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Holocaustleugnerin soll in HaftDie alte Dame und der Hass

Sie ist 88 Jahre alt und notorische Holocaustleugnerin. Nun wurde Ursula Haverbeck wieder zu einer Haftstrafe verurteilt.

Ursula Haverbeck, am Montag im Amtsgericht Berlin-Tiergarten Foto: reuters

Berlin taz | Ursula Haverbeck lächelt, gibt sich fröhlichst gelaunt. Ja, sagt die 88-Jährige mit den hochgesteckten weißen Haaren und der Brosche am schwarzen Mantel: die ihr vorgeworfenen Worte könnten so gefallen sein. Es seien allerdings Zitate gewesen. Dass es den Holocaust nicht gegeben habe. Und dass es die sechs Millionen getöteten Juden unmöglich geben könne. Haverbeck aber lässt kaum Zweifel: Sie sieht es genauso.

Seit Jahren tourt sie durchs Land, um die massenhafte Judenvernichtung in Auschwitz infrage zu stellen. Wiederholt stand sie dafür vor Gericht. Haverbeck hat es damit zu einer Ikone der rechtsextremen Szene gebracht. Die Sprachwissenschaftlerin aus dem Nordrhein-Westfälischen Vlotho, Witwe eines NSDAP-Funktionärs, war Vorsitzende des 2008 verbotenen Collegiums Humanum, eines Verbands von Holocaustsleugnern. Jetzt aber wird es ernst: Der Rentnerin droht nun endgültig das Gefängnis.

Am Montag steht Haverbeck vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Im Januar 2016 hatte sie vor 80 Rechtsextremen in einer Berliner Kneipe ihren jüngsten Ausfall geliefert. Ein Videoausschnitt davon wird im Gerichtssaal gezeigt. Den versucht Haverbeck zur Bühne zu machen. „Der Holocaust wird uns als riesige Schuld aufgedrückt“, klagt die Seniorin nun auch dort. Sie kenne jedoch keinen Ort, an dem sechs Millionen Juden ermordet wurden. Wer das aber, wie sie, ausspreche, werde „unschuldig“ ins Gefängnis geschickt. Dafür gibt es Applaus von den angereisten Anhängern – den Richterin Anke Ploner umgehend unterbindet.

Eine „uneinsichtige“ Angeklagte

Ploner selbst lässt sich nicht beeindrucken. Ihr Urteil: sechs Monate Haft wegen Volksverhetzung, ohne Bewährung. Der Staatsanwalt hatte neun Monate Haft gefordert, Haverbecks Anwalt Wolfram Nahrath, auch er ein Rechtsextremer, plädierte auf Freispruch. Ploner attestiert Haverbeck „Uneinsichtigkeit“: Nur wenige Monate nach einer vorherigen Verurteilung habe sie ihren Berliner Vortrag gehalten. Nun sei man an einem Punkt angekommen, an dem das Gericht mit Freiheitsstrafen reagieren müsse. Haverbeck verfolgt die Worte teils kopfschüttelnd, dann verabschiedet sie sich mit Handschlag von Ploner.

Erst im August war Haverbeck in einem Berufungsprozess vor dem Landgericht Verden zu zwei Jahren Haft für wiederholtes Holocaustleugnen verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Schon im November steht ein weiterer Prozess in Detmold an. So läuft alles darauf hinaus, dass Haverbeck demnächst tatsächlich ins Gefängnis wandert – trotz ihrer 88 Jahre. Angesprochen auf diese Perspektive, zuckt Haverbeck in Berlin nur mit den Schultern. „Das kann ich nicht ändern.“

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27 Kommentare

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  • Freies Land. Jeder kann sein Leben verschwenden wie er will.

    Einrücken, fertig.

  • Vor dem Gesetz sind alle gleich... aber was soll´s? Die Rechten freuen sich über eine Märtyrerin; Jetzt sperren die schon uralte Omas ein, oder so. Die Haverbeck hat es jedenfalls darauf angelegt und man hätte wohl besser daran getan, sie für debil unzurechnungsfähig zu erklären.

    • @lions:

      „Unzurechnungsfähig“ ist sie aber eben nicht - wie die allermeisten notorischen Holocaustleugner übrigens auch nicht und ein Gericht kann nicht einfach jemand bei Bedarf für unzurechnungsfähig erklären.

