IAA in München: Pyros, Protest und Parolen
Die Polizei ist mit 4.500 Einsatzkräften auf Proteste gegen die IAA vorbereitet. Die Klimaaktivist*innen blockieren stattdessen ein BMW-Werk.
Die Metalltore, in die gerade noch Lkws hineingefahren sind, schließen sich, die Klimaschützer*innen setzen sich. Um kurz vor 12 Uhr ist das Haupttor eines der größten Werke der BMW Group blockiert. „Die Autoindustrie verheizt unsere Zukunft für ihre Profite“, sagt die Sprecherin der Gruppe „Sand im Getriebe“, die die Aktion organisiert hat. In dem Werk gingen jeden Tag 1.600 Autos vom Band. Mit der Aktion wolle man nicht nur die IAA, sondern auch die Autoindustrie als ganze kritisieren.
In München bleibt es am Freitagvormittag ruhig. Wie schon bei der letzten IAA 2021 wurde die Innenstadt in einen riesigen Showroom verwandelt. Die Hersteller präsentieren hier hauptsächlich Elektrofahrzeuge und Fahrräder. Seit dem Umzug nach München versucht die Automesse sich ein neues Image zu geben. Mit dem Zusatz „Mobility“ möchte sie den Fokus vom verschwenderischen Verbrenner weglenken – zumindest davon, dass dieses Segment immer noch den meisten Umsatz generiert.
Am zentral gelegenen Odeonsplatz, wo unter anderem VW einen riesigen Stand aufgebaut hat, bestaunen vor allem mittelalte Männer die neuen Elektro-Luxusschlitten. Obwohl am Freitagvormittag hier keine Proteste stattfinden, werden immer wieder einzelne Personen hinter den VW-Stand geführt. Hier ist eine Bearbeitungsstraße der bayerischen Polizei. Laut einem Sprecher der Polizei München ist aber niemand in Gewahrsam genommen worden.
Polizei handelt rechtswidrig
Während Julia Klöckner, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, sich die neuen VW-Modelle zeigen lässt, widmen sich die Polizist*innen noch der Kontrolle einiger Fotograf*innen. Bereits bei der letzten IAA war es immer wieder zu Kontrollen von Journalist*innen gekommen. Einzelne Pressevertreter*innen hielt die Polizei stundenlang fest. Ein Gericht stellte später die Rechtswidrigkeit fest.
Die Polizist*innen an den Ausstellungsständen wirken angespannt und erwarten wohl eine große Aktion. Es handele sich um einen „Einsatz der Superlative“, hatte der Münchner Polizeipräsident Thomas Hampel bei einer Pressekonferenz gesagt. Verschiedene Klimaprotestgruppen hatten ihrerseits angekündigt, am Freitag und Samstag die Ausstellung zu blockieren.
Schon seit Anfang der Woche hatten mehrere Aktionen den Ablauf der Messe gestört. Aktivist*innen von Greenpeace war es gelungen, während des Eröffnungsrundgangs von Bundeskanzler Olaf Scholz in die Hallen zu gelangen, auf Autos zu klettern und „Die Party ist vorbei“ zu skandieren.
Schikanen gegen Aktivist*innen
Die NGO Attac fackelte symbolisch das 1,5-Grad-Ziel vor den Messehallen ab und tauschte über Nacht Werbeplakate an Bushaltestellen aus – statt Autowerbung zeigten die satirisch verfremdeten Bilder SUVs in dystopischen Brand- und Überschwemmungsszenarien, einen giftgrünen Audi vor einer absaufenden Elbphilharmonie, einen von Rauchschwaden umringten Berliner Fernsehturm.
Am Mittwoch stoppte die Polizei eine Gruppe Fahrradfahrer*innen in der Innenstadt und nahm Personalien auf, da es sich um eine unangemeldete Versammlung gehandelt habe. Am Donnerstag und Freitag kontrollierten Polizist*innen zahlreiche Versammlungsteilnehmer*innen im Umfeld des Protestcamps. „Die Polizei schikaniert die Protestierenden und schüchtert Menschen ein, die ihren grundrechtlich geschützten Protest auf die Straße bringen wollen“, sagt Campsprecherin Vanessa Probst.
In der Münchener Innenstadt gilt bis zum Ende der IAA eine Allgemeinverfügung. Sie richtet sich vorrangig gegen die „Letzte Generation“, indem sie das unangemeldete Ankleben an der Straße zusätzlich unter Strafe stellt. Die Letzte Generation ließ sich nicht abschrecken. Bei einer Blockade am Donnerstag habe die Polizei die Arbeit von anwesenden Journalist*innen behindert und ihnen mit Platzverweisen gedroht, berichtet T-Online.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Bis Mitte der Woche sperrte die Polizei 29 Personen der Letzten Generation in Präventivhaft, um sie für die Dauer der Messe und darüber hinaus von Aktionen abzuhalten. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz erlaubt es, Menschen zwei Monate lang zu inhaftieren, ohne dass sie verurteilt wurden.
Am BMW-Werk in Dingolfing bleibt die Situation bis zum Freitagnachmittag ruhig. Der Sprecher des Unternehmens, Julian Friedrich, möchte die Aktion nicht kommentieren, sagt aber, dass man sich mit der Polizei darauf verständigt habe, zunächst weiter abzuwarten und nicht gegen die Demonstrant*innen vorzugehen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott