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Jahresbericht der BundeswehrAlarmierende Defizite

Sowohl materiell als auch personell könnte die Bundeswehr laut der Wehrbeauftragten Eva Högl besser aufgestellt sein. Das zeigt sich besonders angesichts der Kriegssituation.

Die Wehrbeautragte Eva Högl (SPD) bei der Vorstellung des Jahresberichts am 15. März Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin dpa/epd | Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), hat Mängel und materielle Defizite bei den Einsätzen der Bundeswehr als „alarmierend“ bezeichnet. „Die Einsatzbereitschaft von Großgeräten betrug teilweise nur knapp 50 Prozent. Alltägliche Ausrüstungsgegenstände wie Schutzwesten oder Winterjacken wurden mitunter erst in das Einsatzgebiet nachgeschickt“, schreibt die SPD-Politikerin in ihrem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Jahresbericht. „Das ist völlig inakzeptabel. Und das muss verbessert werden.“

Da die Männer und Frauen in den Streitkräften im Ernstfall ihr Leben riskierten, hätten sie Anspruch auf bestmögliche und vollumfängliche Ausstattung. Berichte der Soldaten dazu machten sie „sehr bestürzt“, schrieb Högl. Wenn dies schon im Einsatz nicht gewährleistet sei, so überrasche es wenig, dass es im Grundbetrieb – also dem Dienst in Deutschland – nicht anders aussehe, so Högl. Es vergehe kein Truppenbesuch und kein Gespräch, bei dem ihr nicht von Mängeln berichtet werde.

Die Wehrbeauftragte des Bundestags hat außerdem dazu aufgerufen, die Bundeswehr nicht bei der Betreuung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland einzusetzen. Högl erklärte, dass zivile Kräfte die Versorgung der Menschen übernehmen müssten. Die Bundeswehr habe aktuell andere Aufgaben, sagte Högl mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Schon jetzt sei klar, dass 2022 ein Jahr werde, in dem die Bundeswehr bei ihrem Kernauftrag, der Landes- und Bündnisverteidigung, so gefordert sein werde wie noch nie.

Personelle Reserven der Truppen sind begrenzt

Neben der materiellen sei auch die personelle Ausstattung ein Thema, das die Truppe beschäftige, so Högl. Zwar ist die Bundeswehr mit 183.695 Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich ausreichend gut aufgestellt. Die vielfältigen Aufgaben und Aufträge und nicht zuletzt außergewöhnliche Einsätze, wie die umfangreiche Amtshilfe oder die Evakuierungsmission in Afghanistan, offenbarten jedoch, dass die personellen Reserven der Truppe begrenzt seien.

Högl begrüßte die zusätzliche Bereitstellung von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Regierung und Parlament müssten nun dafür sorgen, dass das Geld zügig bei der Truppe ankomme und als erstes in eine bessere Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten investiert werde.

Zum Umgang der Bundeswehr mit extremistischen Vorfällen äußerte sich Högl hingegen verhalten optimistisch. Dass die Zahl der Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus gegenüber den Vorjahren im Jahr 2021 erneut gestiegen ist, wertete die Wehrbeauftragte als Zeichen, dass die Bundeswehr für das Thema inzwischen stärker sensibilisiert sei. Högl zufolge wurden im vorigen Jahr 252 Verdachtsfälle bei Rechtsextremismus gemeldet, gegenüber insgesamt 229 Fällen im Jahr 2020. Das Thema Rechtsextremismus bleibe eine Herausforderung für die Truppe, sagte sie.

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8 Kommentare

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  • Kleine Anekdote aus der Bundeswehr:



    Mein Bruder arbeitet in einem Heeresinstandsetzungswerk. Wenn Ersatzteile zur Fahrzeugreparatur benötigt werden, müssen zig Formulare ausgefüllt werden, die durch zig Hände wandern (Passierschein A38). Bis das Ersatzteil dann kommt vergehen teilweise Monate, in diesen Monaten wird herumgesessen oder das Lager aufgeräumt weil man nicht weiterarbeiten kann. Die Altmeister sind fast alle Alkis mit privatem Schnapsvorrat, die vergessen dann schonmal so ein Formular weiterzureichen, also können nochmal Monate vergehen.....Fazit: Katastrophe, die Bürokratie muss dringen abgeschafft werden und auch die Arbeitseinstellung bei vielen ist miserabel

    • @PartyChampignons:

      Noch eine kleine Ergänzung: das Problem liegt definitiv nicht an mangelnden Finanzen, sondern an der Grundstruktur

  • Der Kernauftrag ist doch verfassungsrechtlich die Landesverteidigung. Und da kann man natürlich darüber diskutieren, wie die Landesverteidigung aufgestellt sein muss, um etwaige Aggressoren gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen zu lassen. Für weniger zielführend halte ich in diesem Zusammenhang warme Unterwäsche (Litauen) oder Sonnenschutzkleidung (Mali). Lasst die Kinder doch einfach daheim.



    Ceterum censeo, ich fühlte mich erheblich weniger bedroht, wenn wir nicht mehr in der NATO wären und erpresst würden, die Kriege der USA (mit) zuführen.

    • @Kuddel_Chaos:

      NATO-Austritt _und_ Abschreckung/Landesverteidigung dürften einen erheblichen Zielkonflikt bergen der nur mit massiver Aufrüstung zu überwinden wäre weil die BW dann ja Dinge leisten könnten die bislang vom Bündnis gestemmt werden. Die Ukraine gab über 4% des BIP für ihre Armee aus (DE: 1,4%) und hatte mehr Soldaten als die BW, für eine erfolgreiche Abschreckung genügte es nicht und ob es für die Landesverteidigung reichen wird ist immer noch höchst fraglich. Wie weit also wollen sie im Falle eines NATO-Austritts aufrüsten?

  • "Schon jetzt sei klar, dass 2022 ein Jahr werde, in dem die Bundeswehr bei ihrem Kernauftrag, der Landes- und Bündnisverteidigung, so gefordert sein werde wie noch nie."

    Wenn ich so was lese, werde ich sauer. Wo bitte ist die konkrete, direkte Gefahr für Deutschland? Wer greifft uns denn an? Oder attakiert jemand Polen?



    Das ist schwammiger Müll, aber er dient dazu abgefahrene Verschuldungsprogramme für Waffen zu legitimieren.

    Und dann:

    "Högl begrüßte die zusätzliche Bereitstellung von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Regierung und Parlament müssten nun dafür sorgen, dass das Geld zügig bei der Truppe ankomme und als erstes in eine bessere Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten investiert werde."

    Die Aktien der Rüstungsunternehmen machen einen Satz nach Oben, dann werden teure Flugzeuge bestellt und jetzt will jemand, dass die Soldaten in ihren Auslandseinsätzen die passende Kleidung oder / und Ausrüstung kriegen. Das eine passt doch nicht zum anderen. Also entweder man bestellt jetzt wie beknackt Rüstungsgüter, oder man geht in die Ausstattung der Soldaten. Mir kommt das alles überhaupt nicht klug oder geplant vor.

    Und dann mal eine grundsätzliche Anmerkung:



    Beim BND sitzen zig Offiziere und beobachten, analysieren fortlaufend Russland



    Im Auswärtigen Amt und in den Botschaften sitzen Offiziere und Militärs und beobachten vor allem das Militär Russlands



    In Medien arbeiten ehemalige Offiziere - im Fokus immer: Das Militär und die Bewaffnung Russlands.



    Im NATO-Hauptquartier beschäftigen sich Offiziere vor allem mit: Russland



    In den USA werden über Satelliten, CIA und andere Dienste Daten und Informationen gesammelt. Hauptziel: Russland

    Wie kann es bei so einer Gemengelage angehen, dass die deutsche Regierung ihre Streitkräfte 30 Jahre unterversorgt lässt und dann ein Kanzler an einem Tag ein Aufrüstungsprogramm von €100 Mrd. verkünden kann? Wußte man das vor einem Monat nicht?

    Das ist doch ein Armutszeugnis.

    • @Andreas_2020:

      Sagen Sie: Haben Sie keinen Zugang zu internationalen Medien, oder verweigern Sie bewusst die Aufnahme von Fakten?

  • Kann man nicht endlich mal aufhören zu weinen, dass die Bundewehr mit 10% des Bundeshaushalts (50 Mrd) angeblich nichts auf die Füße kriegt? Und ihr stattdessen weitere 100 in den Ofen wirft um sie da zu verbrennen.

    Die echten Defizite der Bundeswehr sollte man mal bekämpfen: ihre strukturelle Neigung, Rechtsextremisten anzuziehen zum Beispielt.

    Hat Flintenuschi eigentlich schon das für sinnlose Berater rausgeworfene Geld zurückgezahlt?

    Benutzt die Milliarden für Bildung, Bekämpfung des Klimawandels und die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit!

  • Die Weltlage hat sich verändert, nicht plötzlich, aber plötzlich ist es allen bewusst. Ich nehme mich da nicht aus. Und ich hätte auch gerne eine funktionierende, vorzugsweise kleinere Truppe. Irgendetwas muss man für sein Geld ja bekommen, sonst ist es wirklich nur zum Fenster rausgeworfen. Klar sollte aber auch sein: In den aktuell bestehenden Beschaffungsmorast noch mehr Erde und Wasser zu schütten (2%-Ziel-Erde und 100-Mrd.-Wasser sozusagen), wird keine einsatzbereite Bundeswehr hervorbringen. Unter der vermeintlich klaren Hierarchie steckt so viel Chaos, Inkompetenz und organisierte Verantwortungslosigkeit, dass selbst solche Beträge einfach versickern. Die Symbiose von Wehrverwaltung und Rüstungsindustrie lebt auf Kosten des Staates und der Einsatzbereitschaft der Armee. Am Beheben dieses Zustandes haben alle Verteidigungsminister*innen versagt.