Homeoffice für Bürotätigkeiten: Oft längst eingeführt

Nach den neuen Coronaregeln müssen Arbeitgeber das Arbeiten zu Hause ermöglichen. Einige tun das sowieso schon, aber die Verbände wehren sich.

Mann mit Kind auf dem Arm rührt in einem Top

Ist mit viel Ablenkung verbunden: Homeoffice Foto: Jan Woitas/dpa

HAMBURG taz | Vom goldenen Zeitalter des Homeoffice und mobilen Arbeitens ist die Rede, seit es Personal Computer (PCs) gibt. Mit den neuen Coronabeschlüssen der Kanzlerin und der Regierungschefs der Länder ist es jetzt Pflicht – und die Unternehmerverbände rasten aus. Auch der öffentliche Dienst tut sich teilweise noch schwer, seine Leute entsprechend auszustatten, obwohl für viele Firmen Home­office-Regelungen längst zum Alltag gehören.

Den neuen Corona-Eindämmungsregeln zufolge sind Arbeitgeber „verpflichtet, Home­office anzubieten“, wie das Bundesministerium für Arbeit mitteilt. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten das Angebot annehmen, soweit sie können.“ Das Ministerium stellt klar, dass ohnehin in der Regel nur Bürotätigkeiten fürs Arbeiten zu Hause infrage kommen und dann auch nur, wenn dem keine „zwingenden betriebsbedingten Gründe“ entgegen stehen.

Das hat die Unternehmerverbände aber nicht daran gehindert, mit Breitseite gegen die Regierung zu schießen. „Pauschale Vorgaben für mehr Arbeit von zu Hause gehen an der Planungsrealität vieler Betriebe vorbei“, kritisiert Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen. Es handele sich dabei um „bürokratischen Aktionismus“ ohne hinreichende Datengrundlage. „Außerdem hat es der Staat verpasst, die Breitband-Kapazitäten flächendeckend auszubauen, damit mobiles Arbeiten und Homeschooling parallel überall möglich sind“, sagt Müller.

Auch der Arbeitgeberverband Nordmetall lehnt eine Verschärfung ab. „Trotz niedriger Infektionszahlen Mitarbeiter, bei denen dies theoretisch möglich wäre, ins Homeoffice zu schicken, ist eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme“, warnte Hauptgeschäftsführer Nico ­Fickinger vor der Sitzung der Regierungschefs.

Volker Müller, Unternehmerverbände

„Pauschale Vorgaben für mehr Arbeit von zu Hause gehen an der Planungsrealität vorbei“

Während die Verbände mit Tamtam versuchen, ihrer Klientel einen maximalen Handlungsspielraum zu erhalten, sieht die Realität in großen Unternehmen längst anders aus. „Bei Otto ist mobiles Arbeiten bereits seit Mitte März 2020 der Regelbetrieb“, sagt Ingo Bertram, Pressesprecher des Hamburger Versandhauses. Über 90 Prozent der Mitarbeitenden arbeiteten „remote“. Das klappe mehrheitlich gut, auch weil mobiles Arbeiten schon seit 2017 möglich gewesen sei und rege genutzt werde.

Auch bei der Hamburger Firma Beiersdorf (Nivea, Tesa) gilt seit Anfang Januar eine „Maximum Homeoffice“-Regelung. „Alle Mitarbeitenden, die von zu Hause arbeiten können, müssen dies auch tun“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Das seien in der Konzernzentrale rund 2.500 Beschäftigte und damit rund 75 Prozent der Gesamtbelegschaft in Hamburg. Ausnahmen gebe es in Bereiche wie der Produktion oder den Laboren.

„Wir haben Versicherungen, da sind sei März 80 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice“, sagt Berthold Bose, Hamburger Landeschef der Gewerkschaft Ver.di. Der Gewerkschaft seien bisher keine Fälle von Leuten zugetragen worden, die gern zu Hause arbeiten würden, aber nicht dürfen. Boses Perspektive ist eine andere: „Es braucht Regeln, bevor man die Leute ins Homeoffice schickt“, fordert er.

Arbeitgeber müssten dafür sorgen, dass ihre Angestellten auch die nötige Ausrüstung wie Kameras und Headsets haben. Auch könne unter den zum Teil provisorischen Arbeitsbedingungen am Küchentisch nicht die gleiche Leistung erwartet werden.

Eine Befragung des Münchener Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts unter fast 1.200 Geschäftsführern, Managern und Personalverantwortlichen deutscher Unternehmen stützt das. 38 Prozent sagte, ihre Mitarbeiter seien im Homeoffice weniger produktiv, 44 Prozent gleichbleibend und 18 Prozent produktiver als im Betrieb. Während vor der Pandemie in 51 Prozent der Unternehmen Beschäftigte regelmäßig im Homeoffice arbeiteten, stieg die Zahl im Verlauf der Krise auf 76 Prozent. Bereits vor der Krise war in 74 Prozent der großen Unternehmen Homeoffice üblich und nur in 42 Prozent der kleinen Firmen.

Etwas schwerer scheint sich der öffentliche Dienst zu tun. Eine kurzfristige, kleine Umfrage der Gewerkschaft Ver.di unter den Beschäftigten der Stadt Bremen und deren Interessenvertretern ergab zwar positive Rückmeldungen, es zeige sich jedoch auch ein hoher Nachholbedarf. „In einigen Bereichen hat man es innerhalb eines Jahres nicht geschafft, flächendeckend für die Kol­le­g:in­nen die nötige Technik zu beschaffen oder es fehlten die finanziellen Mittel zur Bereitstellung“, kritisiert die stellvertretende Geschäftsführerin Kornelia Knieper. Auch der Hamburger Landeschef Bose weiß von Problemen mit geeigneter Ausstattung.

Während in Niedersachsen die Antwort auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage noch aussteht, hat der Hamburger Senat auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Sandro Kappe Auskunft zum Stand des Zu-Hause-Arbeitens gegeben. Demnach hätten im Dezember 2020 80 Prozent der Hamburger Verwaltungsmitarbeiter gleichzeitig im Homeoffice arbeiten können – allerdings nur 36 Prozent mit einem externen Zugang zum IT-System der Stadt. Hamburg hat im vergangenen Jahr knapp 7.500 mobile IT-Arbeitsplätze neu eingerichtet. Ende Dezember arbeiteten 60 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice. Allerdings sei die Zahl zu niedrig, denn sie basiere auf einer Stichtagserhebung. „Bei einer Zeitraumbetrachtung wäre der Wert aufgrund rollierender Präsenzdienste deutlich höher“, teilte der Senat mit.

Bei einer Befragung unter den Beschäftigten im Sommer 2020 hätten rund zwei Drittel angegeben, mehrfach die Woche oder ausschließlich im Homeoffice gearbeitet zu haben.

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