      Diese Leute wissen genau, was Sie tun und warum sie das tun. Und wir wissen es doch auch genau - es geht um Geschichtsfälschung und Reinwaschung nationalsozialistischer Verbrechen.

  • Die gleichen Gestalten, die jedesmal das Abendland am Ende sehen, wenn ein bärtiger Bettuchträger in der Innenstadt statt Bibeln Korane verteilt, finden plötzlich gar nichts daran, wenn jemand notorisch den Holocaust leugnet, Hitler glorifiziert und Volksverhetzung betreibt.

     

    Ursula Haverbeck, Witwe eines NS-Funktionärs, den sie erst 1970, im Alter von 42 Jahren, ehelichte, ist seit Mitte der achtziger Jahre aktiv, versuchte zunächst gemeinsam mit ihrem Mann die ÖDP für die NPD zu öffnen und sie rechts zu unterwandern, übernahm eine Reihe Funktionärsposten ihres zeitlebens im rechtsextremen Milieu aktiven Mannes nach dessen Tod, gründete zudem selbst ein neonazistisches Netzwerk. Über Adolf Hitler schrieb sie, er sei lediglich "von einem göttlichen Auftrag im weltgeschichtlichen Rahmen“ her zu verstehen gewesen.

     

    Sie hat gut ein Dutzend Verurteilungen wegen ihrer Hetze gegen Juden, ihrer Leugnungen der Shoah und der Schmähung und Verunglimpfung des Andenkens der Opfer kassiert, anfangs lediglich Geldstrafen, dann Bewährungsstrafen und nun schliesslich mehrere Haftstrafen ohne Bewährung.

     

    Man stelle sich mal vor, ein verurteilter IS-Sympathisant würde noch im Gerichtssal Koransprüche an seine Anhänger verteilen, den heiligen Krieg ausrufen und nach der formalen Erklärung, Revision gegen seine Verurteilung einzulegen, als freier Mann aus dem Gericht spazieren. Den ganzen rechtsdrehenden, pseudotoleranten Trollen würden ja ihre Tastaturen geradezu explodieren.

     

    So hat es Haverbeck nun rund fünfzehn Jahre lang getan. Es reicht.

  • „Nur Arbeitslager“ reicht, angesichts des fortgeschrittenen Alters der Dame.

  • Wie zärtlich...6 Monate Haft, nachdem sie jahrzehntelang (!!!) öffentlich und wiederholt das Gesetz gebrochen hat und ihr zuletzt 2 Jahre auf Bewährung angedroht wurden. Weniger ging dann wohl wirklich nicht, ohne sich vollständig lächerlich zu machen? Vermutlich minus vorzeitiger Entlassung wegen vorbildlicher FÜHRUNG.

    Nun macht sie ein bischen Propaganda-Urlaub auf Staatskosten, die Nazis werden jubeln, dass sie dieses Opfer für "die Wahrheit" erbringt.

    Herzlichen Glückwunsch, RECHTSstaat Deutschland, damit setzt man wirklich deutliche Zeichen der Schwäche und der politischen Gesinnung im Kern: der Justiz.

  • Naja, die Jugend rennt der Oma nicht mehr hinterher, das stimmt. Havenbeck hatte ihren Zenit in 80ern, wo sie fester Bestandteil der Szene um die "klassischen" Holocaustleugner und Neonazis von damals war. Von Zündel bis Michael Kühnen dauerpräsent auf den Podien. Schon in den 90ern wurde es ruhiger um sie. Ihre Organisationen meist verboten und auch die Szene wandelte sich langsam, sie ist nurmehr ein Relikt. Die ändert sich auch nicht mehr.

  • Die totale Überreaktion, die zeigt, wie verkrampft mit rechtsradikalem oder nationalsozialistischem Blödsinn umgegangen wird. Eine 88 Jahre alte Frau, verstockt und unbelehrbar, redet Unsinn. Damit beschäftigt sich ein Gericht und droht sogar mit Gefängnisstrafe. Ist unsere Demokratie so schwach, dass Greise sie gefährden können? Na dann gute Nacht.

    • 6G
      65940 (Profil gelöscht)
      @finches:

      So sieht es aus. Der Tatbestand Volksverhetzung ist sowieso einem souveränen Volk nicht würdig. "Ergreift DIE ALTE DAME und sperrt sie weg, sie beginnt das Volk zu verhetzen". Ich schmeiß mich weg.

      • @65940 (Profil gelöscht):

        Gute Idee. Ich halte auch den Deckel und drücke ihn hinterher fest auf die Tonne.

         

        Aktion: Auch Trolle brauchen ein Zuhause.

    • @finches:

      Vollkommen richtig, was Sie schreiben! Wir hatten von 1966 bis 1969 sogar einen Bundeskanzler mit einer NS-Vergangenheit und unsere Demokratie hat das auch überlebt. Dann werden wir es wohl auch noch schaffen, diese alte verwirrte Frau noch einige Zeit - bis zu ihrem natürlichen Ableben - auszuhalten.

       

      Die wirkliche Gefahr für unsere heutige Demokratie ist auch keine 88-jährige unbelehrbare Oma, sondern die Lobbyisten, die es sich auf dem Schoß unserer Politiker gemütlich gemacht haben und die Politik bestimmen. Wir sollten uns um die Probleme der Jetztzeit kümmern und die bösen Schatten der deutschen Vergangenheit endlich ins Geschichtsbuch verbannen - denn da gehören sie hin.

    • @finches:

      Man mag von der Strafbarkeit der "Auschwitzlüge" halten, was man will (ich selber halte nichts davon, Dummheit und Böswilligkeit "als solche" zu bestrafen) - nur, das Gesetz ist nun mal da. Und was soll man mit Leuten machen, die permanent und immer wieder dagegen verstoßen? Und eine Altersgrenze nach oben für Straftäter kennt das Gesetz nun mal auch nicht.

    • @finches:

      Ich halte eigentlich auch nichts davon, unbelehrbaren Greisen abwegige Gedanken zu verbieten.

       

      Aber, es gibt so viel Ungerechtigkeit auf der Welt. Sich dafür einzusetzen dass ein Greis seinen Lebensabend im Pflegeheim statt im Gefängnis verbringt lohnt die Zeit nicht. Wenn es denn der Wahrheitsfindung dient, sperrt sie ein. Es gibt größere Probleme in unserer Demokratie.

    • @finches:

      Oh, Verzeihung, mir ist ein Fehler unterlaufen! Der Satz "Die ändert sich auch nicht mehr." gehört ja zu Mephistos Kommentar, ich war beim Antworten im Kommentar verrutscht. Den Satz wollte ich Ihnen nicht andichten.

      • @Lesebrille:

        Ja, immer Vorsicht, wenn man den Teufel zitiert. "Die ändert sich nicht mehr" ist ein simpler Fakt und bezieht sich im vorliegenden Fall auf den - in unserer Strafjustiz vorherrschenden - Gedanken der Resozialisierung. Jurisitsch ist die Gefängnisstrafe, da notorische Wiederholungstäterin, sowohl abzusehen, als auch wohl notwendig. Allein: Fruchten wird es nicht, die macht genauso weiter, bis zum Tod. Daher: "Die ändert sich nicht mehr."

        • @Mephisto:

          > ... bezieht sich im vorliegenden Fall auf den - in unserer Strafjustiz vorherrschenden - Gedanken der Resozialisierung.

           

          Vorherrschend im Sinne von vorrangig ist der Resozialisierungsgedanke meines Wissens nicht. In einem verfassungsgerichtlichen Urteil aus dem Jahre 1977 steht er ohne besondere Hervorhebung neben anderen Strafzwecken:

          "Es [das Bundesverfassungsgericht] hat als allgemeine Aufgabe des Strafrechts bezeichnet, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet."

           

          Demnach würden die anderen Strafzwecke und insbesondere der Leitgedanke, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen, eine Inhaftierung der Dame Haverbeck wohl hinreichend rechtfertigen.

          • @Marzipan:

            Das ist korrekt. Ich beziehe mich mit meiner Aussage auf den anstehenden Gefängnissaufenthalt. Wir schließen Straftäter nur "für immer" weg, wenn sie eine Gefährdung für die Öffentlichkeit sind (Psychische Störung et al.). Bei Allen anderen soll der Gefängnissaufenthalt der Resozialisierung dienen und darauf ist der Strafvollzug auch ausgelegt.

    • @finches:

      Allein sechs Millionen Jüd*innen wurden systematisch ermordet: Frauen, Männer, Mädchen, Knaben. Das Alter der Opfer war den Nazis ziemlich egal, Säuglinge wurden teils einfach mit dem Kopf an eine Mauer geschlagen, alte bettlägerige Menschen - ja, auch über Achtzigjährige - wurden auf Tragen aus den Altenheimen geholt, um sie zu ermorden.

       

      Sie sind nicht die einzige Opfergruppe, aber die grösste. Und dieses systematische Morden leugnet diese alte Frau, die es sehr wohl besser weiss. Und Sie nennen das "Unfug"?

       

      Die Dame ist nicht dement, sie wiederholt die Holocaustleugnung seit Jahrzehnten! Sie kommt dafür nicht ins KZ, sondern ins Gefängnis, nach einer Gerichtsverhandlung auf demokratischer Basis. Sie kann sich einen (rechten) Anwalt nehmen und verteidigen lassen. Das sind Errungenschaften der Demokratie.

       

      Diese Möglichkeit hatten die greisen Opfer der Nazis nicht! Sie hatten sich, im Gegensatz zu Frau Haverbeck, auch keines Verbrechens schuldig gemacht - sie waren einfach nur da.

       

      Übrigens könnte man sich mit dem "Die ändert sich auch nicht mehr." ganz viele Gerichtsverhandlungen sparen. Einfach bei dem Gefühl "die oder der ändert sich nicht mehr" erst gar nicht mehr eröffnen.

       

      Einfach mal zu Ende denken...!!

  • In Amerika, welche den Hitler besiegt hat,würde sie nicht verfolgt.

    • @Valery Pokrowski:

      Sued, Nord oder Mittelamerica?

  • Lasst sie doch einfach die verhängte Strafe absitzen. Mehr als einen Dreizeiler ist die Frau nicht wert. Mehr bietet ihr nur eine Bühne.

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Der suspendierte "Nazi-Polizist" bekommt seit 10 Jahren seine Bezüge (http://www.berliner-zeitung.de/) und die Oma soll jetzt auf unsere Kosten ins Gefängnisaltersheim. Ja, hätte man den Polizisten nicht zB in der Schäferhundeausbildung verwenden und die Oma nicht einfach in Ruhe lassen können. Ich nehme einmal an, dass die Jugend ihr nicht in Massen wie dem Rattenfänger von Hameln hinterherrennt ist und das eingesparte Geld hätte man für Jugendarbeit verwenden können

    • @4225 (Profil gelöscht):

      Man muß sie verfolgen, weil das Gesetz auf alle gleich angewendet werden muß. Läßt man sie in Ruhe, können sich auch deutlich effektivere Verhetzer darauf berufen. Danke für den Hinweis auf den Berliner Nazi-Polizisten (bei einem mit Hakenkreuz-Tätowierung halte ich die Anführungszeichen für hinfällig), das ist wirklich ein starkes Stück: "Er betreibt in Marzahn einen Paintball-Handel zusammen mit zwei Bekannten. Bei diesen Geschäftspartnern handelt es sich ebenfalls um Polizisten. Diese sind im aktiven Dienst und haben eine Genehmigung für eine Nebentätigkeit. Außerdem sind die beiden Mitglieder des Gesamtpersonalrats."

      Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/28601624 ©2017

    • @4225 (Profil gelöscht):

      "Ich nehme einmal an"

      Wenn mehr daraus geworden ist, melden Sie sich bitte.

      • 4G
        4225 (Profil gelöscht)
        @ankw40229:

        So gut kenne ich mich in Berlin nicht aus, um beurteilen zu können, ob die "alte Dame" in der Lage ist, das Volk zu verhetzen. Deshalb nur die Annahme

        • @4225 (Profil gelöscht):

          Wieso "Berlin"? Frau Haverbeck hat eine lange Liste von einschlägigen Verurteilungen vor Amts- und Landgerichten von München über Dortmund, Verden, Minden, Bad Oeynhausen und Bielefeld bis Hamburg.

           

          Mit dem zuletzt gesprochenen Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten hat die NS-Apologetin nun die Hauptstadt erreicht.

          • @cursed with a brain:

            Ein gerichtsnotorischer faschistischer Marsch auf Berlin sozusagen.

             

            Solange diese Person hafttauglich ist, kann´s losgehen. Der deutsche Strafvollzug ist bereit, hoffe ich doch mal, sobald eines der Urteile rechtskräftig ist.