Geplante Kindergrundsicherung: Haushaltsstreit schwelt noch

Die Kindergrundsicherung ist weiter ein Zankapfel in der Ampelkoalition. Die Gewerkschaft Verdi fordert, dass sie Kinder aus der Armut holt.

Rote Kindergummistiefel auf grünem Rasen

Koalitionsvertrag gegen Spardogmatismus des Finanzministers: Die Kindergrundsicherung ist umkämpft Foto: Stephan Sahm/laif

BERLIN taz | Im Streit in der Ampelkoaltion um die geplante Kindergrundsicherung fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi eine vollständige Umsetzung der Pläne von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).

„Die Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut muss für die Bundesregierung absolute Priorität haben“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Die von der Koalition angekündigte Kindergrundsicherung müsse daher „so gestaltet sein, dass sie Armut wirksam vermeidet und an den tatsächlichen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientiert ist“.

Die Kindergrundsicherung soll Leistungen für Familien bündeln, dabei Leistungsberechtigte über ihre Ansprüche informieren, Anträge digitalisieren und vereinfachen.

Die Süddeutsche Zeitung meldete am Dienstag, dass zwar der Streit in der Ampelkoalition um den Haushalt 2024 beigelegt worden sei, aber der Streit um die Kindergrundsicherung jetzt nicht entschieden werde. Die Verhandlungen gehen jedoch nach Informationen der taz weiter.

Existenzminimum von Kindern neu berechnen

Aus Regierungskreisen erfuhr die taz, dass das Familienministerium zum Haushalt zurückmeldete – mit Vorbehalt Kindergrundsicherung. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Familienministerin Lisa Paus (Grüne) führen dazu Gespräche. Bis zur Sommerpause bleibt der Regierung dafür Zeit, die letzte Kabinettssitzung ist am 5. Juli. 12 Milliarden Euro will Paus für die Kindergrundsicherung, inklusive Leistungserhöhungen für Familien bis in den Mittelstand hinein. Lindner wollte zunächst nur ein Digitalprojekt daraus machen. Seit Monaten wird darum diskutiert in der Koalition.

Verdi fordert von der rot-grün-gelben Regierung, das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern neu zu berechnen. Das hätte zur Folge, dass auch die Leistungshöhe angepasst werden müsste. „Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner die notwendigen Mittel für die Kindergrundsicherung beschneiden will“, sagte Verdi-Chef Werneke. „Alle Kinder und Jugendliche müssen die gleichen Chancen erhalten, sozial, wirtschaftlich und politisch am Leben teilzuhaben – unabhängig davon, ob ihre Eltern arm oder reich sind.“

AWO-Präsident Michael Groß äußerte sich ähnlich: „Wir erwarten von der Bundesregierung, hier endlich ein konkretes Konzept auf den Tisch zu legen, um in die fachliche Diskussion zu kommen“, sagte Groß der taz. „So ist unter anderem noch immer nicht klar, ob und wie die Leistung automatisiert allen Berechtigten zukommt – über Summen für eine immer noch nicht klar definierte Leistung zu diskutieren, halten wir nicht für zielführend.“

Verbände warnten schon im Frühjahr

Verschiedene Verbände hatten bereits im Februar und Mai davor gewarnt, dass die Kindergrundsicherung scheitern könnte. Auch Heidi Reichinnek, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, ist mehr als sekptisch: „Die Ampelkoalition agiert bei der Kindergrundsicherung völlig unseriös“, sagte Reichinnek. „Was sich leider schon jetzt abzeichnet, ist, dass die Kindergrundsicherung kaum geeignet sein wird, Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, sondern der Ampel nicht mehr als eine Verwaltungsreform gelingt.“

SPD und Grüne zeigen sich hingegen weiter zuversichtlich, dass mehr herauskommt. Politiker_innen der beiden Parteien hatten sich in der Vergangenheit schon mehrfach dazu geäußert, dass vor allem einkommensschwache Familien entlastet werden sollen. Was die Finanzierung der Kindergrundsicherung angeht, so äußerte sich Sönke Rix, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion, am Mittwoch dazu: „Bei Grünen und SPD gibt es eine Grundeinigung.“ Und: „Am Kanzleramt wird es am Ende nicht liegen, der Koalitionsvertrag gilt für alle in der Koalition“, so Rix. „Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, Kinder aus Kinderarmut zu holen.“

Die SPD erinnert an den Koalitionsvertrag

In einem sogenannten „Leitplanken-Papier“ hatte der Fraktionsvorstand vergangene Sitzungswoche beschlossen, dass „Familien mit hohen finanziellen Einkommen, nicht länger überdurchschnittlich zu fördern“. Dagmar Schmidt, ebenfalls Fraktionsvize der SPD-Fraktion, fordert Paus und Lindner auf, konkreter zu werden: „Wir brauchen Eckpunkte von Frau Paus, was sie sich konkret vorstellt, und die Unterstützung von Herrn Lindner bei der finanziellen und automatisierten Umsetzung. Da sind beide Seiten in einer Bringschuld und wir unterstützen diesen Prozess gerne so, dass er gelingt.“

Laut SPD soll zudem der Kinderfreibetrag sinken. „Wir sind uns dessen bewusst, dass nicht alles sofort umgesetzt werden kann“, so Rix. Sofort umgesetzt werden müsse die Leistungszusammenführung. „Warten müssen wahrscheinlich die Neudefinition des Existenzminimums sowie die Anpassung der Freibeträge.“ Für die Neudefinition des Existenzminimums ist das von der SPD geführte Arbeitsministerium zuständig.

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