dann haben sie den Begriff „Klima“ aus dem Wirtschaftsministerium entfernt, aus dem Auswärtigen Amt wieder rausgedrängt und in die Ministerien für Landwirtschaft, Bauen und Verkehr gar nicht erst reingelassen.

Sie stehen brav zu den Klimazielen (immerhin halten sie sich hier anders als bei Zuwanderung an die Gesetze), tun aber wenig, um sie zu erreichen. Im Gegenteil: mehr Gaskraftwerke, mehr Geld für Agrardiesel, Pendler und das Fliegen. Unterm Strich schmeißt die neue Regierung der fossilen Wirtschaft trotz aller Sparschwüre mehr von unseren Steuergeldern in den Rachen als je zuvor – etwa 65 Milliarden im Jahr.

Kein guter erster Eindruck

Ein guter erster Eindruck sieht anders aus. Aber: Viele andere Länder, die sich in Bonn treffen, sind noch viel schlimmer: Brasilien, der nächste COP-Gastgeber, killt weiter den Regenwald und bohrt verstärkt nach Öl. Indien setzt auf Kohle, Südafrika will auch nichts mehr von sauberer Energie wissen. Die EU will am liebsten den Green Deal wieder rückabwickeln. Und die Trumpistas rauchen gleich den gesamten US-Klimaschutz in der Pfeife. Im Vergleich zu all den anderen Verbrennern und Verstrahlten ist Schwarz-Rot also gar nicht so schlecht.

Erster Eindruck mies, aber man kann doch an seinem Ruf arbeiten? Kommt drauf an, wie lange man Zeit hat. Wollen wir wirklich hoffen, dass die Regierung Merz 20 Jahre hält, um sich auf die Dauer zu beweisen? Hm. Aber immerhin: Dann müsste sich der 89-jährige Bundeskanzler Merz 2045 dafür verantworten, wenn Deutschland die gesetzlich vorgeschriebene Klimaneutralität krachend verpasst – weil er das Thema am Anfang seiner Amtszeit so aggressiv verschlafen hat.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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14 Kommentare

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  • Na ja, das übliche Narrativ: "Deutschland ist schlecht, aber es gibt ja Länder, die sind noch viel schlechter."



    Der Autor hat als Beispiel Brasilien gebracht, die weiterhin ihre Wälder abholzen. Das stimmt natürlich. Aber man muss halt auch dazu sagen, warum sie das machen. Auf den abgeholzten Flächen wird nämlich hauptsächlich für den Export produziert: Soja, Fleisch, etc.



    Und wohin geht der Export : Eben zu einem großen Teil auch nach Europa. Die Fleischindustrie in Deutschland ist ja bekanntermassen nur möglich, weil rund 70% der Futtermittel importiert werden. Um diese Futtermittel in Deutschland zu produzieren, müssten wir nämlich die Wälder in Deutschland abholzen.

    • @Heinz Kuntze:

      Dieses Narrativ habe ich noch nie verstanden. Nur weil die Verhältnisse in anderen Ländern noch schlechter als in Deutschland sind, muss man die Verhältnisse in Deutschland doch nicht an die in diesen Ländern angleichen. Stattdessen sollte alles versucht werden, die Verhältnisse in den Ländern an die in Deutschland anzugleichen, z. B. mit sinnvoller Entwicklungshilfe statt korrupte Diktaturen für billige Rohstoffe zu unterstützen.

  • Der Ruf ist definitiv nicht ruiniert! Das postmaterialistische denken gehört nicht zu links und die linken dürfen nicht den Fehler machen der Vergangenheit und sagen es gibt für ein ganzes Land die eine Lösung für ein gewisses Thema und alles wird besser. Hier das Thema Klimaschutz da gibt es die eine Lösung nicht. Was gut in Berlin ist Beispiel Abschaffung Auto ist zum wohle des Klimaschutz ist wo anders keine Lösung! Klimaschutz muss vor Ort von unten kommen und nicht vom Bund einheitlich für ganz Deutschland gleich gemacht werden. Der Staat muss nur sämtliche Lösungen anbieten mehr nicht und das gibt es. Das muss auch in den Köpfen der Klimaaktivisten das ihr Ansatz zu einseitig ist und somit nicht umsetzbar. Wir sind halt keine einheitliche Gruppe sondern vielfältig und das wollen wir dich auch alle sein

    • @Marcelo:

      Ist der Ansatz wirklich zu "einseitig" zu versuchen, die notwendigen Lebensgrundlagen auf der Erde zu erhalten?

  • Ich finde den Ansatz des Artikels schon unheimlich naiv: "Sie stehen brav zu den Klimazielen (immerhin halten sie sich hier anders als bei Zuwanderung an die Gesetze), tun aber wenig, um sie zu erreichen."

    Das ist doch längst die Norm der Industrienationen, plakative Behauptungen, Symbolwischiwaschi und dabei längst die 1.5 Grad Celsius Ziele aufgegeben und nun volle Puste gegen die ökonomische Stagnanz. Klimakatastrophe und etwaige populationsweite und gesellschaftspolitische Auswirkung sind längst eingepreist oder werden der Einpreisung durch Leugnung oder Verdrängung vorenthalten.

  • Merz soll ich sich verantworten? Es ist sicher ironisch und trotzdem die Frage. Wann hat sich je ein Politiker verantworten müssen?



    Wer glaubt daran das jemals eine von Lobbyisten frisierte Regierung etwas sinnvolles für den Klimaschutz tut?

    • @Conrad:

      Zitat: "Wann hat sich je ein Politiker verantworten müssen?"

      Ich weiß nicht, ob Willy Brandt sich wirklich hätte verantworten müssen, aber immerhin hat er die Verantwortung damals übernommen.

  • Wieso den Ruf ruiniert?



    Kann ich nicht nachvollziehen. Sie fördert doch weiterhin E-Autos, Wärmepumpen und die für deren Betrieb notwendigen Gaskraftwerke. Und die nach oben offenen Sonderschulden für die Aufrüstung haben doch die Zustimmung der Grünen. Biodiesel für die Landwirtschaft? Da waren doch die Grünen dagegen.



    Also alles im grünen Bereich :-)

    • @sollndas:

      Also wie man die Klimaneutralität im Jahr 2045 mit dem Zubau von fossilen Gaskraftwerken erreichen will habe ich jetzt nicht verstanden.



      Ich dachte bisher dass man Photovoltaik und Windkraft nimmt, und die immer küzeren Zeiten mit schwachem Wind- und Photovoltaikstrom mit Batterie - und Thermospeichern so wie Smart-Grid-Lösungen ausgleicht.



      Zur Info: Stand 15.06.2025 12:00 85% des Stromes in D ist aus Erneuerbarn. Siehe APP "Electricity Map"



      Na und der Biodiesel: Die Grünen sind davon nicht so begeistert, weil man zum Betrieb von Traktoren mit Biodiesel halt etwa die 50-fache Fläche benötigt, als wenn man Traktoren mit Strom aus Photovoltaik betreiben würde. Und das Batterieproblem ist inzwischen auch gelöst: Es gibt inzwischen Batterievarianten, die enorme Reichweiten bringen und auch eine andere Variante, die in nur 5 Min aufladbar ist. Leider hat man die Batterietechnologie in Deutschland komplett verpennt. Solche Technologiedurchbrüche kommen heute aus China.

  • Guten Tag Herr Pötter,



    alles richtig und dennoch sehr schlecht für die gesamte Welt.

    Nur weil andere noch schlimmere Taten begehen, rechtfertigt das keineswegs unsere Handlungen und Versäumsisse.

    Nichts tun ist die Steigerung einer Katastrophe.

    Mit Fehler der Vergangenheit die Zukunft gestalten scheitert immer.

    Denn Heute ist Morgen schon Vergangenheit!

    Die Zukunft wartet nicht auf uns!

    Beste Grüße

  • " mehr Gaskraftwerke, mehr Geld für Agrardiesel, Pendler und das Fliegen."

    Aber keine allgemeine Abschaffung der Co2-Steuer, oder? Nur so Trump mäßig wieder entscheiden wer gefällt der Ausnahmen kriegt?

  • Lieber Herr Pötter, nett geschrieben und brav in der Blase gepunktet, wie bei den besten Schwiegereltern der Welt.



    Aber ich bin mir ganz sicher, dass die EntscheiderInnen der aktuellen BR auf unser beider Urteil zum ersten (fatalen) Eindruck nicht im geringsten Wert legen.



    Sie haben in der Opposition die Desavouierung der Grünen so professionell vorangetrieben, dass man dafür eine neue Skala erfinden müsste, die SöSka beispielsweise.



    Nichts für ungut, sie legten Wert auf die Betonung brav, zumindest in der Vergangenheit.



    Da werde ich als Con-Boomer und zur Selbstermächtigung in Sachen Verbesserung von Umwelt und Gesellschaft neigender Zeitgenosse jetzt aber etwas ungehalten und ungeduldig.



    Wer soll denn die Kohlen aus dem Feuer holen?



    „Wenn unsere Kinder eine Zukunft haben wollen, muss die Generation 50+ dringend mit ins Boot. Immerhin sind wir mehr als die Hälfte der Wähler und erzeugen das meiste CO2 pro Kopf!“



    Mit diesen Gedanken nahm Cordula Weimann im Jahr 2019 die Dinge selbst in die Hand"



    dev.omasforfuture.de/

  • Das kann der Merz ganz entspannt angehen. Seine und der anderen Politik zur Beförderung der Welt in das aus und gesteigerter Katastrophen und Milliarden von Schadensausgleich mit Steuergeldern legen die Damen und Herren nach ihrer Amtszeit relaxed einfach zur SEite. Sie sind ja nicht mal ernsthaft während ihrer Amtszeit verantwortlich für Schäden für unser Land, die durch ihre Handlungen erfolgen. Schon garnienicht nach der Amtszeit. Auch wenn die zweimal wiederholt wird, was zu einer auskömlichen Seniorenzeit hilft, ohne zusätzliche aufstockerjobs. Es ist einfach so traurig, das diese Politiker noch nicht einmal das wahre Leben sehen. Einfach lost!

  • Als nicht-CDU-Wähler und nicht-Merz-Fan muss ich sagen, dass ich den Start der neuen Regierung wesentlich besser fand als erwartet. Ich hoffe sehr, dass es so weiter geht.