Kein Kurzarbeitergeld bei Dividenden: Schweden watscht Konzerne ab
Firmen, die in Schweden Dividenden an Aktionäre zahlen, erhalten kein Kurzarbeitergeld mehr vom Staat. In Deutschland sieht das anders aus.
Was die fragliche Behörde, das „Tillväxtverket“, das staatliche Amt für Wirtschaft und regionales Wachstum, klargestellt hatte: Aktiengesellschaften, die Dividenden an ihre Aktionäre zahlen, erhalten kein Kurzarbeitergeld. Möglicherweise bereits zu Unrecht gezahlte Leistungen würden zurückgefordert.
Schwedens Parlament hatte Anfang April in aller Eile ein Kurzarbeitsgesetz aus dem Jahre 2012 novelliert, um eine mögliche Kündigungswelle als Folge von Corona zu vermeiden. Die entsprechenden Ausgleichszahlungen des Staates gibt es ab Mai auch dann, wenn Firmen ihre Beschäftigten nur zu 20 Prozent der normalen Arbeitszeit arbeiten lassen können. Auch Deutschland hatte seine Kurzarbeitsregeln aus ähnlichen Gründen gelockert. Derzeit profitieren hier über 10 Millionen Beschäftigte von den Regelungen
Bei den Ausschussberatungen war zur Sprache gekommen, eine ausdrückliche Nichtvereinbarkeit von Dividendenzahlungen einerseits und dem Anspruch auf Staatsknete andererseits ins Gesetz zu schreiben. Doch wurde das als unnötig, weil selbstverständlich verworfen.
„Ernste ökonomische Schwierigkeiten“
In den Gesetzesmaterialien heisst es aber ausdrücklich, Voraussetzung für Kurzarbeitergeld seien „ernste ökonomische Schwierigkeiten“ des Arbeitgebers, weshalb es „nicht als gerechtfertigt angesehen wird, wenn Arbeitgeber, die von der Allgemeinheit unterstützt werden, Dividenden ausschütten“. Unternehmen, die Dividenden zahlten, wurde vom Wirtschaftsministerium empfohlen, gar nicht erst Anträge zu stellen.
Das Fehlen einer ausdrücklichen Gesetzesklausel hatte Folgen. Großkonzerne wie SKF, Assa Abloy und Volvo, die jeweils Milliarden Kronen an Dividenden ausschütteten, stellten Kurzarbeiteranträge für mehrere Zehntausend Beschäftigte und erhielten vom „Tillväxtverket“, das sich streng an den Gesetzeswortlaut hielt, positive Vorabbescheide.
Es gab große Empörung in Politik und Öffentlichkeit. Am Donnerstag wurde die Generaldirektorin der Behörde vor den Finanzausschuss zitiert – anschließend formulierte sie die „Klarstellung“: Firmen, die Dividenden ausschütteten, bewiesen damit, dass sie keine ökonomischen Schwierigkeiten hätten. Gleichzeitig setzte die Regierung einen Sonderermittler ein, der nun prüfen soll, wo die eilig geschnürten Hilfspakete für die Wirtschaft womöglich noch missbraucht würden.
Das Verhalten vieler Unternehmen in diesen Zeiten, wo das Land alle Kräfte aufwende, um Wirtschaft, Arbeitsplätze und Firmen zu retten, auch wenn man damit künftige Generationen massiv verschulde, sei provozierend, kommentiert „Aftonbladet“: Mit Moral dürfe man offenbar nicht rechnen. Sie seien wie kleine Kinder, denen man auch bei Selbstverständlichem klar machen müsse: „Nein, du, das tut man ganz einfach nicht.“
Was für schwedische Konzerne gilt, daran scheint man auch deutsche Autokonzerne erinnern zu müssen, die nun Kaufbeihilfen und Steuererleichterungen fordern. Am Freitag erklärte Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik des BUND: „Gewinne privatisieren und Risiken sozialisieren, das ist der Plan der Autokonzerne. Jetzt ist die Bundesregierung gefordert, diese Unverschämtheit nicht zuzulassen. Es muss gelten: Keine Staatshilfen für Dividenden zahlende Konzerne.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel