Haltung von Milchziegen auf Biohöfen: Alles „Lug und Trug“?
Bioland kündigt einem Ziegenhof, nachdem dem Betrieb Tierquälerei vorgeworfen wurde. Dennoch darf der Hof weiter das EU-Biosiegel führen.
Besonders pikant an den Aufnahmen: Sie stammen von einem Bioland-Betrieb. Bioland und andere Ökoverbände brüsten sich damit, dass dem Wohl der Tiere auf den von ihnen zertifizierten Höfen besonders Rechnung getragen wird – mehr als auf konventionellen Höfen und sogar mehr als auf Biohöfen, die nur den Mindeststandard der EU-Ökoverordnung erfüllen.
Um das sicherzustellen, haben die Verbände 2014 den sogenannten Tierwohlcheck eingeführt. Dieser zielt darauf, nicht mehr nur die Rahmenbedingungen der Tierhaltung zu prüfen, sondern zudem zu kontrollieren, wie es dem Vieh tatsächlich geht.
Doch im Fall des Ziegenhofs in Brilon hat dieser Check offenbar versagt. Bioland habe dem Betrieb unmittelbar die Mitgliedschaft gekündigt, nachdem der Verband von den Vorwürfen erfahren habe, heißt es vonseiten des Ökoverbandes. „Wir waren schockiert von den Bildern und bedauern sehr, wie mit den Tieren umgegangen wurde.“
Peta hat derweil Anzeige gegen den Hofbetreiber erstattet. Die Tierschutzorganisation zeigt sich vom Versagen des Tierwohlchecks wenig überrascht. „Das ist alles Lug und Trug“, sagte Sprecher Edmund Haferbeck über die Kontrollmechanismen auf den Biohöfen. Dabei spielt er etwa auf den Umstand an, dass die Biohöfe sich ihre Kontrollstellen selbst auswählen können und die Inspektionen nur in Ausnahmefällen unangekündigt sind.
Mängel reichen nicht aus
Überprüft wurde der Ziegenhof in Brilon im Auftrag Biolands von der ABCert AG, einer von insgesamt 18 privaten Ökokontrollstellen in Deutschland. Diese kontrollieren die Betriebe sowohl im Sinne der EU-Ökoverordnung als auch im Sinne der strengeren Richtlinien der Bioverbände.
Bioland weist zwar darauf hin, dass die ABCert erhebliche Gesundheitsmängel auf dem Ziegenhof festgestellt habe, woraufhin der Betrieb aufgefordert worden sei, ein Gesundheitskonzept zu erarbeiteten. Doch haben die Mängel allein offensichtlich nicht gereicht, dem Betrieb das Bioland-Siegel zu entziehen.
Die Mitgliedschaft kündigte Bioland dem Ziegenhof erst Anfang Dezember 2016, als der Anbauverband von dem Videomaterial erfahren hatte. Auf die Frage, ob man die Zusammenarbeit mit der ABCert aufgrund dieses Vorfalls überdenkt, wollte sich Bioland gegenüber der taz nicht äußern.
Doch Skepsis scheint angebracht: Am 18. Januar 2017 hatte die ABCert den Ziegenhof erneut kontrolliert – dieses Mal auf Veranlassung des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv), das verantwortlich für die Vergabe des EU-Biosiegels ist. Ergebnis dieser Überprüfung: Der Ziegenhof Brilon bleibt zertifizierter Hersteller ökologischer Erzeugnisse und darf seine Produkte weiterhin unter dem EU-Biosiegel verkaufen. Das Lanuv wollte mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht Stellung zu den Vorwürfen gegen den Biohof beziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“