Jugend in Krisenzeiten: Geld als Motivation
Eine neue Trendstudie zeigt, dass sich junge Menschen von ihrer Arbeit heute eher Geld als Spaß versprechen. Vorige Generationen sahen das anders.
S elbstverwirklichung. Das suchte einmal eine ganze Generation. Die Millenials wollten eine Arbeit, die ihnen Spaß macht. Sicherheit, Geld, Haus und Familie – alles zweitrangig. Egoismus nannten das viele Boomer. Jedenfalls schien es einen kurzen Moment apolitischer Friedenszeit gegeben zu haben, das Gefühl, es gehe uns gar nicht so schlecht, in der westlichen Welt der Nullerjahre. Kapitalismus und Freiheit hatten gesiegt, dachte man.
Nun ist die Euphorie vorüber. Die Pandemie, der Krieg, im Hintergrund: die Klimakrise. Die Jugend in Deutschland lebt nun seit Jahren im Dauerkrisen-Modus, bestätigt nun die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ der Jugendforscher Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann: Viele der befragten 14- bis 29-Jährigen spürten eine dauerhafte psychische Belastung und machten sich große Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Selbstverwirklichung? Nicht mehr drin. Nicht unter diesen Bedingungen existenzieller Verunsicherung, die sich laut Studie unter der Oberfläche eines „jugendtypischen Optimismus“ offenbare.
Eine Jugend in der Dauerkrise
Die Haltung der Jugend hat sich verändert. Erziehung, Medien und Sozialisierung spielen dabei eine große Rolle. Heißt hierzulande also: Leistungsgedanke, Selbstoptimierung und ein liberales Versprechen gemischt mit wirtschaftlichen Zukunftssorgen. Das Ergebnis: Geld überholt mit 57 Prozent Zustimmung unter den Befragten zum ersten Mal Spaß als Leistungsmotivator im Beruf. Klar, die Reaktion ist nachvollziehbar in einer Welt im Dauerkrisenmodus. Zudem nicht überraschend: Schon bei der Bundestagswahl 2021 erfreute sich die FDP großer Beliebtheit unter den jungen Menschen.
Jedoch: Es könnte auch anders sein. Krisen können für mehr Solidarität untereinander sorgen. Dafür, dass sich junge Menschen zusammentun, auf die Straße gehen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und für ihr Recht auf sichere Arbeitsplätze, gerechte Bildung einzustehen.
Nachhaltigkeit oder Sicherheit hätten wichtigster Leistungsmotivator werden können. Stattdessen ist es Geld. Für die Unternehmen heißt das: Mehr Konkurrenz untereinander, Leistungsdruck und Ausbeutung sind möglich. Und damit weitere Unsicherheit, mehr psychische Belastung. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was wir im Dauerkrisenmodus gebrauchen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken