Karlsruhe zu Coronageldern: Das Urteil und die Klima-Folgen
Das oberste Gericht hat die Umwidmung von Coronageldern für Klimaprojekte verboten. Was das für die Klimapolitik der Ampel bedeutet.
Es ist ein harter Schlag für die Klimapolitik der Bundesregierung: Nachdem das Bundesverfassungsgericht untersagt hat, ursprüngliche Kreditermächtigungen für Coronahilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds zu verschieben, ist ihr wichtigstes klimapolitisches Instrument dramatisch unterfinanziert.
Durch das Urteil vom vergangenen Mittwoch brechen mehr als ein Viertel der Mittel für einen klimagerechten Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft weg. Die Bundesregierung stehe vor einem finanzpolitischen Desaster, sagte der Vorsitzende der Noch-Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch: „Der Bundesfinanzminister steht da wie ein begossener Pudel.“
Ursprünglich wollte die Bundesregierung bis 2027 rund 212 Milliarden Euro investieren, unter anderem in Energiewende-Projekte, den Ausbau der Deutschen Bahn und Ladesäulen für E-Autos. Jetzt hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine Sperre für alle Projekte verhängt, die noch nicht bewilligt wurden.
Bereits zugesagte Förderungen sollen aber gewährt werden, etwa für Maßnahmen zur Gebäude-Energieeffizienz. Was genau Bestand haben wird, ist noch nicht klar. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, dass der Wirtschaftsplan für den Klimafonds „zügig“ überarbeitet wird. Da Lindner Steuererhöhungen ausschließt, dürfte das Schließen der Milliardenlücke schwierig werden.
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Wo soll das Geld jetzt herkommen?
Der Klimafonds ist als Sondervermögen des Bunds angelegt. Damit steht er neben dem Bundeshaushalt. Die ursprünglich für die Bewältigung der Coronakrise bewilligten Kredite wären deshalb nicht im Bundeshaushalt erschienen. Die Schuldenbremse so zu umgehen, ist unzulässig, urteilten die Verfassungsrichter:innen. Damit stehen dem Fonds nur noch die bisherigen Rücklagen und künftigen Einnahmen aus dem CO2-Preis zur Verfügung.
Die Bundesregierung hat bereits beschlossen, den CO2-Preis zum 1. Januar von 30 auf 40 Euro pro Tonne anzuheben, 2025 soll er auf 50 Euro steigen. Das hat Folgen für Verbraucher:innen. Denn durch den höheren CO2-Preis werden die Kosten für Sprit und fürs Heizen mit Fossilen steigen. Den CO2-Preis stärker anzuheben, um den Klimafonds finanziell besser auszustatten, würde die Kosten weiter hochtreiben.
Ursprünglich sollte aus dem Fonds ein Klimageld für alle Bürger:innen finanziert werden, um die Belastungen durch den höheren CO2-Preis zu dämpfen. Obwohl die Ampel-Parteien das in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen haben, sieht die Bundesregierung – auch in den Plänen zum Klimafonds – bislang nichts zur Finanzierung vor.
Leser*innenkommentare
Uwe Kulick
Wird der Kreditrahmen für die Coronakrise nicht u.U. noch gebraucht für die Bewältigung der Coronakrise, d.h. für die Langzeiterkrankungen an Corona, um das Gesundheitssystem zu entlasten "wegen höherer Gewalt" bzw. Pandemiefolgen??? Dann wäre die Umwidmung des Kreditrahmens von Corona zu Klimaschutz abgesehen von ihrer Unrechtmäßigkeit auch verfrüht gewesen.
J_CGN
Gemeinsames handwerkliches Versagen der BuReg.
Man wollte mal wieder Posen und die Notlage beenden. Damit konnte man kein neues Fass aufmachen und gleichzeitig den Corona-Fonds schließen.
Eitelkeit statt schlichte saubere Abwicklung wie man es seit Anbegder Ampel so oft von allen Beteiligten sieht. Das ist kein Projekt sondern eine total zerrütete WG.
llorenzo
@J_CGN Leider hat die Vorgänger Regierung auch kein professionelles Bild abgegeben. Grade was die vor 25 Jahren im Kyoto Protokoll beschlossenen Massnahmen zur Linderung der Klimakrise angeht. Ua...
elektrozwerg
Das Problem ist unsere Energiewende. Die ist eben nicht bezahlbar und dabei noch kontraproduktiv, denn wir werden nach dem Ersatz von Atom durch Kohle und dann dem Ersatz von Kohle durch Fracking-LNG nicht weniger CO2 ausstossen, sondern deutlich mehr.
Also muessen wir woanders CO2 einsparen und das wird praktisch unbezahlbar:
In der ersten strengeren Fassung des Heizungsgesetzes war die erwartete CO2-Ersparnis bis 2030 ungefaehr das, was man durch den Weiterbetrieb eines Atomkraftwerks auch bekommen haette.
Die Folge: Das ansich reiche Deutschland muss sich mit viel Tricksereien verschulden,
denn es muessen noch neue Gaskraftwerke fuer das Frackingsgas gebaut werden, Stromspeicher haben wir fuer nicht mal ne Stunde und nun noch eine Wasserstoffinfrastruktur fuer die wir eh keine CO-2-arme Energie haben.
