Klimapolitik der neuen Regierung: Den Ruf gleich ruiniert
Wie macht man einen guten ersten Eindruck? Das Kabinett von Bundeskanzler Merz hat das bei der Klimapolitik schon mal nicht hinbekommen.
I ch hatte mir die Haare gewaschen und eine saubere Hose angezogen. Trotzdem war ich ein bisschen nervös, als ich damals zum ersten Mal bei den Eltern meiner damaligen Freundin vor der Tür stand.
„Du hast nie wieder die Chance, einen guten ersten Eindruck zu machen“, hatte meine weise Mutter gesagt. Also gab ich mir Mühe, lobte den wirklich guten Apfelkuchen der Hausfrau und antwortete brav auf die Frage: „Und Sie arbeiten also bei einer kommunistischen Zeitung?“ Es funktionierte: Dieser seltsame Mensch aus Berlin wurde Jahre später ein Familienmitglied bei den besten Schwiegereltern der Welt.
Ob die Regierung Merz so harmonisch und erfolgreich ihre Arbeit zur Rettung der Welt begonnen hat, da bin ich hingegen nicht so sicher. Gut, die Haare sind gewaschen und die Hosen sauber. Aber wenn am Montag in Bonn die erste UN-Klima-Zwischenkonferenz beginnt, bei der Schwarz-Rot Deutschland vertritt, muss man fragen: Machen die Neuen einen guten ersten Eindruck?
Nun ja: Als Erstes haben sie der Welt gesagt, wie wenig sie von der Klimaaußenpolitik der Ampelregierung halten. Haben die weltweit hochgeschätzte Klima-Sonderbotschafterin Jennifer Morgan entlassen und ihren Job im Auswärtigen Amt gleich ganz gestrichen. Dann haben sie den Begriff „Klima“ aus dem Wirtschaftsministerium entfernt, aus dem Auswärtigen Amt wieder rausgedrängt und in die Ministerien für Landwirtschaft, Bauen und Verkehr gar nicht erst reingelassen.
Sie stehen brav zu den Klimazielen (immerhin halten sie sich hier anders als bei Zuwanderung an die Gesetze), tun aber wenig, um sie zu erreichen. Im Gegenteil: mehr Gaskraftwerke, mehr Geld für Agrardiesel, Pendler und das Fliegen. Unterm Strich schmeißt die neue Regierung der fossilen Wirtschaft trotz aller Sparschwüre mehr von unseren Steuergeldern in den Rachen als je zuvor – etwa 65 Milliarden im Jahr.
Kein guter erster Eindruck
Ein guter erster Eindruck sieht anders aus. Aber: Viele andere Länder, die sich in Bonn treffen, sind noch viel schlimmer: Brasilien, der nächste COP-Gastgeber, killt weiter den Regenwald und bohrt verstärkt nach Öl. Indien setzt auf Kohle, Südafrika will auch nichts mehr von sauberer Energie wissen. Die EU will am liebsten den Green Deal wieder rückabwickeln. Und die Trumpistas rauchen gleich den gesamten US-Klimaschutz in der Pfeife. Im Vergleich zu all den anderen Verbrennern und Verstrahlten ist Schwarz-Rot also gar nicht so schlecht.
Erster Eindruck mies, aber man kann doch an seinem Ruf arbeiten? Kommt drauf an, wie lange man Zeit hat. Wollen wir wirklich hoffen, dass die Regierung Merz 20 Jahre hält, um sich auf die Dauer zu beweisen? Hm. Aber immerhin: Dann müsste sich der 89-jährige Bundeskanzler Merz 2045 dafür verantworten, wenn Deutschland die gesetzlich vorgeschriebene Klimaneutralität krachend verpasst – weil er das Thema am Anfang seiner Amtszeit so aggressiv verschlafen hat.
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