Hamburger Harley Days: Maulhelden im Rückwärtsgang

Die Hamburger Harley Days sind eine sexistische Veranstaltung aus dem letzten Jahrtausend. Das Gute daran: Man muss sie nicht ernst nehmen.

Teilnehmer fahren auf ihren Harley-Davidson-Motorrädern über das Veranstaltungsgelände der Harley Days auf dem Großmarkt Hamburg.

Mit der Maschine übers Veranstaltungsgelände: Harley-Fahrer auf den Hamburger Harley Days 2023 Foto: Marcus Brandt/dpa

Wie kommt man hin zu den Harley Days? Die verkehrsgünstigste Anreise ginge so: mit der Bahn zum Hamburger Hauptbahnhof, von da mit dem Stadtrad in acht Minuten zum Veranstaltungsgelände. Auf diese Idee würden der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der grüne Verkehrssenator oder taz-Leser*innen kommen. Aber die Harley Days ticken anders. Wer zu den Harley Days will und mehr ist als ein Zuschauer, der reist mit der Harley an. Und parkt nicht vor, sondern auf dem Gelände.

Ort des Geschehens ist die Asphaltfläche um die Hamburger Großmarkthallen. Die sieht auf den ersten Blick aus wie ein Stadtfest: Es gibt ein Riesenrad, Fress- und Verkaufsbuden und zwei Bühnen für Livemusik. Im Unterschied zu einem Stadtfest gibt es vor den Buden durchgängig einen Parkstreifen für Motorräder. Außerdem gibt es einen steten Strom Harleys, die in Schrittgeschwindigkeit über das Gelände fahren. Gut geordnet immer in eine Richtung.

Der stete Strom ist der Vorgeschmack für die große Parade, bei der am letzten Tag tausende Harley-Fahrer 30 Kilometer durch Hamburg brettern. Dem Nabu tut das seit Jahren weh: die Abgase, der Lärm, das Sinnlose. In diesem Jahr nannte der Nabu die Harley Days eine „Geiselhaft“, in die Hamburg von tausenden Motorrädern genommen werde.

Überraschend ist, dass die Laune der Harley-Fahrer ebenso schlecht zu sein scheint wie die des Naturschutzbundes. Jedenfalls wird man niemals einen Harley-Fahrer im Sattel lächeln sehen. Zum Harley-Fahren gehört ein grimmiger Gesichtsausdruck. Zusätzlich zu ihren Halbschalen-Helmen tragen Harley-Fahrer gerne Sonnenbrillen und Bärte, und wenn sie Haar zeigen, dann ist dieses grau oder auf dem besten Weg dahin. Beliebt ist die Farbe Schwarz, vor allem in Form von Leder. Manche tragen auch Jacken mit Fransen, wie man sie von Old Shatterhand kennt.

Ein gewisser Used-Look ist obenrum willkommen. Untenrum aber, da, wo das Blech beginnt, ist Makellosigkeit angesagt. Man möchte es sich nicht ausmalen, dass jemand seine Pommes-Schranke beim Wegtreten von der Fressbude aus Versehen auf den Ledersessel einer parkenden Harley kippt. Oder mit seinem Rucksack den blitzblank polierten Totenkopf-Blinker touchiert …

Die andere Sache ist die mit den Frauen. Gibt es Harley-Fahrerinnen? Ja, es gibt sie, und zwar in etwa so oft wie Falafel-Stände zwischen den Bratwurst- und Burger-Buden.

Ansonsten kommen Frauen als Mitfahrerinnen, Begleiterinnen und in zwei Fällen als Showtänzerinnen vor. Da stehen also zwei Fressbuden, auf deren Dächern umzäunte Tanzflächen angebracht sind, auf der sich Tanga-tragende Blondinen in High Heels mittelmotiviert zur Musik bewegen. Auf einer der parkenden Harleys davor steht „My other toy has tits“ und „No fuck no ride“.

Die gute Nachricht ist: Das alles muss man nicht ernst nehmen. Die vielen alten Männer, die hier unterwegs sind, haben hormonell betrachtet die Wechseljahre schon hinter sich. Das behauptete und das tatsächlich vorhandene Testosteron stehen in einem indirekt proportionalen Verhältnis. Die Harley Days sind eine Veranstaltung, auf der das Alter als solches präsent ist und beruhigend wirkt.

Erstaunlich ist allerdings die Verehrung nicht nur der Männer, sondern auch ihrer Begleiterinnen für die Marke Harley-Davidson. Sehr viele tragen Harley-Davidson-Klamotten und gehen darin auf, alte und neue Harleys zu beschauen. Im Museumszelt, wo Modelle der letzten 100 Jahre ausgestellt sind, sind Sätze wie „Mit der Softail Springer hatte Harley-Davidson zu sich selbst gefunden“ zu lesen.

Das Unternehmen Harley-Davidson wurde 1903 gegründet. Es gibt natürlich viele andere Motorradmarken. Wir aber empfehlen ausdrücklich – Fahrräder!

Die Zuneigung der Fans zu dem, was sie „die Company“ nennen, ist die, die Fußball-Fans zu ihrem Verein haben. Harley- und Fußball-Fans sind bereit, viel Geld hinzulegen für ein anonymes Versprechen der Zugehörigkeit zu einer Community. Geprägt ist die Harley-Community von einem Gestus des Nonkonformismus, den die Popkultur aus Hippies und Rockern der 60er zusammengemischt hat. Wahrscheinlich hat die Company ein echtes Nachwuchsproblem, weil der Mythos der 60er zunehmend verblasst.

Aber noch ist es nicht so weit. Noch kann „Nazareth“ als Haupt-Act im Bühnenprogramm auftreten. Noch ist dem Nabu das Ganze alljährlich eine Pressemitteilung wert.

Und dann? Baut Harley-Davidson E-Bikes und bemüht sich um Fah­re­r*in­nen – oder endet als Nischenprodukt für Nostalgiker.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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