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Karol Nawrocki gewinnt PräsidentenwahlDas rechte Polen ist zurück

Kommentar von Gabriele Lesser

Zum dritten Mal in Folge setzen Polens Wähler auf einen Rechtspopulisten. Der zweifelhafte Ruf des Historikers Karol Nawrocki schreckte sie nicht ab.

Wird Dudas Rechtskurs beibehalten: Polens zukünftiger Präsident Karol Nawrocki Foto: Pawel Supernak/dpa

P olen, Deutschland und Europa stehen stürmische Zeiten bevor: In Polen hat der Rechtspopulist Karol Nawrocki die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen. Die vielen Skandale rund um seine Person schreckten über die Hälfte der polnischen Wähler nicht davon ab, für ihn zu stimmen.

Sie wollen in den nächsten fünf Jahren von einem Präsidenten repräsentiert werden, dem vorgeworfen wird, als junger Mann Hotelgästen im Ostseebadeort Sopot Prostituierte zugeführt zu haben, als Amateurboxer Kontakte in die Halbwelt Danzigs gehabt zu haben, einem Nachbarn und guten Bekannten dessen Einzimmerwohnung abgeluchst zu haben. Auch die Bilder der brutalen Massenschlägerei von Fußballhooligans, an der Nawrocki 2009 teilgenommen hatte, störten sie nicht. Stattdessen scheinen viele den Versicherungen der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ihren Medien geglaubt zu haben, die all diese Vorwürfe ins Positive umgedeutet hatten.

Bislang hatte Andrzej Duda, der bisherige Präsident aus den Reihen der PiS (2015–2025), alle Reformgesetze mit seinem Veto blockiert, die die seit Ende 2023 regierende Mitte-Links-Koalition unter Premier Donald Tusk verabschiedet hatte. Donald Tusk konnte daher einen Großteil seiner Wahlversprechen nicht einlösen.

Dies lag aber auch an Streitigkeiten innerhalb der Koalition: Die erzkonservative Bauernpartei PSL wollte sich auf keinen Fall für die Wiederherstellung der Frauenrechte in Polen und gegen das restriktive Abtreibungsrecht einsetzen. Sie schlug sich in dieser Frage auf die Seite der frauenfeindlichen PiS. Zwar stimmten am Sonntag die meisten Frauen, die 2023 der Mitte-Links-Koalition zum Sieg verholfen hatten, auch jetzt für den KO-Kandidaten Trzaskowski, aber knapp 80 Prozent der Bauern entschieden sich für Nawrocki und überstimmten die Frauen.

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Boykottpolitik wird weitergeführt

Es ist zu erwarten, dass der Historiker Nawrocki, der über keinerlei politische Erfahrung verfügt, die Boykott-Politik Dudas gegenüber der Tusk-Regierung fortsetzen wird. Das könnte auch die EU in Zugzwang bringen, die Tusk einen Vertrauensvorschuss gegeben und Milliarden Euro aus bisher gesperrten Geldern freigegeben hatte. Nun aber ist klar, dass die Tusk-Regierung ihre Demokratisierungsversprechen auch in Zukunft nicht wird einlösen können. Sollte Brüssel den Geldhahn für Polen nun wieder zudrehen, könnte dies zusammen mit der Boykottpolitik Nawrockis zum Zerfall der Tusk-Regierung und zu vorgezogenen Neuwahlen führen. In diesem Fall würde die PiS wohl zurück an die Macht kommen.

Nawrocki hat nie ein Hehl aus seiner antideutschen Haltung gemacht und die PiS-Kampagne über die angeblich von Deutschland nie bezahlten Kriegsreparationen fortgeführt. Dabei müsste er es als Historiker besser wissen: Polen hat die zweithöchsten Reparationen nach der Sowjetunion erhalten und die zweithöchsten Opferentschädigungen nach Israel. Den zwischen Kanzler Friedrich Merz und Premier Donald Tusk geplanten Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen kann man fürs Erste wohl vergessen.

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Auslandskorrespondentin Polen
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17 Kommentare

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  • Er ist wohl eher Nationalist - also anti-alles andere.

  • Wie eigentlich sind denn die Wähler so drauf(?), also wohl ignorant, in Polen, Ungarn, Türkei... fokussieren derzeit viel, zu viele Berichte. Denen ist alles egal!?



    Leider versäumt auch dieser Bericht hier jegliche Analyse des 'Warum', in Richtung denen, denen alles egal ist und sie etwas wählen, was ja letztlich schädlich für sie selbst ist.



