Israelbezogener Antisemitismus: Jüdischer Stadtrat ausgeladen
Bei der Friedenskonferenz in München hätte der jüdische Stadtrat Marian Offman ein Grußwort halten sollen. Doch dann luden die Organisatoren ihn aus.
Es ist bereits das 18. Mal, dass die Münchner Friedenskonferenz im Februar zusammentritt. Die Veranstaltung versteht sich als Gegenprogramm zur Münchner Sicherheitskonferenz und propagiert einen „kompletten Umstieg von der militärischen zu ziviler Sicherheitspolitik“. Die Hauptveranstaltung, das Internationale Forum, findet am 14. Februar im Alten Rathaus statt. Zum Auftakt sollte ein Vertreter der Stadt ein Grußwort halten. Immerhin stellt sie den Organisatoren den prestigeträchtigen Saal zur Verfügung.
In Vertretung von Oberbürgermeister Dieter Reiter hätte Stadtrat Marian Offman die Willkommensansprache halten sollen. Offman saß jahrelang für die CSU im Stadtrat, seit Juli gehört er – wie auch OB Reiter – der SPD an. Offman ist Münchens einziger jüdischer Stadtrat. „Ich hatte mir das ganz interessant vorgestellt, zu hören, was die Veranstalter zum Friedensthema sagen. Ich hatte auch nicht die Absicht, da große weltpolitische Reden zu schwingen, sondern wollte nur die Position der Stadt zum Krieg beschreiben.“
Schließlich sei München im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört worden. Eine Stadt, die in solchem Maße vom Krieg gezeichnet worden sei, wisse vielleicht doch in besonderem Maße das Geschenk eines 75 Jahre währenden Friedens zu schätzen.
„Offensiv und polarisierend“?
Doch dann luden die Veranstalter Offman kurzerhand aus, zur großen Überraschung der Stadt. Als Begründung führte Friedenskonferenz-Organisator Thomas Rödl laut Süddeutscher Zeitung Offmans Haltung zu Israel an. Offman habe sich „offensiv und polarisierend mit politischen Gruppen und Veranstaltungen auseinandergesetzt, die die Politik der Regierung Israels kritisch beurteilen“.
Gemeint sein dürfte damit Offmans Kritik an der Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions), die zum Boykott und zur Isolation Israels aufruft. „Wir haben befürchtet“, so Rödl, „dass Offman das zum Thema macht und unsere Veranstaltung durch Zwischenrufe und Tumulte gestört und Herr Offman beleidigt wird.“
Dass man es nur fürsorglich gemeint habe, will Offman freilich nicht glauben. Abgesehen davon habe er gar nicht die Absicht gehabt, das Thema BDS in seinem Grußwort aufzugreifen. „An Israel habe ich überhaupt nicht gedacht. Der Oberbürgermeister ist schließlich der Oberbürgermeister von München.“ Aber natürlich sei er gegen BDS. Angesichts des zunehmenden Antisemitismus sei „Israel als Zufluchtsort gar nicht mehr so theoretisch“.
Nun ist Offman aber nicht der Einzige, der BDS kritisch gegenübersteht. So hat der Bundestag BDS als antisemitisch verurteilt. Und mit derselben Begründung beschloss der Münchner Stadtrat mehrheitlich, dass städtische Räume nicht für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt würden, bei denen Inhalte und Ansichten der BDS-Kampagne auch nur diskutiert werden sollen. Unter den Stadträten, die für den Beschluss stimmten, befanden sich auch welche, die in den vergangenen beiden Jahren als Vertreter der Stadt bei der Konferenz sprechen durften.
Affront gegenüber der Stadt
Mit einigen Verrenkungen rechtfertigt Rödl allerdings auch diese unterschiedliche Behandlung: Diese Stadträte hätten „Parteien vertreten, die zumindest historisch – wenn auch nicht in allen aktuellen Fragen – der Friedensbewegung näher stehen“. Gemeint sind SPD und Grüne. Offman ist zwar auch Genosse, aber früher sei er eben in der CSU gewesen, auch zur Zeit des Stadtratsbeschlusses.
Für Offman jedoch ist die Ausladung „ganz klar israelbezogener Antisemitismus in Reinstform“. Er habe auch Fraktionskollegen gefragt, wie sie es sähen. Aber auch sie waren der Meinung: Das kann man nicht anders interpretieren.
Und auch Oberbürgermeister Reiter mag Rödls Begründung nicht folgen. Von einem Affront gegenüber der Stadt spricht er nun und kündigt an: Statt Offman werde die Stadt nun bestimmt keinen anderen Vertreter schicken. Reiter ließ auch offen, ob die Stadt der Konferenz künftig noch den Saal überlassen werde. „Das muss noch diskutiert werden.“ Offman findet, die Rathausjuristen hätten außerdem auch zu klären, ob die nun angesetzte Veranstaltung überhaupt mit dem BDS-Stadtratsbeschluss vereinbar und der Mietvertrag noch kündbar sei.
Bei Offman ging im neuen Jahr indes ein „Gesprächsangebot“ Rödls ein. Man habe ihn „nicht ausgeladen, sondern lediglich das Angebot des OB-Büros nicht angenommen“, schreibt Rödl. Der Vorschlag, dass Offman das Grußwort übernehmen sollte, habe die Organisatoren schließlich schon etwas überrascht. Wie hätte man darauf reagieren sollen? Jetzt aber wolle man Offman „zu einem Gespräch über die deutlich gewordenen politischen Differenzen einladen“. Darauf hat Offman nun aber keine Lust mehr.
Die Abendzeitung berichtete am Donnerstag vergangener Woche, dass der Trägerverein der Friedenskonferenz inzwischen sogar darüber nachdenke, ob es die Konferenz künftig überhaupt noch geben soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader