Hausdurchsuchung bei AStA-Mitarbeiterin: Gefährlicher Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft
Die Durchsuchung bei einer Studentin im Anschluss an eine kritische Tagung in Hamburg zeigt, wie gefährdet die Freiheit akademischer Räume ist.
D ie Uni Hamburg verweigert einer wissenschaftlichen Konferenz zur Klimakrise und zu sozialer Gerechtigkeit kurzfristig die Räume, weil der Verfassungsschutz in ihr eine Propagandaveranstaltung PKK-naher Gruppen sieht. Im Anschluss an die Konferenz, die woanders stattfinden musste, kommt es zu weiteren Ermittlungen, Überwachungsmaßnahmen und einer Durchsuchung des WG-Zimmers einer AStA-Mitarbeiterin, weil sie sich an der Konferenz beteiligt hatte – die der Asta mitorganisiert hatte.
All das hat rechtliche Grundlagen, wirft aber ernsthafte Fragen über die Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in akademische Räume auf. Demokratie lebt vom offenen Diskurs, übermäßige Kontrolle diskreditiert legitime Debatten und schüchtert kritische Stimmen ein. Die Wissenschaftsfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Unschuldsvermutung sind aber Grundpfeiler unserer Demokratie. Wenn sie im Namen der Sicherheit ausgehöhlt werden, ist das in Zeiten einer schleichenden gesellschaftlichen Autoritarisierung hochgefährlich.
Dass eine Veranstaltung, die sich mit Demokratieabbau, Klimakrise und Alternativen zum Kapitalismus auseinandersetzt, unter Terrorismusverdacht gerät, weil kurdische Gruppen daran teilnehmen, ist absurd. Die Kriminalisierung dieser Gruppen nach Paragraf 129b StGB wird als Vorwand genutzt, einen kritischen Diskurs zu unterbinden. Sich mit der Gefährdung von Menschenrechten, mit Umweltzerstörung und patriarchaler Gewalt wissenschaftlich und auch politisch auseinanderzusetzen, ist richtig und wird nicht deshalb zum Problem, weil auch kurdische Gruppen das tun.
Unis dürfen nicht zu Vollzugsgehilfen werden
Die Rolle, die die Unileitung bei den Vorkommnissen gespielt hat, ist erschreckend. Statt die akademische Freiheit zu verteidigen, hat sich Unipräsident Hauke Heekeren politisch beeinflussen lassen und mit der Entscheidung, die Veranstaltung wegen einer angeblich „parteipolitischen Ausrichtung“ abzusagen, letztlich zugelassen, dass ein Geheimdienst den Charakter wissenschaftlicher Tagungen beeinflusst.
Die Hausdurchsuchung bei der Asta-Mitarbeiterin ist eine weitere Eskalation und zeigt, wie fragil die Wissenschaftsfreiheit ist und wie schnell unliebsame Formen kritischen Denkens unter Verdacht geraten können. Es braucht eine breite öffentliche Debatte über die Grenzen staatlicher Eingriffe in den akademischen Raum. Universitäten dürfen nicht zu Vollzugsgehilfen politischer Interessen werden.
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