    Bzw. ist die Analyse ja äußerst fragwürdig: wenn der rechte Duda alles blockiert was die dollen Tusk Leute so machen, dann wäre es doch logisch einen entsprechenden Präsidenten zu wählen der pro Europäisch, pro Tusk- Regierung ist. Das Gegenteil ist passiert..... Polen will also weiter politisch blockiert sein, so die dann finale Analyse? Echt?

  • Polen ist der mit Abstand größte Netto-Empfänger von EU-Finanzausgleichszahlungen. Seit vielen Jahren Milliarden um Milliarden.

    Warum sollte die EU an so ein frauenfeindliches Land noch Geld überweisen? NO! Passt Polen noch in die EU?

  • Und das noch gerade in einem Land, das so sehr unter dem (deutschen) Nationalismus gelitten hat.

    • @Ciro:

      Das ist doch nichts ungewöhnliches.



      So kann man Ursachen für den deutschen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert ebenfalls gut in der Geschichte nachlesen, z. B. die napoleonischen Aggressionen oder den Dreißigjährigen Krieg.

  • Linke verstehen die Vorbehalte der Verlierer der globalisierten Welt leider viel zu wenig. Dass mit den mangelnden Zukunftsaussichten angesichts der ökonomischen Lage und der Probleme, den Klimawandel in den Griff zu bekommen von Seiten der Rechten Ängste geschürt werden und liberale Politiker auch keine Rezepte präsentieren können, schürt die Zweifel an der Funktionsfähigkeit Europas und der Demokratie. Der Wettbewerb der Wirtschaftsmächte Europa versus Trump oder China tangiert die Menschen weniger, sie erleben mit der Übernahme der immer teurer werdenden Verbrauchsgüter durch LIDL, Aldi & Co, wie abhängig und ohnmächtig sie geworden sind, ohne Aussicht, dass sich ihre Einkünfte einmal verbessern, im Gegenteil: Klimakosten, Abwanderung einer gut ausgebildeten Jugend in derzeit noch etwas profitablere Wirtschaftsräume und die Aussicht vieler Wanderarbeiter auf prekäre Einkünfte 'im Westen' verstärken einen von der Rechten -auch mit Unterstützung zersetzender russischer Medien- europafeindlichen Kurs und Fremdenhass. Nicht zuletzt die Grenzkontrollen zu Lasten Polens durch die Merz/Söder-Regierung verstärken diese Vorbehalte. Europa? Nein, danke....

  • Ganz neue Bedeutung für das Wort antideutsch! Bisher war das eine politische Formierung, die nach der Wende enstand und hauptsächlich durch ihre Fetisch Beziehung zu Israel und den USA als guter Hegemon, der die Nazis besiegte und uns die Demokratie brachte aufgefallen ist. Zu Polen habe ich aus der Ecke bisher nix gehört. Nachdem die USA unter Trump nicht mehr ihre Rolle als "guter Hegemon, der die Nazis besiegte und die Demokratie bringt" ausfüllen wollen, sondern selber lieber autoritär die Demokratie abschafft, wie werden die "Antideutschen" diese polnische Version von antideutsch + autoritär patriarchal und Trump afin beantworten? Vielleicht sind sie auch für mehr Reparationen ...? dann aber sollen die doch an solidarische Subventionen für Polnische UND Ukrainische Bauern gehen, ihre Betreibe von fossilen Dünger unabhängig zu machen, um CO2 einzusparen und ein solidarisches Europa zu fördern,anstatt überall die jeweiligen Rassismen zu stärken....aber das ist nur ein Vorschlag, der mehr anti Nationalistisch ist...

  • Wird lustig wenn die Polen irgendwann erkennen dass sie nur die Wahl haben/hatten zwischen demokratisch-liberal nach westlicher Art und illiberal-autoritär auf russisch. Dass es einen dritten Weg, irgendwie national-autonom-konservativ-katholisch aber ohne Putin, für sie nicht geben kann wird ihnen wohl erst nach dem Plexit aufgehen.

  • Unglaublich, dann sind die Wähler in Polen ja noch viel schlechter informiert und politisch ungebildeter, als bei uns in Deutschland.



    Sind in Polen etwa die Zugänge zu internationalen Medien iwie staatlich eingeschränkt worden ? Oder werden die Polen 24/7 so stark der Indoktrinaton ausgesetzt ?

  • ,,Polen wird antideutsch" empfinde ich als eine zu reißerische Formulierungen. Populisten brauchen Feindbilder, diese Konstruktionen muss man ja nicht noch weitertransportieren.



