EU-Abstimmung über das Pestizid Glyphosat: Gebrochenes Versprechen der Ampel

Deutschland hat in der EU nicht gegen Glyphosat gestimmt. Die Grünen haben sich wieder mal von der FDP unterbuttern lassen.

Landwirtschaftsminister Özdemir.

Hat sich in der EU-Abstimmung zum Thema Glyphosat-Verbot enthalten: Landwirtschaftsminister Özdemir Foto: Markus Schreiber/ap

Die Bundesregierung hat am Freitag klar den eigenen Koalitionsvertrag gebrochen. Deutschland enthielt sich bei der EU-Abstimmung über den Vorschlag der EU-Kommission, das umstrittene Pestizid Glyphosat für weitere zehn Jahre zu erlauben. Berlin stimmte also nicht mit Nein, sodass es keine ausreichende Mehrheit gegen die Zulassung gab – obwohl SPD, Grüne und FDP in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen hatten: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“

Das können sie aber nicht, wenn die EU den weltweit meistverwendeten Pestizidwirkstoff weiterhin erlaubt. Dann dürfte Deutschland auf seinem Gebiet den Einsatz nur noch etwas einschränken.

Die Grünen – hier in Person von Bundes­agrarminister Cem Özdemir – haben sich wieder einmal von der FDP unterbuttern lassen. Özdemir hatte sich gegen eine neue Zulassung ausgesprochen. Aber wenn sich die Regierung nicht einigen kann, muss sie sich ihrer Geschäftsordnung zufolge enthalten. Das hat Özdemir veranlasst – anders als 2017 CSU-Agrarminister Christian Schmidt, der damals gegen den Willen des Koalitionspartners SPD für Glyphosat stimmte.

Özdemir versucht jetzt sein Gesicht zu wahren. Er erklärt, dass die Enthaltung wie ein Nein gewertet werde, weil es ja keine „qualifizierte Mehrheit“ – 55 Prozent der EU-Mitgliedstaaten, auf die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung entfallen – für die Zulassung gegeben habe. Doch: Solange auch keine qualifizierte Mehrheit dagegenstimmt, kann die EU-Kommission ihren Vorschlag im Alleingang in Kraft setzen. Das wird sie sicherlich tun, denn sonst hätte sie ihn ja nicht präsentiert.

Gründe gegen das Gift

Dabei gibt es gute Gründe, Glyphosat zu verbieten. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation bewertete das Unkrautvernichtungsmittel 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Zwar widersprechen da mehrere Zulassungsbehörden, aber die haben schon häufiger Mittel wie das Insektizid ­Chlorpyrifos erlaubt, die sich Jahre später als gesundheitsschädlich herausstellten und dann doch verboten wurden.

Dass ein Gift, das auf 40 Prozent der deutschen Äcker gespritzt wird und so gut wie alle Pflanzen und damit Nahrung für Vögel und Insekten tötet, der Umwelt schadet, dürfte allen außer der Industrie und manchen Landwirten klar sein. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit hat selbst eingeräumt, dass sie wegen fehlender Daten „keine eindeutigen Schlussfolgerungen“ ziehen könne, wie sich Glyphosat auf die Artenvielfalt auswirke. Schon deshalb sollte Deutschland in der im November fälligen endgültigen Abstimmung im EU-Berufungsausschuss doch noch mit Nein stimmen.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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