Hamburger Polizei verfolgt Jugendlichen: Wie im Actionfilm

Die Polizei reagiert immer dünnhäutiger auf Verstöße gegen die Maskenpflicht. Sie rast einem Jugendlichen hinterher und setzt Hubschrauber ein.

Drei Polizisten stehen auf den Kufen eines fliegenden Hubschraubers

Martialischer Auftritt: Polizisten bei einer Übung auf dem Hubschrauber Foto: Carsten Rehder/dpa

HAMBURG taz | Wie eine Entschuldigung liest sich das Statement nicht, das die Polizei nach einer Verfolgungsjagd im Jenischpark veröffentlicht hat. In der vergangenen Woche hatten Po­li­zis­t*in­nen einen weglaufenden Jugendlichen in hoher Geschwindigkeit mit dem Auto über eine Wiese verfolgt.

Auf einem über Social Media verbreiteten Video sieht man, wie der Polizeiwagen wie im Actionfilm bei einer Bremsung zur Seite wegglitscht, bevor er wieder beschleunigt. Dabei fährt er fast zwei Kol­le­g*in­nen an, die ebenfalls hinter dem Flüchtenden her rennen. Der Jugendliche hatte wohl die Coronaregeln verletzt und andere Jugendliche umarmt.

Auf drei vollgeschriebenen Texttafeln erzählt die Polizei in ihrem Statement von frühlingshaftem Wetter, partyähnlichen Treffen Heranwachsender in Parks, bei denen diese regelhaft laute Musik hörten, massiv Alkohol konsumierten und die Coronaregeln verletzten.

Zu dem konkreten Vorfall schreibt das Social-Media-Team: „Mit dem Eintreffen der Beamten zerstreuten sich die Jugendlichen.“ Vereinzelt hätten die Polizist*in­nen Verstöße geahndet und Personen angesprochen sowie eine Musikbox sichergestellt. Dabei sei ihnen ein junger Mann aufgefallen, der sich hervorgetan und andere umarmt habe – „sehr wohl wissend, dass die Polizei mittlerweile vor Ort war“. Als er geflüchtet sei, hätten sich die Szenen ereignet, die man auf dem Video sieht.

Keine Fehler eingestanden

Bezüglich der Verfolgungsjagd ringt sich die Pressestelle zu der umständlichen Formulierung durch: „Der Einsatz des Fahrzeugs erweckt auf den Videobildern auch bei uns den Eindruck, dass eine Gefahr für außenstehende Personen bestanden haben könnte.“ Der Einsatz werde mit dem Fahrer und den eingesetzten Be­am­t*in­nen „nachbereitet“.

Auf die Frage, was das genau heißt, führt Polizeisprecher Florian Abbenseth interne Gespräche mit dem Fahrer und den anderen eingesetzten Beamt*in­nen an. Zudem sollten Zeu­g*in­nen befragt werden, auch zur Situation vor dem Eintreffen der Polizei. Das Dezernat Interne Ermittlungen sei außerdem mit dem Vorfall befasst.

Zudem teilte die Polizei in einer Bilanz vom Wochenende mit, dass sie zur Kontrolle der Einhaltung der verschärften Maskenpflicht am Freitag, Samstag und Sonntag einen Hubschrauber eingesetzt hatte.

„Dabei wurden Örtlichkeiten, an denen sich zuletzt immer wieder viele Menschen aufgehalten haben, identifiziert und entsprechende Übersichtsaufnahmen gefertigt“, erklärt Abbenseth. Dies sei nötig, weil die Polizei ja nicht überall gleichzeitig sein könne. Es gehe nicht darum, aus der Luft heraus Menschenansammlungen aufzulösen, sagt Abbenseth. In gut besuchten Parks und Grünanlagen an Alster und Elbe sowie in der Innenstadt gilt seit Samstag die Verpflichtung, eine medizinische Maske zu tragen.

Eskalationsspirale in Gang gesetzt

Der Hubschraubereinsatz sowie die Verfolgungsjagd im Park dürfte auf viele Bür­ge­r*in­nen trotzdem martialisch gewirkt haben. Schießt die Polizei mit Kanonen auf Spatzen? Manchmal passiere das, sagt der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr, das sei aber vorherzusehen gewesen und durch eine beiderseitige Eskalationsspirale bedingt. Während die Bürger*in­nen der Coronamaßnahmen zunehmend überdrüssig würden, reagiere die Polizei zunehmend gereizt auf Überschreitungen.

Der Flüchtende hatte wohl die Coronaregeln verletzt und andere Jugendliche umarmt

Ein Zeichen dafür, dass die Polizei außer Rand und Band sei, sieht Behr darin aber nicht. „Es entspricht einem uralten Prinzip der Hamburger Polizei, zu zeigen, was man hat und dass man der Herr im Ring ist“, sagt Behr.

Dieses vor allem männlich konnotierte Dominanzgebahren sei ein wesentlicher Bestandteil der Cop Culture. Darin liege wahrscheinlich auch die Begründung für den „Jagdinstinkt“, der die Be­am­t*in­nen im Jenischpark überkommen habe. Nachvollziehbar sei das schon, verhältnismäßig wohl aber eher nicht.

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