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Hass auf Klimaaktivistin ThunbergAntira-Aktivist_innen gegen Greta

Greta Thunberg bekommt mehr mediale Aufmerksamkeit als junge BIPoc, die das gleichen sagen. Doch das ist nicht die Schuld des 16-jährigen Mädchen.

Greta Thunberg bei einer Klimademonstration in Kanada Ende September Foto: dpa

W as haben manche zu kurz greifende Antirassismusaktivist_innen mit peinlichen deutschen Komikern und Rechten, die gar nicht erst versuchen, witzig zu sein, gemeinsam? Ganz einfach, sie eint der Hass auf Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Wenig überraschend ist, dass Verschwörungstheoretiker sich mit ihren Tritten nach unten mit vermeintlich bürgerlichen Comedy-Almans einig sind. Jeder Mario Barth dieser Welt bringt reaktionäre Deutsche zum Lachen. Als Humor getarnte Menschenfeindlichkeit ist ein billiger sozialer Kleister, keine anspruchsvolle Leistung. Mach einen geschmacklosen Witz über marginalisierte Menschen und es werden dich tausend Knalltüten verteidigen. Nicht einmal das Lob der Emma-Redaktion für Dieter Nuhr nach seinen Äußerungen über Thunberg verwundert noch irgendwen, wenn sie ihm als Rebell gegen die „Political Correctness“ auf die Schulter klopft. Alles Sprechverbote, da landen wir also wieder rechtsaußen. Gerade mal Anfang Oktober und Halloween klingelt bereits Sturm.

Der Neid und die Tiraden von rechten Greta-Hatern sind erwartbar. Viel enttäuschender ist die unsolidarische Diffamierung von Thunberg durch Antirassismus-Aktivist_innen, sobald die sechzehnjährige Schwedin nicht den hohen Ansprüchen gerecht wird. Wenn Greta wirklich so krass ist, warum gibt es dann nicht schon längst Klimagerechtigkeit? Und warum bekommt sie so viel mehr Beachtung als indigene Jugendliche oder jene aus dem globalen Süden, die schon viel länger Klimaaktivismus machen und viel stärker von den Folgen betroffen sind als Greta Thunberg? Thunberg sei schließlich auch nur ein „colonizer girl“ und konsequenterweise eher Teil des Problems als der Lösung.

Natürlich hängt es mit Rassismus zusammen, dass eine Person wie Greta Thunberg mehr mediale Aufmerksamkeit generieren konnte als die jungen BIPoC, die seit Jahren das Gleiche sagen wie sie. Doch die Verantwortung dafür tragen vor allem jene Politiker_innen und Jour­nalist_innen, die bisher die globalen Stimmen ignoriert oder belächelt haben. Thunberg knüpft nicht nur explizit an die Kämpfe von Schwarzen, indigenen und Klimaaktivist_in­nen of Color an, sondern teilt mit ihnen auch ihre Plattform. Sie reißt nicht einfach das Mikrofon an sich und macht alle anderen unsichtbar.

Es gibt nicht viele 16-jährige Mädchen mit Asperger-Syndrom, die trotz massiver Drohungen weiterkämpfen, während sie andere Jugendliche politisieren und mobilisieren. Mag sein, dass die Fridays-for-Future-Aktivist_innen größtenteils weiß und bürgerlich sind, doch diese Eigenschaft trifft auf fast alle Gruppierungen zu, die in Deutschland was zu melden haben, allen voran die Medienbranche. Wer sich den Greta-Diss gibt, begibt sich in unangenehme Gesellschaft. Und ganz ehrlich, was habt ihr mit 16 gemacht?

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Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
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13 Kommentare

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  • Tatsächlich ist dabei auffällig, dass ich sehr wenig von Thunberg und deren Anhang höre, wie sich die Gesellschaft im Trikont entwickeln soll, wenn Wachstum ausgeschlossen wird.

    Die sollen dann eben auf dem Entwicklungsstand wahrscheinlich bleiben, auf dem sie jetzt sind. Als Schwedin belastet Thunberg die Umwelt etwas dreimal so stark wie ein Bewohner Afrikas.



    Es ist dann schon tatsächlich notwendig, zu erläutern, wie man den Menschen in Afrika noch Verzicht predigen will.

  • Zitat: „Was haben manche [...] Antirassismusaktivist_innen mit [...] Komikern und Rechten, [...] gemeinsam? Ganz einfach, sie eint der Hass auf […] Greta Thunberg.“

    Wenn es nur das wäre! Aber so „einfach“ ist es natürlich nicht. Der Hass auf diese junge Schwedin ist nur ein Symptom. Es ist ein ganzer Glaube, der die Hater eint. Es ist die Wachstums-Ideologie, die offensichtlich an ein Ende kommt. Dieses Ende wollen die Prediger des Mehr-Wertes nicht wahrhaben. Denn sie haben ihre Persönlichkeit dran gekettet auf Geheiß ihrer Erzieher.

    Greta Thunberg Thunberg zeigt nicht nur die Grenzen unseres Planeten auf, sie zeigt auch, welche Grenzen dem Einzelnen gesetzt sind, sei er auch noch so großmäulig. Greta teilt ihre Plattform freiwillig mit jedem, auf dessen Vorleistung sie aufbaut. Sie ist schließlich nicht dumm. Sie weiß genau, dass unsre Erde jeden Klimaretter braucht. Ihre Gegner aber teilen nicht. Sie alle wollen ganz alleine „wieder groß“ werden auf Kosten aller anderen.

    Mir scheint, entscheidend für den Hass auf diese 16-jährige Schwedin ist das, was Komiker, Antirassismusaktivist_innen, Nazis und Greta Thunberg verbindet. Sie alle brauchen Aufmerksamkeit. Sie wollen nur dann und nur über das reden, was sie selber bewegt. Subtile Signale ihrer Zuhörer verstehen sie einfach nicht. Ohne Gewalt sind sie nicht zu stoppen.

    Es gibt allerdings zwei große Unterschiede: Greta Thunberg weiß, dass so ein Verhalten eine Schwäche ist. Asperger gilt schließlich als Entwicklungsstörung. Narzissmus wurde von der WHO gestrichen aus der Diagnose-Liste. Der ist normal, seit er ein Massenphänomen geworden ist unter Regie krebsartig wuchernder Märkte.

    Gretas Gegner brauchen also nicht zu wissen, was sie verkehrt machen. Sie würden sonst sehen: Gretas Stärke ist, dass sie ein Thema hat, das jeden von uns angeht. Das macht sie attraktiver als jeden Narzissten, der nur den eigenen Bauchnabel thematisiert. Und was das aller beste ist: Da kann sie nicht mal was dafür.

  • Die immer fortschreitende Degeneration der Antirassistischen Bewegung ist erschreckend. Radikale Teile der Bewegung sind inzwischen selbst nur Rassisten, aber gegen Weiße, und mit mit vielen Akronymen und einem massiven Opferkomplex.

    • @Bmit:

      Rassismus gegen Weiße kann schon per Definition nicht existierten, denn Rassismus ist es nur, wenn es ein globales Machtgefälle zu Ungunsten der von Anfeindungen betroffenen Gruppe gibt. Weiße sind global gesehen aber deutlich besser gestellt, so dass sie lediglich Rassismus ausüben, nicht aber Opfer dieses Rassismus sein können.

      Und wenn man sich die Kritiker*innen von Greta anguckt, dann fällt doch mindestens eine Kategorie auf, die du genannt hast, in die Greta passt: Sie wird als weiblich gelesen. So verwundert es denn auch nicht, dass die meiste Kritik an Greta von alten weißen Männern zu kommen scheint. Ich stimme dir außerdem nicht zu, dass sie nicht dafür angegriffen wird, was sie sagt, und auch Ableism - aufgrund ihres Aspergers - scheint bei den Kritiker*innen eine Rolle zu spielen.

      Danke Hengameh für den guten Kommentar!

      • @Räubertochter:

        "Rassismus gegen Weiße kann schon per Definition nicht existierten....

        Per Definition von wem? Das ist eine erweiterte, spezialisierte und höchst problematische Definition von Rassismus, von der ganz sicher nichts im Duden steht.



        ((meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen)

    • @Bmit:

      Degeneriert ist eher ihr Kommentar und wenn sich hier einer als Opfer sieht dann sind sie das wohl. Da haben sie so einiges mit den Greta Thunberg-Gegnern gemeinsam. Keine Argumente, nur Behauptungen und immer feste drauf. Die einen relativieren den Klimawandel die anderen Rassismus.

    • @Bmit:

      Die Mär des Rassismus gegen Weiße. Langweilig.

      • @Knete1337:

        Greta Thunberg wird nicht angegriffen für etwas das sie tut oder sagt, sondern was sie ist. Sie wird nicht angegriffen für ihr Geschlecht, sexuelle Neigung oder eine körperliche oder psychische Eigenschaft. Bleibt übrig Ethnie. Und das ist Rassismus. Man muss sehr lange studieren um das nicht mehr zu begreifen zu wollen.

        • @Bmit:

          Jau, weißer Rassismus gegen Weiße. Man muss wohl in seinem Leben einen großen Bogen um Bildung gemacht haben, um auf solche Theorien zu kommen.

  • Den Antirassismus-Aktivist_innen stösst sauer auf, dass Greta nicht will, dass die Menschen in Afrika eines Tages den gleichen Luxus haben wie heute die Menschen in Europa und den USA.

    Wenn jedoch alle Afrikaner Weltreisen mit dem Flugzeug machen und Klimaanlagen in Haus und SUV laufen lassen, dann ist das Klima nicht mehr zu retten. Deshalb muss man verhindern, dass steigender Wohlstand missbraucht wird, um anderen zu schaden.

    Anfangs forderte Greta in ihren Reden noch, man solle in schlecht erschlossenen Gebieten Infrastruktur wie Strassen und Flughäfen bauen, später hat sie Abstand davon genommen, ebenso wie von ihrer Aussage über den Nutzen von Atomkraft. Dabei kann nur durch solche Technologien das Leben der Menschen in Afrika besser werden.

    • @Elroy Banks:

      Atomkraft in Afrika. Das große Märchen der Atomlobby!



      Wie Atomkraft das Leben der Afrikaner angeblich"verbessert", kann man sich in der Doku "Atomic Africa" anschauen.

      www.youtube.com/wa...atch?v=3OpRySM5_9U

  • Nicht umsonst argumentieren linke Kritiker des identitär geprägten Aktivismus, dass dieser letztlich eine Totgeburt ist, weil Koalitionsbildungten und gemeinsame Zielformulierungen vor dem Hintergrund essentialistischer Seinskategorien unmöglich werden.

  • recht gesagt, im Kampf ggn den Klimawandel muss die ganze Sebstbespiegelung der Partikularismen erstmal zurückstehen. Es geht um's große Ganze.