Grüne in Österreich: Geschrumpftes Klimaticket
In der Koalition mit der ÖVP braucht Österreichs grüne Ministerin Gewessler einen Erfolg: das Klimaticket. Ihr Plan ist halbgar, aber ein Fortschritt.
E s klang so einfach, das Konzept der klimafreundlichen Netzkarte für ganz Österreich: 1-2-3. Was in Wien schon gilt, seit die Grünen dort 2010 in die Stadtregierung kamen, sollte in jedem Bundesland Realität werden: eine Jahreskarte für 365 Euro. Unbegrenztes Fahren in zwei Bundesländern sollte zwei Euro täglich kosten, bundesweiter öffentlicher Transport drei Euro.
Doch was jetzt kommt, wirkt zunächst als unbefriedigende Notlösung. Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat nach 40 Verhandlungsrunden mit den Österreichischen Bundesbahnen, der privaten Westbahn, Lokalbahnen, den Busgesellschaften und den Verkehrsbetrieben der größeren Kommunen die Geduld verloren. Das Prestigeprojekt der ehemaligen Umweltaktivistin ist ein unentbehrlicher Beitrag zum Erreichen der Klimaziele, weil es „Leute aus dem Auto holen“ soll. Es ist ein Leuchtturmprojekt, das einer zunehmend verstörten grünen Basis zeigen soll, dass sich die Regierungsbeteiligung an der Seite der rückwärtsgewandten und gnadenlos machtbewussten ÖVP letztlich doch lohnt.
Die Koalitionsdisziplin hat den Grünen in Menschenrechtsfragen und bei Postenbesetzungen mit Günstlingen des Kanzlers mehr abverlangt, als ihre Wählerinnen und Wähler so ohne Weiteres verzeihen. Wenn auch das Klimaticket nicht funktioniert, sind Gewessler und das grüne Projekt erledigt. Deswegen ist sie vorgeprescht und holt einen halb garen Braten aus dem Rohr.
Dennoch: Schon das Rumpfticket ist ein Fortschritt. Leute, die beruflich über Ländergrenzen pendeln müssen, werden schlagartig dreistellige Eurobeträge einsparen. Ob eine ausreichende Zahl an Menschen das Auto jetzt stehen lässt oder gar nicht erst kauft, muss sich weisen. Das hängt davon ab, ob auch in ländlichen Regionen der öffentliche Verkehr attraktiver wird und die bevorstehende CO2-Bepreisung den Autoverkehr schmerzhaft verteuert. In der ÖVP-nahen Wirtschaftskammer warnt man schon vor „ideologiegetriebenen Bestrafungsfantasien“.
Der wirkliche Kampf ums Klima steht also noch bevor.
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