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IAA Mobility MünchenChina-Speed auf der IAA

Die chinesische Konkurrenz punktet nicht nur preislich, sondern auch beim Design und der Verarbeitung. Das Zittern der Platzhirsche hat begonnen.

Besucher am Stand vom chinesischen Autobauer BYD auf der IAA 2023 in München Foto: Sven Simon/Imago

Berlin taz | Bisher war die IAA das Schaufenster der deutschen Automobilindustrie. Bei den Verbrennermotoren galten die deutschen Hersteller als unangefochten, brillierten mit Spitzen-Technologie und tollem Design. Das war dieses Mal anders. Der Blick auch bei vielen deutschen Besuchern richtete sich auf Modelle aus einem ganz anderen Land: China.

BYD, Nio oder Xpeng – bislang waren diese chinesischen Automarken hierzulande nur Insidern ein Begriff. Doch die Newcomer aus der Volksrepublik wollen das ändern und drängen mit ihren Angeboten auch auf die deutschen und europäischen Märkte.

Auf der IAA dieses Mal in München waren doppelt so viele Aussteller aus der Volksrepublik wie noch vor zwei Jahren. Und es ist nicht nur die schiere Zahl der Anbieter aus Fernost, die so manch einen auf der IAA erschlägt. Die chinesischen Autobauer punkten auch qualitativ mit weitgehend fehlerfreier Verarbeitung und schnittigem Design. Und alle sind sie Elektro. Auch der ADAC vergibt vielen der aus China präsentierten Autos gute Noten.

Das neue chinesische Selbstbewusstsein speist sich unter anderem aus den Erfolgen im eigenen Land. Fast 40 Jahre war Volkswagen der Platzhirsch in der Volksrepublik, dem inzwischen größten und damit wichtigsten Automarkt der Welt. Mit BYD hat zum Jahresbeginn jedoch erstmals ein chinesischer Autobauer VW vom Thron gestoßen.

Zahlen im Elektrosegment sind dramatisch

Besonders dramatisch sind die Zahlen für die Wolfsburger vor allem im Elektrosegment. Bei gerade einmal knapp 3 Prozent liegt der Marktanteil von VW, die neue Nummer eins BYD hingegen deckt rund 40 Prozent der Nachfrage ab. Mercedes-Benz und BMW spielen in diesem Segment gar keine Rolle. Unter den zehn meistverkauften Elektroautos in China befindet sich kein einziges deutsches Modell.

Wie konnte es zu diesem rasanten Absturz der Deutschen im Reich der Mitte kommen? Bereits 2017 kündigte die chinesische Regierung an, eine Quote für E-Autos einzuführen. Sie verfügte, dass ab 2019 Autohersteller in China zehn Prozent ihrer Fahrzeuge als E-Autos verkaufen müssen. Diese sollte jedes Jahr um weitere 2 Prozentpunkte erhöht werden. Volkswagen reagierte damals gelassen. Die Pläne für E-Autos befänden sich schließlich in den Schubladen, hieß es. Die Wolfsburger wollten aber noch so viel aus dem Verkauf von Verbrennern heraus quetschen wie möglich.

Die Angst ist groß

Ohne dass die Regierung die Quote drastisch erhöht hat, ist der Verkauf von E-Autos in China von sich aus in die Höhe geschossen. Immer mehr chinesische Kon­su­men­t*in­nen finden das Angebot also attraktiv genug, um sich für ein E-Auto zu entscheiden. Modelle der deutschen Anbieter fallen aber nicht darunter. Sie können bei der Batterieleistung, vor allem aber auch bei der Software nicht mit der chinesischen Konkurrenz mithalten.

Und auch beim Tempo sind die chinesischen Hersteller überlegen. Während VW für ein neues Modell bis zur Marktreife etwa 40 Monate braucht, schafft es BYD mit 18 Monaten in weniger als die Hälfte der Zeit. Die chinesischen Hersteller können also viel schneller und flexibler auf Konsumentenwünsche eingehen.

Wie groß die Angst der deutschen Autobauer inzwischen ist, im Elektrosegment den Anschluss zu verlieren, zeigt sich auch daran, dass sie sich nun gezwungen sehen, auf chinesische Technologie zu setzen. VW hat sich im Juli bei dem chinesischen E-Autohersteller Xpeng eingekauft, um dessen Plattform zu übernehmen. Ein solcher Schritt wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.

Nun schicken sich die chinesischen Hersteller also an, auch den europäischen Elektroauto-Markt aufzurollen. Momentan liegt ihr Marktanteil in Europa nach Daten der Beratung Inovev bei acht Prozent. Etwa zehn Prozent Marktanteil strebt aber allein BYD in den nächsten Jahren an. Das mag ehrgeizig klingen. Unrealistisch ist das aber nicht. Denn ist ein chinesisches Modell bei besserer technischer Leistung nur halb so teuer wie eines von VW oder Mercedes, dürfte es mit der Kundenloyalität zum heimischen Hersteller auch hierzulande rasch vorbei sein.

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16 Kommentare

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  • Alles schön und gut. Trtzdem die Frage: Wer soll denn die ganze Autoschwemme bezahlen ? Der chinesische Markt leidet aufgrund der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit unter mangelnder Binnennachfrage. Das Gleiche passiert bei uns, wenn eben keine Autos aus deutscher Produktion gekauft werden und hierzulande Arbeitende ihre Jobs verlieren. Insbesondere, weil gerade Deutschland ja nur ein 'Durchgangsland' ist, wo aus importierten Rohstoffen und Energie Fertigprodukte hergestellt werden, mit denen 'wir' Importe ausgleichen können. China besitzt eigene Ressourcen: Karl Marx hatte Recht: Überkapazitäten, die jetzt schon nicht mehr absetzbar sind, führen zu einem tendenziellen Fall der Profitraten und letztlich zu einem Stillstand. Ich empfehle Kohei Saitos Buch Systemsturz zum Weiterdenken über den Kapitalismus hinweg.

  • Die Bundesregierung (EU) könnte hohe Importzölle erheben auf nicht in der EU-hergestellte Autos. Zur Sicherung des heimischen Marktes. Ganz einfach.

    Also Herr Linder. Falls sie das hier lesen. 100 % Importsteuer auf Nicht-EU Fahrzeuge. Ab 2024 schon.

    Und mit den Milliarden an Steuermehreinnahmen sofort den "Buchungsposten" Kindergrundsicherung auffüllen. :-)

    "Autosteuer" für arme Kinder. Herzerwärmend. Wie schön! :-()

    Müssen nur wollen... .

    • @Goldi:

      Dann werden die anderen das auch machen, dann verdienen Deutsche Hersteller im Ausland weniger, zahlen weniger Steuern, vermutlich läuft das ganze sogar auf ein Verlustgeschäft raus, neben der Kindergrundsicherung werden dann noch einige andere Sachen gestrichen werden müssen.



      Innovation ist die Lösung.

  • "Denn ist ein chinesisches Modell bei besserer technischer Leistung nur halb so teuer wie eines von VW oder Mercedes, dürfte es mit der Kundenloyalität zum heimischen Hersteller auch hierzulande rasch vorbei sein."



    Wenn, ja wenn. Derzeit sind chinesische E-Autos keine Preisbrecher. Im Gegenteil, die chinesischen Hersteller nutzen das hohe Preisniveau in Europa aus, holen die maximale Marge heraus und platzieren die eigenen Fahrzeuge preislich nur ganz knapp unter den europäischen Modellen. Ich kaufte also ein nur minimal günstigeres Fahrzeug - immer noch zum Premiumpreis - mit superdünner Service-Infrafrastruktur und im Zweifel kollabierender Ersatzteilversorgung, wenn ein Frachter im Suezkanal oder ein Flugzeugträger im Südchinesischen Meer quer steht. Sicher, die chinesischen Anbieter hätten noch Spielraum beim Preis, wenn der Preiskampf auch auf dem europäischen Markt einsetzt. Aber bestimmte strategische Probleme bleiben...

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Ja, die Arroganz, Unbelehrbarkeit und Gier der deutschen Autobauer wird uns in Deutschland teuer zu stehen kommen.



    Immerhin hatte ja bereits die industriefreundliche Bundeskanzlerin die Autobauer vor vielen Jahren (erfolglos) ermahnt, den technologischen Anschluss nicht zu verpassen.

    Damals wie heute waren die ManagerInnen der deutschen Automobilindustrie mit jedoch mit Anderem beschäftigt. ZB mit dem deutschen Dieselskandal.



    Allein dies hat enorm viele Ressourcen gebunden, die die Konkurrenz aus den USA und Fernost für die Entwicklung zeitgemäßer Technologien verwendet haben.



    Allein damit haben sich die deutschen Konzerne außerdem Millionen treuer Kunden verprellt.



    Die Überheblichkeit von BMW, Mercedes und Audi, jetzt nur noch für den gehobenen Markt zu produzieren ist die Hybris vor dem Fall ins Bodenlose.



    Der ID3 kostet in China 50% des Fabelpreises, den VW hierzulande aufruft.



    Elon Musk hat dagegen seine Preise halbiert.

    Hr Wissings Weigerung, den Verkehrssektor zu mehr Klimafreundlichkeit zu bewegen, verschafft der alternden Branche vielleicht noch ein paar Jahre Luft für den Verkauf von Stinkern.



    Dann ist es endgültig vorbei mit dem Automobilstandort Deutschland.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Sorry, auf der Tesla-Webseite gibt es denn Tesla 3 momentan ab 43.000 €.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Welche Preise hat Elon Musk halbiert, wenn das Model 3 mindestens 35.000 Euro kostet?

      Nur der Preis für Tesla-Aktien hatte sich mal halbiert um den Jahresanfang, jetzt wieder erholt.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      "Dann ist es endgültig vorbei mit dem Automobilstandort Deutschland."



      Wäre doch gut und zukunftsweisend. Eventuell einen Teil der Industrie für die Produktion von E-Busse, Ersatzteilen und E-Antriebsbausätzen erhalten. Ansonsten würden Straßenbahnen und Züge gebaut werden. Insgesamt müssten jedenfalls nicht nur Treibhausgasemissionen sondern auch Zerstörung und Vergiftung von Umwelt reduziert werden, so mensch die Lebensgrundlagen nicht bereits morgen gefährden wollte.

      • @Uranus:

        Wenn Elektroautos preisgünstiger werden, fördert das nicht gerade die Nachfrage nach öffentlichem Verkehr.

        • @meerwind7:

          Auch preisgünstigere E-Autos muss mensch sich zum einen erst leisten können. Zum anderen wären Autos wohl trotz Verbilligung immer noch teurer als der ÖPNV. Zumal dieser jüngst billiger wurde.

  • Von platzenden Platzhirschen.

    Wäre ich jetzt Anleger bei VW, ich würde nach Alternativen suchen. Und seien es verdammte Bitcoins.

    Wäre ich Arbeiter*in bei VW, ich würde mich umschauen.

    Von BMW und Co ganz abzusehen.

    Wie lange noch, bis die FDP eine Mindestquote für Verbrenner vorschlägt? Noch in dieser Koalition?

  • Bayern und China, sehr erfolgreich am selben Strang:



    //



    "Der Absatzzuwachs um 11 Prozent und der höhere Anteil an teuren Autos trugen die Hälfte zum Umsatzanstieg bei - die andere Hälfte stammt aus der Mehrheitsübernahme und Vollkonsolidierung der BBA-Autofabriken im chinesischen Shenyang. Dort investiert BMW weiter kräftig. "Ein Geschäftsmodell ohne China zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit", sagte Zipse."



    /



    www.np-coburg.de/i...-99e27aa8c6d1.html

  • Das ist jedesmal dasselbe Theater mit unseren "hochinnovativen" Autokonzernen. Wenn die ein paar technische Neuerungen im Premiumsegment (ab 2,5t Leergewicht) bringen, dass sich kein Normalverdiener leisten kann, sehen sich wieder an der Weltspitze.



    Wie war es in den 1970ern als die dachten der Golf mit 2 Türen und einem Außenspiegel wäre der Standard.



    Die wirkliche Anpassung (Gurt, Seitenaufprallschutz, G-Kat ....) erfolgten in der Vergangenheit immer in einem Theater mit Untergangsszenarien, viel Mimimi und den obligatorischen Subventionen durch den Staat, also uns alle*.



    Die haben sich gerade wieder blöd verdient, aber kein Konzept mal was innovatives, sparsames, dass die Normalverdiener dich leisten können zu entwickeln. Sicher läuft die Lobbymaschine auf Hochtouren und die Nieten in Nadelstreifen üben Krokodilstränen für die Vorsprache im Kanzleramt.

    *) Man sollte die Subventionen der Autoindustrie seit 1949 und die gewährten Steuervorteile, sowie die geduldete Steuerhinterziehung mal zusammen rechnen.



    Ich schätze die schulden jeder Familie einen Mittekklassewagen (netto).

  • "Wie konnte es zu diesem rasanten Absturz der Deutschen im Reich der Mitte kommen?"



    In dem man jahrzehntelang Chinesische Ingenieure in Deutschland und in China ausbildet. Dann noch Fabriken in China bauen und Heerscharen von Fachkräften zeigen, wie man hohe Qualität in großer Menge produziert. Das ganze kombiniert mit der Abschottung vor westlichen Firmen in der Batterieentwicklung und fertig ist die Marktführerschaft.

  • Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass ich ein chinesisches E-Auto fahren möchte. Wann ist es endlich so weit?

    • @Kappert Joachim:

      Gehen Sie z. B. zum BYD-Händler „um die Ecke“. Wer oder was sollte Sie aufhalten?