Kiew entscheidet für Istanbul-Konvention: Ein Sieg für die Ukrainerinnen
Das ukrainische Parlament hat die Istanbul-Konvention ratifiziert. Die Abgeordneten nutzten die Gunst der Stunde und signalisieren der EU Liberalität.
E lf Jahre nach der Unterzeichnung hat das Kiewer Parlament endlich die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert. Damit ist das kriegsgepeinigte Land weiter als beispielsweise das EU-Mitglied Bulgarien, wo noch immer um das Dokument gerungen wird. Hier – wie überhaupt in den Staaten Osteuropas – betrachten die Gegner*innen die Konvention als Einfallstor für den vermeintlich dekadenten „Gender-Wahnsinn“ und damit als Frontalangriff auf traditionelle Familienwerte und Rollenbilder, der die Grundfesten der Gesellschaft erschüttert.
Bekanntlich verlaufen die Frontlinien in der Ukraine derzeit an anderen Stellen. Im Krieg gegen den russischen Aggressor verlieren innere Konflikte an Bedeutung. Gerade jetzt leisten viele Frauen schier Übermenschliches, und nicht wenige Angehörige der LGBTQ-Community verteidigen ihr Land an der Front. Zudem sind die Kirchen anderweitig beschäftigt. Schließlich geht es um nichts Geringeres als eine Neudefinition des Verhältnisses zur russisch-orthodoxen Kirche, der ihre Schäfchen aktuell scharenweise davonlaufen.
Da bleibt wenig Raum, um im Verbund mit konservativen und rechtsextremen Kräften gegen sexuelle Minderheiten zu Felde zu ziehen. Zweifellos ist das Parlamentsvotum vor allem der Aussicht auf den EU-Kandidatenstatus geschuldet, über den die Mitgliedsstaaten in dieser Woche entscheiden. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Entscheidung von großer Bedeutung ist, denn sie erzwingt Veränderungen der Gesetzgebung und bei institutionellen Prozessen, die mehr Sicherheit und Gerechtigkeit für die Betroffenen sowie eine faire Strafverfolgung der Täter*innen sicherstellen.
Zudem bekommen die Behörden ein Instrument an die Hand, um mit den zahllosen Fällen sexualisierter Gewalt gegen ukrainische Frauen in den von Russland besetzten Gebieten angemessen umgehen zu können. Der feste Glaube an peremoha, den Sieg, ist es, der den Widerstandsgeist der ukrainischen Zivilgesellschaft befeuert. Einen Sieg haben die Frauen in der Ukraine schon jetzt errungen.
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