Islamfeindlicher Drohbrief: Post vom NSU 2.0
Die Ditib-Moschee in Göttingen hat einen Brief mit Hakenkreuz und NSU 2.0-Bezug bekommen. Solidarität mit den Betroffenen entwickelt sich zögerlich.
Auf das Briefpapier ist ein Hakenkreuz gezeichnet. Der Verfasser nimmt zugleich Bezug auf den „NSU 2.0“, ein kopiertes Foto zeigt den Attentäter von Hanau mit durchgestrichenem Gesicht sowie eine unbekannte Frau. Auf der Rückseite des Schreibens ist handschriftlich die E-Mail-Adresse combat18@scryptmail.com vermerkt – „Combat 18“ ist eine verbotene, militante Neonazi-Organisation, der Zahlencode 18 steht dabei für AH, also Adolf Hitler.
Der Brief ist nicht die erste Drohung gegen die Göttinger Gemeinde. Zuletzt hatten im September Unbekannte mehrere Hakenkreuze auf den Zaun vor der Moschee geschmiert. Die Gemeinde werde langsam unruhig, sagt Vorstand Ali Serkan Sahbaz. Man rufe die Mitglieder auf, besonnen zu bleiben: „Wir müssen achtsam sein, aber nicht in Angst leben.“ Die Verantwortlichen der Moschee würden alle notwendigen Schritte einleiten, um die Sicherheit der Moschee und der Besucher zu gewährleisten.
Unmittelbar nach Eingang des Briefes habe die Gemeinde die Polizei informiert, die Beamten haben inzwischen Ermittlungen aufgenommen. Das Freitagsgebet in der Moschee wurde von Polizeikräften beobachtet, nach Angaben der Gemeinde blieben viele Mitglieder aus Angst oder Verunsicherung dem Gebet jedoch fern.
Zögerliche Solidarität
Die Stadtpolitik und andere Stellen reagierten erst spät auf die Drohungen. Als Erster bekundete der Grünen-Landtagsabgeordnete Michael Lühmann am Freitag bei einem Besuch der Moschee seine Unterstützung der betroffenen Gemeinde. „Es war mir wichtig, hier meine Solidarität zu zeigen“, sagte Lühmann im Anschluss. „Es darf keinen Raum geben für Bedrohung und Einschüchterung aus dem faschistischen und rechtsextremen Milieu. Bei diesem, wie auch bei allen anderen Angriffen von rechts gelte es, „sich unmissverständlich an die Seite der Betroffenen zu stellen und auch Öffentlichkeit herzustellen.“ Lühmann ist seit 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung, in der neuen Grünen-Fraktion im Landtag ist er Sprecher für Innenpolitik und Antifaschismus.
Am Wochenende – und nachdem das Göttinger Tageblatt eine „Reaktion der Göttinger Zivilgesellschaft“ angemahnt hatte – meldete sich dann Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) zu Wort. „Wer Einzelne von uns bedroht, bedroht uns alle“, erklärte sie. „Wir halten in Göttingen zusammen“. Sie verurteile „diese Hetze aufs Schärfste und stehe an der Seite der Ditib“.
Göttingen sei eine offene und tolerante Stadt, in der alle Glaubensrichtungen, die die demokratischen Grundwerte der Bundesrepublik anerkennen, ihren Platz hätten, betonte Broistedt: „Auch der Islam.“ Zugleich unterstrich die Oberbürgermeisterin, dass gerade die Mitglieder der Göttinger Ditib-Gemeinde sich sehr für Integration und ein friedliches Miteinander engagierten. „Sie wirken im Dialog der Religionen mit, öffnen ihr Haus am Tag der offenen Moschee oder für Corona-Impfaktionen für das ganze Quartier und laden andere Religionen zum Fastenbrechen ein.“
Interreligiöse Aktivitäten
Ditib beteiligt sich in der Universitätsstadt unter anderem am „Runden Tisch der Religionen Abrahams“. Dort treffen sich seit mehr als 20 Jahren regelmäßig Vertreter von christlichen, jüdischen und muslimischen Gemeinden in Göttingen zu Gesprächen und zur Planung gemeinsamer Aktionen. 2002 veröffentlichte der „Runde Tisch“ einen Appell gegen den drohenden Irak-Krieg. 2004 holte er ein schwer herzkrankes vierjähriges Kind aus Bethlehem nach Göttingen, wo es in der Universitätsklinik erfolgreich operiert wurde und anschließend geheilt nach Palästina zurückkehren konnte. 2018 gab es im Städtischen Museum ein gemeinsames Fest unter dem Motto „Bei Abraham zu Gast“.
Am Sonntag äußerten sich auch die vier Stellvertreter:innen Broistedts in einer gemeinsamen Erklärung „beschämt“ über die Angriffe auf die Ditib-Gemeinde. „Wir wehren uns dagegen, dass Menschen in der Ausübung ihrer Religion angegriffen werden“, hieß es. Und weiter: „Kein Platz für Nazis und Rechtsextreme in Göttingen! Wer bedroht wird, erhält Unterstützung!“ Für die Sitzung des Stadtrates an diesem Freitag kündigten die Fraktionen eine gemeinsame Resolution an, in der die Taten verurteilt und Respekt und Toleranz angemahnt würden. „Der Stadtrat muss sich eindeutig gegen die Angriffe auf die Ditib-Gemeinde wenden“, verlangt etwa der SPD-Stadtverband.
Unklar ist, inwieweit die zunächst zögerliche Solidarität mit der Ditib-Gemeinde auf Verfehlungen von deren früheren Vorstand Mustafa Keskin zurückzuführen ist. Der war im Februar dieses Jahres wegen Volksverhetzung und der Billigung von Straftaten zu einer Bewährungs- sowie einer Geldstrafe verurteilt worden. Keskin hatte nach Überzeugung des Göttinger Amtsgerichts zwischen 2015 und 2021 mindestens fünf Nachrichten in sozialen Netzwerken und im Internet verbreitet, die massive Beleidigungen von Juden und Armeniern sowie Verschwörungsmythen enthielten.
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