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Jesuitenpater holte Essen aus Müll„Containern“-Ermittlungen beendet

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht mehr gegen den Jesuitenpater, der Essen aus Müll von Supermärkten gerettet hatte. Der Priester protestiert.

Pater Alt mit seiner „Beute“: Der Jesuit zeigt Ende Dezember aus dem Müll gerettete Lebensmittel Foto: Valeska Rehm/epd

Berlin taz | Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat das Ermittlungsverfahren wegen Containerns gegen den Jesuitenpater Jörg Alt eingestellt, der aus Supermarkt-Mülltonnen Lebensmittel „gerettet“ hatte. Die Behörde teilte am Donnerstag mit, sie dürfe keine Anklage erheben, „da nicht geklärt werden konnte, welche konkreten Waren aus welchen Lebensmittelmärkten der Beschuldigte entwendet hatte“. Der Pater kritisierte die Einstellung, weil er mit dem Verfahren weiter darauf aufmerksam machen wollte, dass Containern strafbar ist und die Politik mehr gegen den Klimawandel unternehmen müsse.

Alt hatte den Ermittlern zufolge Ende Dezember 2021 „medienwirksam“ behauptet, auf dem Gelände mehrerer Supermärkte Lebensmittel aus Abfallbehältern entwendet und dabei mindestens auf einem Müllplatz auch einen Container mit einem Dreikantschlüssel geöffnet zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelte deshalb wegen des Verdachts auf besonders schweren Diebstahl. Der Pater hatte die Lebensmittel öffentlich verteilt und sich selbst angezeigt.

Der Jesuit erklärte nun, die Polizei habe sehr wohl einen Supermarkt ermittelt, wo er containert habe. „Eine Fotografin der Nachrichtenagentur epd hat das fotografiert“, sagte Alt der taz. „Auch verstehe ich den Ausdruck ‚mangels Tatnachweis‘ insofern nicht, da ich mich ja in allen Anklagepunkten ‚schuldig‘ bekannt habe. Ich kann dies nur so deuten, dass der Freistaat Bayern ein hochnotpeinliches Verfahren um jeden Preis aus der Welt schaffen will.“ Seine Forderungen seien noch nicht erfüllt, kritisierte der Pater: Containern müsse entkriminalisiert, große Supermärkte dazu verpflichtet, nicht verkaufte Lebensmittel zu spenden, und der „Einstieg in eine klimawandelresiliente Landwirtschaft“ gemacht werden. Alt engagiert sich auch bei der Initiative „Letzte Generation“, die ähnliche Forderungen erhebt.

In Deutschland werden Schätzungen zufolge ein Viertel bis ein Drittel aller Nahrungsmittel weggeworfen, obwohl weltweit rund 800 Millionen Menschen hungern. Die verschwendeten Lebensmittel verursachten nach Angaben des Umweltbundesamts von 2017 circa 4 Prozent aller deutschen Treibhausgase.

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13 Kommentare

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  • Wieso fragen die nicht einfach wie die Tafeln auch. Wenn dann auch noch ein Pfarrer nachfragt könnte sogar eine regelmäßige Sache daraus werden.

    Aber Tafeln sind ja kapitalistisch uncool und nicht so hip wie das illegale Diven in fremden Mülltonnen.

  • Die trauen sich nicht, einen Priester zu verurteilen. Macht sich natürlich öffentlichkeitswirksam nicht so gut, wie wenn Studis vor den Kadi gezerrt werden.



    Gute Aktion. Mehr davon

  • Nun ja. Gesetze gelten auch für Prister.

  • Ehrenmann.

  • taz: Die Behörde teilte am Donnerstag mit, sie dürfe keine Anklage erheben, „da nicht geklärt werden konnte, welche konkreten Waren aus welchen Lebensmittelmärkten der Beschuldigte entwendet hatte“.

    Schau mal einer an. Wenn es junge Menschen wären, die "Containern", dann hätte die Staatsmacht sofort Anklage gegen solche "Verbrecher" erhoben, aber bei einem Jesuitenpater möchte man das lieber unter den Teppich kehren, weil sonst wohl die Aufmerksamkeit zu groß werden würde und vielleicht auch die Leute über Lebensmittelverschwendung nachdenken würden, die bei jungen Aktivisten sonst immer sofort das Gesetzbuch aus dem Bücherschrank ziehen und lauthals drakonische Strafen fordern.

    Jesuitenpater Jörg Alt: "Ich kann dies nur so deuten, dass der Freistaat Bayern ein hochnotpeinliches Verfahren um jeden Preis aus der Welt schaffen will."

    Das wird es wohl sein, denn die CSU möchte sich mit dem Thema Lebensmittelverschwendung sicherlich nicht so gerne befassen und den sozialen Jesuitenpater lieber totschweigen. Der "christliche Kapitalismus" im Freistaat Bayern zittert doch schon lange, denn aus dem Vatikan droht seit Jahren eine neue "rote Gefahr", denn auch Papst Franziskus äußert sich zunehmend kapitalismuskritisch.

  • Es gibt sie noch,



    Die guten Pfaffen.



    Weiter so!

  • Selbst wenn der Täter eine Selbstanzeige gemachen haben sollte; Diebstahl wird bei Geringwertigkeit halt nur auf Antrag des Geschädigten oder bei besonderem öffentlichen Interesse verfolgt. Liegt wohl beides nicht vor.

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Man kann ein perverses Verfahren/Vorgehen auch mit perversen "Argumenten" zu rechtfertigen versuchen.

  • Also merke: beim Containern in Zukunft genauestens Buch führen. Das erleichtert der Polizei nachher die Arbeit.

    Kleine Checkliste:

    [ ] Was wurde entwendet?



    [ ] Wo wurde es entwendet?



    [ ] Wann wurde es entwendet?



    [ ] Womit? (bezieht sich das "besonders schwer" auf den Dreikant? Gilt das auch für Vierkant?)



    [ ] Warum?

    Hallelujah. Liebe Regierung. Könnt Ihr das nicht mal legal machen?

    • @tomás zerolo:

      Ich rate mal, daß des eher mit der Beruf(ung) des geweihten Jesuiten zusammenhängt, daß der Freistaat Bayern das Verfahren engestellt hat.



      Im Übrigen wäre, außer bei Blumenkohl oder so, die Kaufhalle rauszufinden ned soo schwer, Chargennummer etc. pp. .



      Und vermutlich vertraut der Staat da auf die unsichtbare Hand des Marktes, die ja alles und des kurzfristig hinbiegt@Lebensmittelvernichtung *lol* (zynisch).

  • Müsste man der Fairness nicht immer wieder darauf hinweisen, dass hier an vermutlich medienwirksamster aber nicht wirklich relevantesten Stelle Empörung über das Wegwerfen von Lebensmitteln laut wird? Soweit ich weiß, sind andere Stellen als der Handel die eigentlichen Wegwerf-Sünder. Vielleicht könnte der Pater mal bei seinen Schäfchen ansetzen und den Konsumenten ins Gewissen reden, so einzukaufen, dass zuhause deutlich weniger wegeworfen wird. Statt sich hinter Scheindebatten mit immer den gleichen Feindbildern zu verstecken, sollte ein tatsächliches Umdenken bei allen stattfinden. Wenn ihn ein Supermarkt angezeigt hätte, hätte ich das allerdings für ziemlich daneben gehalten. Er hat sich ja deshalb gleich selbst angezeigt.

    www.bmel.de/DE/the...e-deutschland.html

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @mike müller:

      Für Ihren Einwurf gibt's eine populäre Bezeichnung:



      Whataboutism.



      Das bedeutet nicht, dass Sie Unrecht haben.



      Aber: So einfach kann man die Lebensmittel-Verschwendung der "Super"-Märkte und den "Handel" aus der Diskussion rausretouschieren.



      Und auch nicht das z.T. perverse Handeln eines Rechtsstaats, das dringend korrigiert werden muss.



      Ja, wenn es um Verschwendung geht, muss man auch die Konsumenten ansprechen.



      Aber nicht nur die.



      Sondern gerade eben auch "den Handel". Dessen Verschendung ist keinesfalls, wie Sie suggerieren wollen, nur eine vernachlässigbare Petitesse.

      • @655170 (Profil gelöscht):

        Das Problem ist aber, dass die Politik wie auch einige NGOS die Konsumenten eben nicht ansprechen, sondern mit Vergnügen auf den Handel mit dem Finger zeigen, da man nämlich Angst vor dem Wähler/Konsumenten hat und sich nicht die Finger verbrennen will.

        Deshalb: Nix Whataboutism (auch wenn es so schön einfach wäre), sondern eine ehrliche Diskussion, die den fachlichen Realitäten in die Augen sieht.