Massentierhaltung in NRW: Die Schweinereien der Ministerin
Die neue Agrarministerin Christina Schulze Föcking steht unter Druck. In ihrem Schweinemastbetrieb sollen schlimme Bedingungen geherrscht haben.
Andere Schweine humpeln mit entzündeten Gelenken. Außerdem dokumentieren die Filmaufnahmen, die Stern TV am Mittwochabend veröffentlicht hat, fehlendes Wasser und zu hohe Ammoniak-Konzentrationen in der Stallluft, die die Lungen der Schweine verätzen können. Grund dafür dürfte mangelnde Stallhygiene gewesen sein: Zu sehen ist, dass der Spaltenboden des Massentierhaltungsbetriebs derartig mit Exkrementen verstopft war, dass der Kot der Tiere nicht mehr abfließen konnte.
Landwirtschaftsministerin Schulze Föcking, die seit dem 30. Juni nicht mehr Mitinhaberin des Mastbetriebs in Steinfurt bei Münster ist, wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Stattdessen verwies ihr NRW-Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft auf eine Stellungnahme des Ehemanns der Christdemokratin, Frank Schulze Föcking: Grundsätzlich fühle sich „der Betrieb aus tiefer Überzeugung dem Wohl der Tiere verpflichtet“.
Für einen „kurzen Zeitraum des ersten Halbjahres 2017“ räumt der Landwirt allerdings „außergewöhnliche Krankheitsverläufe“ ein. Von 940 Schweinen „wurden insgesamt 31 Tiere bis zum 3. 7. 2017 notgetötet oder sind verendet“, schreibt er.
Die Ministerin müsse jetzt klarmachen, ob sie sich wirklich dem Tierwohl oder doch eher der Profitmaximierung verpflichtet sehe, fordert deshalb der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Christian Dahm. Die Grünen halten die staatlich geprüfte Landwirtin bereits für eine glatte Fehlbesetzung: „Als Landwirtschaftsministerin kann Frau Schulze Föcking nicht mehr glaubwürdig auftreten, als Tierschutzministerin ist sie völlig fehl am Platz“, sagt Landtagsfraktionschef Arndt Klocke.
Dabei ist das Tierleid auf dem Hof Schulze Föcking kein Einzelfall. „Krass“ sei zwar die Menge der verletzten Tiere, sagt Christian Adam von der Organisation tierretter.de: „So etwas sieht man nicht oft.“ Der Kannibalismus des gegenseitigen Schwanzbeißens allerdings sei eine direkte Folge der Massentierhaltung. Gefordert seien auch die Verbraucher, sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in NRW, Ophelia Nick: „98 Prozent der Schweine in Deutschland werden nicht artgerecht gehalten.“
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