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Hungerstreik fürs KlimaAktivist in kritischem Zustand

Mehrere Wochen schon hungern drei Klimaaktivisten, um dem Kanzler Druck zu machen. Eine Ärztin dringt in einem Fall auf ein Ende des Protests.

Wolfgang Metzeler-Kick (links) und Michael Winter hungern für die Klimawende Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz | Ein Klimaaktivist der Gruppe „Hungern bis ihr ehrlich seid“ befindet sich in einem kritischen Gesundheitszustand. Der 61-jährige Michael Winter sei so untergewichtig, dass eine verantwortliche medizinische Begleitung nicht mehr zu gewährleisten sei, sagte die Ärztin Susanne Koch während einer Pressekonferenz der Ak­ti­vis­t*in­nen in Berlin. Sie ist Teil eines medizinischen Teams, das den Hungerstreik im dazugehörigen Protestcamp begleitet.

Seit 22 Tagen verzichtet Winter auf Nahrung. Gemeinsam mit den ebenfalls hungernden Aktivisten Wolfgang Metzler-Kick (49) und Richard Cluse (57) will er auf die Gefahren der Klimakrise hinweisen. Am Dienstag schloss sich zudem der 34-jährige Adrian Lack an.

Ihre Forderung: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll sich in einer Regierungserklärung für die radikale Verringerung der Treibhausgase aussprechen und dementsprechende Schritte einleiten. „Wir müssen jetzt, wenn auch mit Jahren Verspätung, radikal umsteuern“, fordern die Ak­ti­vis­t*in­nen in einer Erklärung. Winter will trotz der gesundheitlichen Komplikationen nicht essen.

„Ich würde gern überleben, aber momentan kann ich noch und will weiter hungern“, sagte der 61-Jährige. Es werde sich zeigen, ob die Regierung das Leben eines Einzelnen schätze. Koch hingegen, die Teil eines medizinischen Hilfsteams am Protestcamp ist, empfiehlt Winter, sich in eine Klinik zu begeben und dort wieder mit der Nahrungszufuhr zu beginnen.

Aktivist will nicht mehr trinken

Die zwei weiteren Aktivisten befinden sich laut Ärztin in einem stabilen Gesundheitszustand. Metzler-Kick isst seit 62 Tagen nicht mehr. Cluse schloss sich zwei Wochen später an. Während des Hungerstreiks nehmen die Aktivisten neben Flüssigkeiten wie Wasser, Tee und Fruchtsäften auch Vitamine zu sich. Metzler-Kick hat bisher laut Koch 22 Kilogramm abgenommen.

Er plant, zeitlich befristet in den „trockenen Hungerstreik“ überzugehen. Dabei würde er auch auf Flüssigkeiten verzichten. Der Aktivist kündigt den Schritt für Mittwoch an, wenn er infolge eines Klimaprotests vor einem Passauer Gericht stehen soll.Bisher stehen die Ak­ti­vis­t*in­nen mit Po­li­ti­ke­r*in­nen der Grünen und Linken im Austausch. Bundeskanzler Scholz hat sich nicht zu dem Protestcamp geäußert.

Unterstützung erhalten die Ak­ti­vis­ten von der Gruppe Scientists for Future. Die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen bekannten sich am vergangenen Montag zu den Zielen der Hungerstreikenden – wenn auch nicht zu deren praktischem Vorgehen.

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen gegen Hungerstreik

143 Wis­sen­schaft­le­r*in­nen unterzeichneten eine Stellungnahme, die im Einklang mit den Ak­ti­vis­ten die Regierung zum Handeln aufruft. Die Forderung nach einer Verringerung der Treibhausgase sei „wissenschaftlich solide und vernünftig“, sagte der Geophysiker Bernhard Steinberger, der am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam forscht und Teil der Scientists for Future ist.

Die Protestform des Hungerstreiks lehnen die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen von Scientists for Future allerdings ab. Sie bitten die Ak­ti­vis­ten, ihre Gesundheit und ihr Leben nicht zu riskieren.

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16 Kommentare

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  • Eine verstörende Anmutung, dass sich diese 4 Männer in den Hungerstreik begeben und Scholz damit unter Druck setzen wollen.



    Ebenso verstörend allerdings auch die Nichtbeachtung dieses Vorgehens durch einen Kanzler, der sich Respekt auf seine Fahne geschrieben hat.

  • Erpressung ist kein demokratisches Mittel. Egal von wem, wofür und wie.Insofern frage ich mich, was das soll. Außer Aufmerksamkeit zu erregen, vielleicht.

    • @vieldenker:

      Erpressung dient laut Definition dem individuellen Vorteil. Abwenden eines Biosphären-GAU ist im Interesse aller.

      Erpresst wird unsere Welt von Großkonzernen, die Bürger*innen lenken & auf die sie kein direkten demokratischen Einfluss haben.

      • @Kajaker x:

        Na, Sie machen es sich aber einfach. So gesehen, wird fast jeder politische Erpresser immer eine allgemeine Notwendigkeit für sein Tun reklamieren. Aber es bleibt dabei, es ist eine Nötigung und versuchte Erpressung demokratisch gewählter Repräsentanten. Ob das durch Großkonzerne, oder Kleinbürger erfolgt, spielt keine Rolle.

  • "Lieber Herr Bundeskanzler,



    Wenn Sie nicht X tun, dann haue ich mir mit dem Knüppel solange auf den Kopf, bis Sie einlenken.



    Herzlichst, Ihr Aktivist"

    Ganz ehrlich? Ob jemand in den Hungerstreik tritt, oder sich in anderer Weise selbst verletzt oder gefährdet, kann einem doch eigentlich ziemlich egal sein.

    Sehr viel mehr als virtue-signalling und Selbstdarstellung ist das leider mal wieder nicht. Obwohl: Immerhin reduzieren die beiden Hungerstreikenden damit ihren CO²-Fußabdruck.

    Aber merkwürdigerweise sehen Gruppen wie "Human Extinction Rebellion" den Anfang ihrer Ideologie so selten bei sich selbst.

  • Mehr noch als Klimaschützer bin ich Demokrat. Nichts steht in meinem Wertegerüst höher als die Demokratie. Und mit einer Demokratie ist es unvereinbar, dass ein Einzelner irgendetwas erzwingt. Der Weg führt ausschließlich über Wahlen und Abstimmungen.



    Und daher finde ich solche Aktionen falsch. Ich wünsche den Leuten gesundheitlich alles Gute. Ich wünsche Deutschland aber auch, dass sie von der Politik weiterhin restlos ignoriert werden.

    • @Graustufen:

      Demokratie ist nicht nur Abstimmen.



      Demokratie ist Pluralismus, Interessensausgleich, Transparenz, Abbau von Ungerechtigkeit und Diskriminierung.



      Demokratie ist grundsätzlich weiter entwickelbar, verbesserbar.



      Das ist vielleicht die größte Qualität der Demokratie, dass sie sich stetig verbessert.



      Und genau darauf zielt der Hungerstreik ab.

      • @LeGe:

        Nein, wenn das das Ziel wäre, würde man nicht nötigen, sondern Mehrheiten organisieren.

      • @LeGe:

        Können Sie Bitte erläutern inwiefern der Hungerstreik auf eine Verbesserung der Demokratie zielt? Von alleine erklärt sich diese Behauptung nicht.

    • @Graustufen:

      Danke, dass sehe ich ganz genauso.

      „ Es werde sich zeigen, ob die Regierung das Leben eines Einzelnen schätze.“

      Wie vermessen ist diese Aussage des Streikenden, der hier seine Einzelmeinung der Regierung aufzwingen möchte. Der Mann ist für sich selbst verantwortlich, die Regierung für das Ganze Land. Und in diesem Sinne muss sie die Demokratie höher stellen.

      Im übrigen erinnere ich mich an das Gespräch der hungestreikenden Klimaaktivisten vor gut zwei Jahren, welches sie dem Kanzler abgepresst haben. Deren Auftritt war eine Farce und dürfte deren Bewegung abseits der Hardcorefanatiker eher geschadet als geholfen haben.

  • Aus meiner Sicht leider eine unnötige Maßnahme, da nicht versucht wird ein konkret fassbares Ziel zu erreichen. Da der/die Normalbürger:in an menschengemachten Klimawandel glaubt ist die Zielrichtung auf das Problem hinzuweisen zwar nett, bringt uns aber keinen Schritt voran. Wäre es nicht viel effizienter, wenn praktikable konkrete Wege zur Co2 Reduzierung aufgezeigt würden. z.B.wEGE UM

    • @Tepan:

      z.B. Maßnahmen um die Anzahl der Windräder innerhalb kurzer Zeit von 3000 auf 6000 zu verdoppeln. Hier ist jede Person (incl. Wissenschaftler:innen aufgerufen einen Teil des erarbeiteten Geldes zu investieren.) Wissenschler:innen können auch gerne voranschreiten um verfahren zu entwickeln/verbreiten/ promoten, die dazu führen auf fossile zu verzichten zu können. Fernziel muss sein NonFossil energy - for all - for free

      • @Tepan:

        Kennen sie die gesetzlichen Hürden für den Bau von WKA?

      • @Tepan:

        Während durch Russlands Politik der Permafrostboden in Sibirien auftaut, Methan und CO2 ausgasen und der blödsinnige Krieg in der Ukraine so viel CO2 freisetzt wie eine ganze Volkswirtschaft in Belgien...



        Vor dem Hintergrund bracuen wir nicht weiter diskutieren.



        Möge sich jeder anständig verhalten - ich für meinen Teil versuche mein bestes - aber Missionierung um die Gefahr der Selbstzerstörung sind wirklich nicht zielführend.

        • @Carsten S.:

          Doch, auch vor dem Hintergrund müssen wir weiter unser bestes geben, um das Ruder noch herumzureißen.



          Ein Hungerstreik wird da nichts bringen, außer, dass man sich als Held fühlen kann.



          Aber konkrete Ideen entwickeln und zeigen, dass eine Lösung möglich ist, kann helfen.



          In Sibirien sind einzelne Wissenschaftler dabei, den Permafrostboden mithilfe von grasenden Herden zu retten.



          Eine Ende des Ukraine-Krieges wünschen wir ohnehin schon alle, auch aus mehr Gründen als "nur" dem Klima.



          Putin ist ein alter Mann, der wird schon irgendwann verschwinden, dann müssen die Lösungen bereit sein, umgesetzt zu werden.

          • @Herma Huhn:

            Hoffentlich läuft es bei Putins Nachfolgern nicht wie bei den deutschen Verkehrsministern.