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Grüne in Österreichs RegierungHoher Preis für den Klimaschutz

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Haben sich Österreichs Grüne verkauft? Nein, nüchtern betrachtet haben sie mit der Koalition das Maximum herausgeholt.

Hat das Maximale herausgeschlagen: Grünen-Vorsitzender Werner Kogler Foto: dpa

E ine „ordentliche Mitte-rechts-Politik“ hatte Sebastian Kurz seinen Wählern versprochen. Dafür erhielt er immerhin 37 Prozent bei den Wahlen vom September. Die Grünen, so Kurz, seien für den Klimaschutz gewählt worden. Den bekommen sie in der neuen türkis-grünen Koalition auch. Aber sie müssen ihn teuer bezahlen. Als ginge es nicht um eine Überlebensfrage der Menschheit, die auch den Konservativen am Herzen liegen müsste.

Die zuvor mit der FPÖ vorexerzierte Sicherheits- und Migrationspolitik wird fast unverändert ins neue Koalitionsabkommen mit den Grünen übernommen. Auch wenn Einwände nicht nur ideologisch motiviert, sondern wissenschaftlich untermauert sein mögen. Das gilt auch für das Nulldefizit (auch bekannt als schwarze Null), das deutsche Wirtschaftsweise längst als Unfug ablehnen. Sebastian Kurz weiß, was er seiner Wählerschaft schuldig ist. Schließlich will er auch diejenigen an seine Partei binden, die nach der Ibiza-Affäre und den Spendenskandalen von der FPÖ abgewandert sind.

In den sozialen Medien erheben sich noch vor Veröffentlichung des Koalitionspakts Stimmen, die den Grünen Verrat an ihren Idealen vorwerfen. Haben sie sich nicht bisher kompromisslos für Menschenrechte starkgemacht? Hat nicht ­Grünen-Chef Werner Kogler einst Pläne für eine präventive „Sicherungshaft“ für sogenannte Gefährder als verfassungswidrig verdammt? Und jetzt muss er seinen Segen dazu geben.

Sieht man es nüchtern, so haben die Grünen gegen einen fast dreimal so großen, mit allen Tricks des Machtspiels vertrauten ­Partner – oder Gegner? – das Maximum herausgeholt. Neben dem Klimaschutz ist das ein Transparenz­paket, das mittelfristig die Machtpolitik der ÖVP erschweren kann, und ein Programm gegen Kinderarmut. Und selbst in der Asylpolitik kann man durch weniger zur Schau gestellte Bosheit einen Stimmungswandel bewirken. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass mehr Menschlichkeit mehrheitsfähig ist. Damit würden die Grünen einen entscheidenden Beitrag zu dem Ziel leisten, das sie verfolgen: die Spaltung der Gesellschaft überwinden.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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8 Kommentare

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  • Im Gegensatz zu den Grünen in Deutschland mußten die Grünen in Österreich ja auch richtige Koalitionsverhandlungen führen.



    In Deutschland dagegen haben sie es mit einer SPD zu tun, die inhaltlich sowieso weitestgehend auf der gleichen Linie liegt.



    Oder mit einer CDU, die kein eigenes inhaltliches Profil mehr hat. Auf Bundesebene geht die CDU seit 15 Jahren mit einem einzigen Programpunkt in Koalitionsverhandlungen:



    Merkel muß Kanzlerin werden/bleiben !



    Deshalb liefen ja auch die Verhandlungen zwischen CDU und Grünen nach der letzten Bundestagswahl so gut. Dumm nur, daß man für eine Mehrheit die FDP gebraucht hätte, und die waren doch tatsächlich so dreist, sich nicht mit ein paar Ministerpöstchen zufrieden zu geben, sondern tatsächlich inhaltliche Forderungen zu stellen.



    Und die waren halt mit 100% grün, wie es die CDU schon akzeptiert hatte, nicht kompatibel.



    Nach der nächsten Bundestagswahl wird das anders aussehen und man die FDP nicht mehr benötigen



    Da die CDU bis dahin aber weder einen Kurz noch ein eigenes Profil haben wird, kann sich die AfD über das neueste Aufbauprogramm freuen.

  • Die mitte-rechts Politik hat in Österreich keine Mehrheit. Jetzt wird sie mit den Stimmen jener, die sie explizit ablehnen, umgesetzt. Diese Stimmen - und es sind sicher 50% - werden das nächste Mal nicht mehr an die Grünen gehen.

  • Als Politiker*in muss man halt leider manchmal anders handeln, als es der Idealismus zulässt. Nur so kann man seinen Idealismus voranbringen. Klingt komisch, ist aber so. Einfach ist es nicht. Vor allem nicht, wenn Leute, die eigentlich auf deiner Seite stehen, dich dann blöd anmachen und dir vorwerfen, deine Ideale zu verraten. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht.

  • Ob man sich verkauft hat ist keine Frage des Preises, sondern der Werte, die man dafür aufgibt.

    Ganz nüchtern betrachtet.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Na, sieh sich das mal einer an:

    " das Maximum herausgeholt. Neben dem Klimaschutz ist das ein Transparenz­paket, das mittelfristig die Machtpolitik der ÖVP erschweren kann, und ein Programm gegen Kinderarmut."

    Wie wird denn in Österreich fürderhin das Klima geschützt. Und wie funktioniert dieser heiße Feger von Transparenzpaket, das, aufmerkt nun also, mittelfristig, die Machtpolitik der ÖVP erschweren kann. Kann so kommen, kann so kommen.

    Hört sich alles in allem eher nach einem lahmen Deal an, oder?

    • @88181 (Profil gelöscht):

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @the real günni:

        Ich beuge mich vor Ihren eleganten, ausführlichen und analytischen Ausführungen.

        Dann wird also alles gut.

  • „Daher soll ein zusätzlicher verfassungskonformer Hafttatbestand (Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit) eingeführt werden für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden.“

    „Die Verhängung der Schutzhaft ist nur zulässig, wenn der Häftling durch sein Verhalten, insbesondere durch staatsfeindliche Betätigung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet.“

    Welches Zitat stammt as einem Erlass von NS-Minister Frick? Welches ist ein Zitat aus dem Koalitionsabkommen?

    Die Ösi-Grünen verkaufen sich genauso wie die hessischen Grünen und die BaWü-Grünen.



    Macht ist geil. Alles andere zählt nicht.



    Notfalls muß halt Adenauer herhalten: "...was interessiert mich mein Geschwätz von gestern..."

    Tip:



    streiche "Kommentar von Ralf Leonhard"



    setze: "Phantasie von Ralf Leonhard"