    Gleichzeitig suchen die populistischen Spalter ja immer nach einem (gefühlten) Wahrheitskern, und was das deutsch-polnische Verhältnis betrifft. Anders als es oben im ARtikel steht, sagt z. B. Dominik Bardow in der TAZ, dass man von deutscher Seite mehr tun könnte:

    ,, ... Was? Bislang noch gar nichts gezahlt? Und was ist mit den Indus­trieanlagen, die nach Kriegsende in der sowjetischen Besatzungszone, also in der DDR, demontiert wurden? Im „Gegenwert“ für Millionen getötete Polen und für Milliardenschäden im Land. Aber nur bis 1953, dann drängte die Sowjetunion die polnische Regierung zum Verzicht. Deutschland beruft sich aber bis heute darauf – und liefert damit den Rechtspopulisten der PiS Munition für jede Wahl. Nun könnte man sagen: Schwamm drüber, wir Deutsche haben uns doch entschuldigt! So kann man das sehen. Aber dann muss man sich in Deutschland auch nicht über den Groll vieler Polinnen und Polen wundern.''



    taz.de/Praesidents...=Dominik%2BBardow/

    • @gleicher als verschieden:

      Ich finde, Sie vermischen zwei Punkte, die man besser getrennt betrachtet.

      Es ist unbestritten, dass in der deutschen Gesellschaft kaum bekannt ist, wie schlimm "wir Deutschen" als Besatzer in Polen gehaust haben. Diese Wissenslücken zu schließen und das Leid der Opfer öffentlich anzuerkennen, ist mehr als überfällig. Aber nicht nach den Drehbuch der PiS!

      Etwas anderes sind die Reparationsforderungen. Denn abgesehen davon, dass auch nach 1953 zumindest aus der Bundesrepublik Geld nach Polen geflossen ist, müssten solche Reparationsforderungen mit den Werten abgeglichen werden, die Polen durch die deutschen Ostgebiete erhalten hat. Und das könnte ebenso langwierig, wie hässlich werden.

      Die von Russland behaltenen polnischen "Ostgebiete" gehören da nicht herein. Hier müsste sich Polen an Russland wenden, das sich ja als "Rechtsnachfolger" der Sowjetunion sieht.

      Außerdem bin ich mir gar nicht so sicher, ob es der PiS wirklich um "Gerechtigkeit" geht, oder ob man nur auf der Suche nach einer neuen Geldquelle ist, um Wahlversprechen zu finanzieren. Ohne die EU-Gelder, die Polen bekommt, wären ja manche Programme der PiS-Regierung nicht finanzierbar gewesen.

      • @ PeWi:

        "bin ich mir gar nicht so sicher, ob es der PiS wirklich um "Gerechtigkeit" geht, oder ob man nur auf der Suche nach einer neuen Geldquelle ist"



        Oh, da bin ich mir sicher. Genau darum geht es.

    • @gleicher als verschieden:

      Reparationen sind ja nicht nur Geld.



      Polen hat etwa 114 Milliarden Quadratmeter deutsche Gebiete erhalten.



      Welchen Wert sollte man da pro Quadratmeter ansetzen ?



      Selbst Wald- und Ackerflächen sind auch in Polen kaum für weniger als 1 Euro erhältlich.



      Bei den Innenstadtlagen von Danzig, Posen, Stettin sind wir auch schnell bei 1000 Euro.



      Polen hat also schon einiges an Reparationen erhalte.



      Bei den Summen, die polnische Politiker aktuell in den Raum stellen, müßten wir ja sogar noch was raus bekommen.

  • Ich bin auch kein Fan der jetzigen Merz Regierung und der EU unter konservativer Führung. Aber diese nationalstaatshaberei der bildungslosen rechten Futzis in Europa ist zutiefst deprimierend.

    • @Montagsdepression:

      "Aber diese Nationalstaatshaberei der Bildungslosen rechten Futzis in Europa ist zutiefst deprimierend"

      ... da muss ich leider zustimmen. Man hat den Eindruck, dass im Minutentakt mehr antieuropäische Idioten "aufploppen".



      Das liegt wohl am "ichichich-Zeitgeist.



      Gruß Fritz

  • Aus meiner Sicht bedeutet die Wahl von Nawrocki zum polnischen Staatspräsident erstens, dass Polen ein gesellschaftlich zutiefst gespaltenes Land ist und zweitens, dass mit dieser Wahl das langsame und unumkehrbare Ende der Europäischen Union eingeläutet wird; jedenfalls der Europäischen Union, wie wir sie bisher kannten.

  • Polen sollte seine Repartionen laut Potsdamer Konferenz von der Sovietunion erhalten wenn es also nicht genug erhalten hat sollte es Russland verklagen als Rechtsnachfolger.