Hubertus Heil zu 9-Euro-Ticket: Länder sollen arme Eltern schonen
Hartz-IV-Familien, denen Schülerfahrkarten bezuschusst werden, drohen Rückzahlungen wegen des 9-Euro-Tickets. Bundesozialminister Heil hält das für falsch.
Der Hintergrund: Im Juni, Juli und August gibt es das 9-Euro-Monatsticket für den ÖPNV als Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung. Wer bereits eine Monatskarte hat, bekommt von den Verkehrsunternehmen den Differenzbetrag zwischen dem regulären Preis und den 9 Euro erstattet. Das gilt auch bei Schülerkarten von Kindern aus Hartz-IV-Haushalten. Die Kosten für Schülerkarten sind regional unterschiedlich, oft geht es um 40 bis 50 Euro im Monat.
Für Aufsehen gesorgt hat ein Bericht des Onlineportals HartzIV.org, wonach einige Länder den Differenzbetrag für Juni von den Sozialleistungsbezieher:innen zurückfordern, andere aber nicht.
Die Bundesarbeitsagentur in Nürnberg ist für diese Frage nicht zuständig, weil die Schülerfahrkarte als Teil des Bildungs- und Teilhabepakets eine kommunale Aufgabe ist. „Wir geben dazu keine Weisung heraus“, sagt ein Sprecher der Nürnberger Arbeitsagentur. Auf den Regelbedarf von Hartz-IV-Bezieher:innen hat das 9-Euro-Ticket nach jetzigem Stand keine Auswirkungen.
Ob die Länder der Bitte folgen, ist ungewiss
Laut dem baden-württembergischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit werden die Zahlungen an Hartz-IV-Empfangende für das Schülerticket im Juni, Juli und August überall um den Differenzbetrag zum 9-Euro-Ticket gekürzt. „Die Anpassung der Leistungsgewährung findet in allen Bundesländern statt, lediglich bei Fällen, bei denen die Zahlungsanpassung nicht rechtzeitig erfolgen konnte, kann es unterschiedliche Handhabungen geben“, sagt eine Sprecherin.
Mit Einführung des 9-Euro-Tickets würden die Fahrkarten günstiger, damit reduzierten sich auch die tatsächlichen Aufwendungen, begründet sie das Vorgehen. Die regionalen Jobcenter würden daher für die Zeit ab Juni ihre Leistung entsprechend anpassen oder widerrufen. „Letztendlich obliegt es den Jobcentern, in jedem Einzelfall zu prüfen und über das Vorgehen zu entscheiden“, behauptet die Sprecherin.
Bayern will den Differenzbetrag landesweit eintreiben. Damit werde eine „ungerechtfertigte Besserstellung“ gegenüber Nichtleistungsbezieher:innen vermieden, sagt ein Sprecher. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein dagegen drohen Hartz-IV-Empänger:innen keine Rückzahlungen für den Juni. „Für die Monate Juli und August geht das Land davon aus, dass die Zahlung rechtzeitig umgestellt werden konnte“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums Schleswig-Holstein.
Das BMAS plädiert dafür, dass alle Länder auf Rückzahlungen verzichten. Es beruft sich auf das Sozialgesetzbuch II, wonach eine Rückzahlung nicht gefordert werden soll, wenn es – wie in diesem Fall – ausschließlich um Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket geht. Den Jobcentern entstehe durch die Rückforderung erheblicher Verwaltungsaufwand, den die betroffenen Familien weder verursacht noch beabsichtigt hätten, so das Ministerium. Die Auffassung des BMAS ist aber nicht bindend für die Länder. Ungewiss ist, ob alle folgen.
Harald Thomé, Referent für Sozialrecht beim Wuppertaler Erwerbslosenverein Tacheles, bezeichnet die Rückforderungen als einen Skandal. „Das ist symptomatisch dafür, wie mit armen Menschen umgegangen wird“, sagt er.
Thomé ist überzeugt, dass das BMAS mit seiner Rechtsauffassung richtig liegt und nicht die Länder, die Rückforderungen erheben. Grundsätzlich hätte die Bundesregierung dafür sorgen müssen, dass das 9-Euro-Ticket nicht mit Sozialleistungen verrechnet wird, sagt er. Es wäre problemlos möglich gewesen, einen entsprechenden Passus in das Gesetz aufzunehmen. „Aber das wurde in Hinterzimmergesprächen verhandelt, ohne die Fachverbände anzuhören“, kritisiert er.
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