Haltung der SPD zum Pestizid Glyphosat: Als Minister kneift Karl Lauterbach
Als SPD-Abgeordneter forderte Lauterbach, das möglicherweise krebserregende Pestizid Glyphosat zu verbieten. Nun, als Gesundheitsminister, schweigt er.
S elten stehen Worte und Taten in so einem krassen Widerspruch wie bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seiner SPD in Sachen Glyphosat. Das weltweit meistverkaufte Pestizid ist von der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Konsequenterweise forderte Lauterbach wiederholt, den Unkrautvernichter zu verbieten, als er noch einfacher Bundestagsabgeordneter war. Nun, als Kabinettsmitglied, könnte er maßgeblich dazu beitragen, seine Forderung durchzusetzen. Doch Lauterbach und die SPD kneifen.
Das ist gerade jetzt fatal. Die EU-Zulassung von Glyphosat läuft Mitte Dezember aus. Am 16. November sollen die Mitgliedstaaten endgültig darüber abstimmen, ob es eine Erlaubnis für weitere 10 Jahre geben soll. Die Ampelkoalition kann sich nicht wegducken, denn Deutschland hat als größter EU-Staat besonders viel Gewicht – durch sein Stimmengewicht und Einfluss auf andere Länder. Doch das Kabinett ist mal wieder gespalten. Die FDP will entgegen dem von ihr mit beschlossenen Koalitionsvertrag Glyphosat weiterhin erlauben, die Grünen nicht.
Das Zünglein an der Waage sind also die SPD-Kabinettsmitglieder – aber die schweigen: Auf die Frage der taz, wie Deutschland bei der EU abstimmen sollte, wich Lauterbachs Ministerium aus und verwies auf das Agrarressort. Er erklärt sich also für nicht zuständig. Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze äußert sich nicht, obwohl sie sich zuvor als Umweltministerin klar gegen das Pestizid ausgesprochen hatte. Kanzler Olaf Scholz schweigt sowieso.
Krebsverdacht ist ein Gesundheitsthema
Dabei ist Lauterbach als Gesundheitsminister thematisch direkt betroffen. Schließlich geht es neben Schäden an der Natur auch um Krebs. Lauterbach hatte gesagt, dass Glyphosat aus medizinischer Sicht nicht vertretbar sei. Er weiß, dass die WHO-Krebsagentur ihr Urteil auf gute Fall- und Kontrollstudien sowie auf Auswirkungen auf langjährige Nutzer des Pestizids stützt. In Fütterungsversuchen hatten Tiere Tumore entwickelt. Es ist daher unverantwortlich, dass die Sozialdemokraten Glyphosat freie Bahn lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken