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Kein Braunkohle-Stopp in TurowPolen will weiter baggern

Der Europäische Gerichtshof hat eine einstweilige Anordnung erlassen. Aber Polens nationalpopulistische Regierung weigert sich, sie umzusetzen.

Polens Regierung will am Kraftwerk Turow festhalten Foto: ap

Warschau taz | „Ungerecht“ sei die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), den Braunkohle-Tagebau Turow sofort einzustellen, schäumte Polens Premier Mateusz Morawiecki. „Wir werden uns mit aller Kraft gegen diese falsche, unfaire und völlig unerwartete Entscheidung zur Wehr setzen“, kündigte er an.

In Tschechiens Hauptstadt Prag hingegen knallten die Korken, denn der Streit um den Turow-Tagebau und das dazugehörige Kraftwerk im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland dauert schon Jahre an. Polen grabe ihnen das Grundwasser ab, klagen die Anwohner:innen. Je weiter der Tagebau fortschreite, desto weniger Wasser sei in den Brunnen, die Zehntausende Menschen an der Grenze mit Wasser versorgten. Die Angst, dass die Brunnen bei weiterem Betrieb des Tagebaus endgültig versiegten, sei begründet, gab eine Richterin in Luxemburg den tschechischen Klä­ge­r:in­nen recht.

Doch noch ist es nur eine einstweilige Anordnung. Polen solle den Braunkohle-Abbau bis zu einem endgültigen Urteil stoppen. Da den regierenden Nationalpopulisten von der Recht und Gerechtigkeit (PiS) aber auch vorgeworfen wird, polnisches wie EU-Recht gebrochen zu haben, könnte das endgültige Urteil ebenfalls ein „Stopp“ bedeuten. Denn die PiS-Regierung verlängerte die Turow-Lizenz zum Braunkohle-Tagebau um weitere 20 Jahre, ohne ein Umweltschutzverfahren durchzuführen, wie es die Gesetze vorsehen.

Mit den direkt betroffenen Tagebau-Nachbar:innen im Dreiländereck, die immer wieder gegen Dreck, Lärm und das Riesen-Loch von über 2.500 Hektar direkt vor ihrer Haustür protestieren, strebte der PiS kontrollierte Staatskonzern PGE weder einen Kompromiss an, noch nahm er überhaupt das Gespräch auf. Dies aber verlangt sowohl das polnische wie auch das EU-Recht, wie Naturschutz-Aktivisten und die Grünen immer wieder anmahnten. Die einstweilige Anordnung des EuGH kommt also nicht so „unerwartet“, wie Premier Morawiecki den Po­l:in­nen weismachen will.

Permanenter Rechtsbruch durch Regierung

In den letzten Jahren weigerte sich Polen mehrfach, Urteile des EuGH in Luxemburg oder des Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg anzuerkennen und umzusetzen. Folgen hatte dies bislang keine, bis auf den Fall des Naturschutzgebiets Rospuda-Tal, durch das die PiS-Regierung eine Schnellstraße auf Stelzen bauen wollte, und den Bialowieza-Nationalpark an der Grenze zu Belarus, in dessen Pufferzone der Staatsforst massive Holzeinschläge plante. In beiden Fällen sorgte die Androhung hoher Finanzstrafen für die Umsetzung der Urteile.

Doch seit auf Polen eine wahre Prozessflut zurollt, versuchen die PiS-Politiker die europäischen Gerichte als „inkompetent“, „unzuständig“ oder gar „parteiisch“ abzuqualifizieren. Damit versuchen sie gegenüber der eigenen Bevölkerung den permanenten Rechtsbruch und das Nichtbefolgen von Gerichtsurteilen als „Verteidigung der Souveränität Polens“ rechtfertigen.

Genau in diese Kerbe schlägt Premier Morawiecki auch im Fall des Turow-Tagebaus. Kurz nach dem Urteil sagte er: „Keine Entscheidung einer europäischen Institution kann die polnischen Bür­ge­r:in­nen einem Risiko aussetzen. Sie kann die Sicherheit der polnischen Bürger nicht gefährden. Aus diesem Grund will ich ganz entschieden betonen, dass wir mit Sicherheit nicht die Gesundheit, das Leben oder das normale Funktionieren der polnischen Familien riskieren werden, nur weil jemand im Europäischen Gerichtshof eine solche Entscheidung getroffen hat.“ Der Strom aus dem Turow-Kraftwerk mache fünf bis sieben Prozent der gesamten Energieversorgung Polens aus. Rund zwei bis drei Millionen Haushalte würden mit Turow-Strom versorgt.

Der von der PiS kontrollierte Staatssender TVP stellte das Urteil als Teil einer antipolnischen Verschwörung vor, in die Deutschland, die USA und Russland verstrickt seien. Bald würden die Deutschen und Russen unter Billigung des amerikanischen Präsidenten Biden die Gaspipeline Nordstream II fertigstellen und prächtige Gasgeschäfte machen, während das polnische Interesse, zur Flüssiggas-Drehscheibe Zentraleuropas aufzusteigen, missachtet werde. Jetzt wolle der Europäische Gerichtshof Polen auch noch dazu zwingen, seine Kohle-Verstromung einzustellen und stattdessen teuren Strom aus Tschechien und Deutschland zu importieren.

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13 Kommentare

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  • "Teil einer antipolnischen Verschwörung"

    Ah - da sind wir also mal wieder. Was einem nicht gefällt ist eine Verschwörung. Gesetze überhaupt sind staatliche Verschwörungen, wenn sie einem vom Geldverdienen abhalten.

    Nur noch armselig.

  • @TRABANTUS:

    Mein Spellchecker moniert bei Ihnen: TLOL.

  • die PIS kann polnisches Recht gar nicht brechen... die PIS ist doch das wahre Polen

  • Es geht doch nicht über ein einiges Europa, vor allem in Sachen Klimaschutz.



    LOL

  • Vielleicht wäre dann genau jetzt mal der richtige Zeitpunkt, in Polen über den Verbleib Polens in der EU abzustimmen!? Wobei ich ein negatives Ergebnis als besonders schmerzlich für alle die bewundernswerten Menschen empfinden würde die Polen in den 80-er Jahren aus der eingeengten sozialistischen Vergangenheit befreit haben.

    • @Bogenhaar:

      Wahrscheinlich würden die Polen für den Verbleib in der EU abstimmen. Weil, wenn es hart auf hart geht, wahrscheinlich sogar die PIS selbst dafür werben würde.

      Die kognitive Dissonanz des Menschen (nicht nur in Polen) ist leider sehr groß, wenn bei irgendwas Vorteile und Nachteile nur im Paket gibt.

      Dass die Regeln der EU nicht ausreichen, um das autokratische Abdriften von Mitgliedsstaaten zu verhindern, ist ein eingebauter Fehler im System, der aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips bei Entscheidungen sehr schwer zu korrigieren ist.

    • @Bogenhaar:

      Das wäre eine naheliegende Reaktion. Aber dann hat man keinerlei Einfluss mehr.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Polen will weiter baggern""



    ==



    Ob Zucker in den Tank in dieser Situation weiter hilft? - oder die nachbarschaftliche (EU) Unterstützung mit know how, finanzieller Unterstützung & mit Fachkräften, die Ex-Kohlegruben in geothermische Elektrizitäts / Wärme - Produktionsstätten umbauen?

    www.weltderphysik....mische-kraftwerke/

    www.geothermie.de/...mie-in-zahlen.html

    www.bgr.bund.de/MA...ublicationFile&v=1

    www.energieatlas.b...e/tiefe/daten.html

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Geothermie ist im großen keine Lösung.

      Man entzieht einem System wärme. Wird dabei großflächig die Temperatur im Grundwasser geändert tötet das die Mikroorganismen, die das Wasser sauber halten. Keine Gute Idee.

      Geothermie kann man nur mit tiefsten Bohrungen in vulkanischen Gebieten machen. Geothermie an der Oberfläche ist ab zu lehnen!

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        1..Quelle?







        2..Christian Griebler1, Claudia Kellermann1, David Kuntz2, Simone Walker-Hertkorn2, Christine Stumpp1, Florian Hegler

        Auswirkungen thermischer Veränderungen infolge der Nutzung oberflächennaher Geothermie auf die Beschaffenheit des Grundwassers und seiner Lebensgemeinschaften–

        ""Empfehlungen für eine umweltverträgliche Nutzung""

        3..Ergebnis in einem Satz:







        ""Die gesammelten Erkenntnisse untermauern, dass sich Temperaturveränderungen im Grundwasser bzw. im Aquifer auf die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften, ihre Aktivitäten und somit auf Ökosystemprozesse auswirken. Entscheidend ist in jedem Fall das Ausmaß der Temperaturveränderung und die Ausgangssituation bezüglich der standortspezifischen Grundwasserqualität. Eine Erwärmung bzw. Abkühlung des Grundwassers um wenige Grad Celsius wirken sich nur unwesentlich auf die Wasserbeschaffenheit und Ökosystemfunktionen aus, sofern das Grundwasser ‚sauber‘ bzw. das Ökosystem ‚energiearm‘ ist. ""

        4.. Ihre Haltung wird von der Wissenschaft nicht geteilt.

  • Polen wird wohl zumindest die nächsten 12 Jahre weiter auf klimaschädliche Kohlekraftwerke setzen (derzeit 70% der Stromversorgung), bis das erste polnische Atomkraftwerk in Betrieb geht. Zehn Jahre später will Polen seine Stromversorgung durch den weiteren Ausbau von Kohlekraft weitgehend auf Kernenergie umgestellt haben. Der Klimawandel könnte damit zumindest begrenzt werden, die Gefahren von Atomkraft stehen dagegen erst mal im Hintergrund. Den gleichen Weg dürften auch viele andere weniger wohlhabende Länder gehen.

    • @VanessaH:

      Sie verkennen die schlechte Klimabilanz von Atomstrom: Schon die Initiale Stromgewinnung kostet verdammt viel, Uranabbau, Anreicherung, Kraftwerke... Ein Atommüllendlager wird mindestens einen - eher wohl mehrere - 24/7 Pförtner für über 100.000 Jahre brauchen. Das rechnet sich für kein Land der Welt. Schon das Gehalt für die lange Zeit und der Energieverbrauch auf dem Weg zur Arbeit... Atomkraftwerke werden ausschließlich aufgrund von Korruption und militärischen Interessen gebaut (letzteres weil uneinnehmbar, da Supergau = Hunderte Kilometer Radius werden unbewohnbar!).

      • @Arno Nymer:

        Was dem Klima nützt, nützt auch uns! Das Nachbarland Tschechien erprobt eine neue Technik namens Teplator, mit der in den Innenstädten Fernwärme durch Atommüll erzeugt werden kann. Das kann unzählige alte Öl- und Gasheizungen ersetzen, und zwar Tausende Jahre lang! Fridays for Future sollte sich dafür einsetzen, weil das dem Klima nicht schadet.