Impfdurchbrüche bei Covid-19: Impfen schützt

Schwer krank trotz Corona-Impfung? Solche Berichte aus Großbritannien klingen beunruhigend. Dennoch: Der Schutz durch die Spritzen ist hoch.

Eine Krankenschwester setzt einer Person eine Spritze.

Besser mit als ohne: Impfung mit Biontech/Pfizer in Doncaster in Großbritannien Foto: Danny Lawson/PA Wire/dpa

BERLIN taz | Durch die Kombination aus hoher Impfquote und weitreichenden Lockerungen werden sie in Großbritannien zu einem häufigen Phänomen: Covid-19-Erkrankungen trotz doppelter Impfung. Im Vereinigten Königreich sind derzeit laut Regierung vier von zehn der neu wegen Corona eingelieferten Krankhauspatienten geimpft. Auch aus Deutschland kommen alarmierende Nachrichten wie die vom geimpften Reiserückkehrer, der in Hamburg ausgiebig feiern ging und sich als infiziert herausstellte.

Das klingt beunruhigend für die, die sich die Spritzen setzen ließen und sich zunächst geschützt fühlten. Wer die Diskussion verfolgt hat, erkennt zwar sofort den statistischen Effekt, der hier am Werk ist: Eine hohe Impfquote bedeutet auch bei einer geringen Prozentzahl von Impfdurchbrüchen eine wahrnehmbare Zahl an geimpften Erkrankten. Doch gefährden wir nicht immer noch unsere älteren Mitbürger:innen, wenn wir trotz Impfung Corona weitertragen können? Und was bedeuten die Zahlen für das Ziel einer weitreichenden Immunität in der Bevölkerung?

Experten bescheinigen der Impfung weiterhin eine hohe Schutzwirkung. Eine steigende Zahl von Impfdurchbrüchen gehörte zu den Erwartungen der Wissenschaftler. Nichts anderes ist schließlich mit den Wirksamkeitsraten gemeint, die seit November vergangenen Jahres für die verschiedenen Impfstoffe genannt werden. Es handelt sich um den Prozentsatz, zu dem in der geimpften Gruppe weniger Infektionen auftreten.

Selbst bei einer Wirksamkeitsrate von 95 Prozent treten also in einer Millionenbevölkerung noch zahlreiche symptomatische Erkrankungen auf, wenn weiterhin Gelegenheit zur Ansteckung ist. Bei den niedrigeren Raten von gut 70 Prozent für ­AstraZeneca und rund 50 Prozent für chinesische Impfstoffe sind es entsprechend mehr.

Geimpfte haben seltener Symptome

Ein britischer Regierungsberater schätzt die Quote an Impfdurchbrüchen auf etwa 10 Prozent. Gerade weil die Zahl an doppelt Geimpften so groß sei, bleibe es unausweichlich, dass viele davon sich anstecken und im Krankenhaus landen. Großbritannien beobachtet in einer Studienreihe zudem das tatsächliche Infektionsgeschehen in der Bevölkerung durch Stichproben-Tests. In der Juni/Juli-Ausgabe hat sich der Anteil der Infizierten im Vergleich zu Mai/Juni vervierfacht – obwohl 88 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft sind. Bei den Geimpften traten allerdings nur selten Symptome auf. Sichtbare Erkrankungen waren in dieser Gruppe um 80 Prozent seltener.

Der schwere Verlauf von Covid-19 ist derweil praktisch zu einer Krankheit der Ungeimpften geworden. Über 99 Prozent der Corona-Krankenhauspatienten in den USA sind nicht geimpft. Der Unterschied zu Großbritannien lässt sich zum Teil durch die verwendeten Impfstoffe erklären. Biontech, das in den USA mehrheitlich zum Einsatz kam, ist noch einmal etwas wirksamer als AstraZeneca, das in Großbritannien verimpft wurde.

Es zeigt sich also: Die Impfungen bieten auch unter realen Bedingungen Schutz. Die Zahl der Todesfälle unter Geimpften ist verschwindend gering. Auch das Auftreten der permanenten Müdigkeit als Spätfolge der Infektion („Long Covid“) ist nach bisheriger Beobachtung unter Geimpften sehr selten. Die University of California in San Francisco schätzt sie sogar nur auf eins zu einer Million. Wer die Spritze erhalten hat, kann sich also auch hier durchaus viel sicherer fühlen. Dass gerade deshalb die Einzelfälle, in denen eben doch jemand schwer erkrankt, viel Aufmerksamkeit erhalten, liegt eher an der Logik der Medien.

Auch Übertragung weniger wahrscheinlich

Mit der Impfung waren gleichwohl zwei getrennte Hoffnungen verbunden. Auf individueller Ebene sollte sie die Einzelnen vor Krankheit und Tod schützen. Auf Ebene der Gesamtbevölkerung sollte sie die Ausbreitung der Seuche so verlangsamen, dass die Infektionsketten auslaufen. Für viele Bürger ist zudem aus persönlichen Gründen die Frage wichtig, ob sie das Virus nach der Impfung noch weitergeben können. Sie wollen schließlich auch niemanden unabsichtlich gefährden.

Völlig sicher und sorglos können sie nicht sein. Wenn Geimpfte sich infizieren, tragen sie das Virus in sich. Doch immerhin ist die Viruslast unter Geimpften so viel geringer, dass die Weitergabe ein ganzes Stück unwahrscheinlicher wird. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Sheba Medical Center in Tel Aviv zusammen mit Institut Pasteur und der Sorbonne Université in Paris.

Die Wahrscheinlichkeit, eine Person auf engem Raum und langem Kontakt anzustecken, sinkt von 57 auf 4 Prozent, wenn alle Beteiligten geimpft sind. Wenn nur eine Seite geimpft ist, beträgt sie noch 17 bis 20 Prozent. „Das Ergebnis ist klar: Geimpfte Personen infizieren sich weniger und infizieren auch andere weniger“, sagt Studienautor Arnon Afek der Zeitung „Times of Israel“. Zusammen mit einer Portion Vorsicht bei Kontakten im öffentlichen Raum bringt das bereits einen hohen Schutz für alle Beteiligten.

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