Diese Problematik ist seit Jahren bekannt, hat nur keinen interessiert. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht dafuer gesorgt, dass es interessiert und als haette man nichts gelernt soll die Antwort wieder "Mehr Schulden" sein.
Nachtsonne
@elektrozwerg Dabei führen diese mehr Schulden nicht nicht einmal zu einer lohnenswerten Verringerung des CO2-Ausstoßes. Herr Habeck hat bei seiner Präsentation des Wasserstoffnetzwerkes gleich erstmal die Speicher vergessen. Die möglichen Salzbergwerke sind aber zunächst auf die Verwendung als Kernkraftendlager zu bewerten - das dauert Jahre. Das gefrackte LNG hat aufgrund der aufwendigen Lieferkette eine miserable CO2-Bilanz. Hier wird Wissen durch Glauben ersetzt, um die Klientel in der grünen Blase zu befriedigen. Im Übrigen Danke für Ihren Kommentar - ein Elektroingenieur.
elektrozwerg
@Nachtsonne Bezueglich Fracking-LNG vs Kohle:
www.newyorker.com/...g-climate-decision
tazeline
Nach meinem Dafürhalten muss man sich allein darüber wundern, dass sich „angeblich“ die Bundesregierung über das besagte Urteil des BVerfG wundert, bzw. erstaunt gibt.
Denn dass das Urteil des BVerfG so ausfallen würde, konnte nahezu jede Schüler*in, die im „Gemeinschaftskunde“-Unterricht ein wenig aufgepasst hat, bereits vorhersagen.
Und so empfinde ich die „überrascht“ wirkende Reaktion der Bundesregierung auf das Karlsruher Urteil nicht glaubwürdig.
Vielmehr ist jetzt ein stets von der Koalition ausgeklammerter, aber bekannter Streitpunkt – immerhin 60 Mrd. € schwer – durch das Urteil des BVerfG nun offen zutage getreten, welchen die Koalitionäre bereits bislang nicht zu lösen vermochten.
Und zur Kompensation des – tatsächlich schon immer bestanden habenden – Finanzierungsloches jetzt den Sozialetat, Familiengeld, etc. kürzen zu wollen, wird weder wirklich helfen, noch ist es – gemessen an der Wirklichkeit – gerecht.
Vielmehr sollte man JETZT die Schuldenbremse aussetzen, WAS AUCH GANZ KONKRET DEM SINN DER SCHULDENBREMSE GERECHT WIRD!
Warum?
1. Sinn und Zweck der Schuldenbremse ist doch, dass die Übertragung von Schulden auf die nachfolgenden Generationen vermindert bis gestoppt werden soll; zumindest ab einem definierten Schuldenniveau geltend.
2. Der Wegfall der niemals vorhanden gewesen seienden 60 Mrd. € schlägt doch ein Finanzierungsloch bezüglich geplanter Umwelt- und Klimaprojekte.
3. Zukünftige Generationen haben ein vitales Interesse daran, dass der Klimawandel gestoppt wird.
4. Folglich gilt es abzuwägen: Zukünftig mehr Schulden, dafür effektiver verlangsamter Klimawandel, oder umgekehrt. Für was entscheiden sich wohl die zukünftigen Generationen?
😉
Walterismus
@tazeline Naja:
Zu 1. Deutschland hat über 2,3 Billionen Schulden, ab wann wäre das Schuldenniveau denn erreicht? Deutschland zahlt auch bald 10% des Haushalts nur zur Schuldentilgung.
Das ist schon jetzt zu viel.
Zu 2. Ja es gibt ein Finanzierungsloch, aber wenn man sich etwas nicht leisten kann, dann kann man sich das nicht leisten. Es wird nie eine Regierung geben, die feststellt zu viel Geld zu haben. Daher wird es immer ein Finanzierungsloch für geplante Vorhaben geben. Das ist also kein Argument.
3. Ja, aber der Klimawandel müsste dafür auch gestoppt werden. Das wird aber nicht passieren, wenn man die anderen Länder sieht.
4. Es ist keine Entweder-Oder Entscheidung. Das würde ja heißen, dass Investitionen in Deutschland den Klimawandel aufhalten. Da dies nicht so ist, passt diese Art der Abwägung nicht!
Jasmin Reeh
@tazeline Danke für diesen Kommentar.
Tom Tailor
@tazeline Da gibt es nichts abzuwägen: auch 60 Mrd neue Schulden werden den Klimawandel weder stoppen noch verlangsamen. Dafür ist der Hebel, der mit dem Geld in D bewegt werden kann, viel zu gering.
Uwe Kulick
@Tom Tailor Wenn man wüsste, wo welcher Klimaschutzmaßnahmen-Mix die größte Hebelwirkung hätte, wären 60 Milliarden nicht wenig Geld, wenn auch gleichzeitig viele andere Länder ihre Klimaschutz-Hebel landesspezifisch optimieren. Natürlich werden "die üblichen verdächtigen" Länder gleichzeitig die gegenteilige Politik machen, aber immerhin könnte sich ja so entstehender Klimaschaden durch den Klimaschutz der Vernünftigen aufgewogen werden.
Die Ampel muss sich dann jetzt halt nur fragen: Which side are we on?
Stoffel
Für die Ampel gilt ,frei nach Trapattoni, ich habe fertig. Neuwahlen sofort.
Rufus
@Stoffel Von Giovanni „Trap“ Trapattoni Totgesagte (H)Ampeln bekanntlich länger …