piwik no script img

Grüne attackieren Scheuer„Kumpanei mit der Autoindustrie“

Verkehrsminister Scheuer begrüßte die Zweifel von Lungenärzt*innen an den Stickoxid-Grenzwerten. Einige Grüne kritisieren ihn dafür scharf.

Dicke Luft, nicht nur auf den Straßen: Grüne und CSU streiten über Grenzwerte Foto: dpa

Berlin dpa | In der Debatte um Feinstaub- und Stickoxidgrenzwerte kritisieren die Grünen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Er stellt die Kumpanei mit der Autoindustrie vor den Schutz der Gesundheit der Menschen“, warf die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt ihm in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am Freitag vor.

Es sei die Aufgabe der Bundesregierung, vorsorgend zum Schutz aller Bürger zu handeln. „Stickoxide sind schädlich – besonders für Kinder, Schwangere und Senioren.“ Das sage die Wissenschaft ganz klar.

Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock zeigte sich irritiert: „Will die Union tatsächlich die wissenschaftlichen Grundlagen der Weltgesundheitsorganisation in Frage stellen?“ Weil ihm die Wirklichkeit nicht in den Kram passe, scheine Scheuer die Fakten einfach anpassen zu wollen.

Diese Woche hatten etwa 100 Lungenärzt*innen die geltenden Grenzwerte für Stickoxid infrage gestellt, was Scheuer gut hieß: „Wenn über 100 Wissenschaftler sich zusammenschließen, ist das schon einmal ein Signal“, sagte er. Die strittigen Grenzwerte sollen in den nächsten Monaten zu Diesel-Fahrverboten in mehreren Großstädten wie Berlin, Köln und Essen führen. Auf bestimmten Strecken in Hamburg gibt es solche Fahrverbote bereits.

Bundesregierung: Saubere Luft, aber Fahrverbote vermeiden

„Aufmerksam“ verfolgt die Bundesregierung nach Aussage eines Sprechers die aktuelle wissenschaftliche Debatte zu den Grenzwerten. „Wir wollen für saubere Luft sorgen und zugleich Fahrverbote so weit wie möglich vermeiden“, sagte er der Bild-Zeitung am Freitag. Die Regierung unterstütze weiter die Kommunen darin, den EU-weit geltenden Grenzwert zu erreichen.

Rainer Dulger, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall forderte, die für Stickoxid geltenden Grenzwerte auszusetzen: „Wenn selbst Lungenfachärzte die Grenzwerte im Straßenverkehr für zu niedrig halten, muss zeitnah eine neue Entscheidung her.“ Die Bundesregierung müsse das in Brüssel sofort einfordern.

Auch der Wirtschaftsrat der CDU hatte zuvor ein Moratorium für Fahrverbote gefordert. Laut seinem Ministerium will Scheuer die Grenzwert-Diskussion in der EU führen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Spiegel:



    "Angestoßen wurde das Positionspapier durch den Pneumologen Dieter Köhler, ehemals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). ...

    Neben Köhler werden drei weitere Autoren genannt, die das Positionspapier erarbeitet haben. Darunter der Karlsruher Ingenieurwissenschaftler Thomas Koch, ein bekannter Entwickler von Dieselmotoren."

  • Wer wegen Feinstaub stirbt, ist einfach für eine Welt á la Automobilindustrie und Scheuer nicht gemacht.^^

  • "„Wenn über 100 Wissenschaftler sich zusammenschließen, ist das schon einmal ein Signal“, sagte Scheuer"

    Genau. Ein deutliches Signal, dass die milliardenschwere Fossilbrennstoffindustrie ihre Investitionen zum Selbsterhalt erhöht hat. Da Wissenschaftler und Institute ja sehr häufig im Auftrag arbeiten und ihren Lebensunterhalt damit finanzieren kommt man da schnell in Abhängigkeiten...

    • @Mitch Miller:

      Diejenigen Wissenschaftler, die die Grenzwerte geliefert haben, sind leider auch nicht ganz unabhängig sondern im Gegenteil: deren Forschungen hängen an Förder-Millionen, die nur weiterhin fließen, wenn die Ergebnisse in den Mainstream passen. Da sind ein paar Pulmologen, der erstmal mit der Behandlung von Patienten seinen Unterhalt verdient durchaus unabhängiger ...

  • Auch klar: Geschickt genug angestellt kann man auch mit einer kranken Bevölkerung noch Kasse machen. Bei einer kranken Autoindustrie muß man draufzahlen. Und wo Geld über alles geht, da steht Leben eben ganz hinten.

    Doch gleich von Kumpanei auszugehen, muß nicht unbedingt richtig sein. Es gibt auch andere theoretische Möglichkeiten, und sei es nur, daß da ein paar Lungenfachärzte befürchten, mit ihrem geliebten Diesel nicht länger die Luft verpesten zu dürfen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Herr Scheuer ist selbstredend und braucht nicht mit Kritik noch unnötige Beachtung zu finden. Was hat er denn Substantielles zu sagen?

    Was der CSU ihr Scheuer, ist der SPD ihr Weil und den Grünen ihr Kretschmann. Automobil-Lobbyisten. Über Herrn Wissmann schweigen wir eh. So what?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...klar, Lungenärzte leben von Lungenkrankheiten und keiner schneidet selbst den Ast ab, auf dem er sitzt.

  • Achtung, Aufgepasst!

    Wer vom Alter her schon in den 1960igern und später Zeitungen gelesen hat, wird sich noch daran erinnern, wie die Ärzteschaft sich damals für das Zigarettenrauchen eingesetzt hatte, speziell in den USA, wo es die größte Tabakindustrie der Zeit gab!

    Auch damals waren genug Ärzte der Meinung, dass die vielen Krankheiten, die "angeblich" durch den Zigarettenrauch entstanden, nicht nachweislich durch eben das Rauchen entstanden, es gäbe da auch noch die Lebensumstände, durch die vielen Krankheiten Vorschub geleistet werde!

    Irgendwie erinnert die ganze Debatte der Ärzte genau an diese Aussagen, bezüglich des Zigarettenrauchs, wie es damals auch schon beschrieben wurde!

    Es ist in einem anderen Artikel einer anderen Zeitung zu lesen gewesen, dass es in 1. Linie die Lebensumstände derjenigen, die Krank durch NOX und Feinstaub werde, seien, die sie Krank werden lassen!



    Zum Beispiel wurde ein Grund genannt, weshalb die Menschen eher Krank würden, die nahe an den Straßen wohnen, weil sie weniger auf gesunde Lebensumstände achten würden, als jene, die in Vorstädten leben, so mit Vorgärten und gehobenen Lebensstandard!



    Auch würden diese Menschen, welcher in den risikogebieten leben, vermehrt Rauchen und Alkohol trinken und sich ungesund ernähren!

    Wer sich diese Begründungen mal auf der Zunge zergehen lässt, dem müssten sich doch direkt die Nackenhaare aufstellen und sich enorm über diese abgehobenen Menschen, welche hinter den Aussagen stehen ärgern, denn hier wird wieder einmal von einer selbsternannten Elite behauptet, alle die nicht ein gehobenes Einkommen haben, leben automatisch ungesund, sind Raucher und Alkoholtrinker, weil sie nicht privilegiert genug sind in einen gehobenen Lebensraum wohnen zu können!

    Hier wird suggeriert, dass nicht das NOX und der Feinstaub gefährlich für die Gesundheit sind, sondern in erster Linie die Menschen selbst, weil sie in Risikogebieten leben müssen!

    Solche Sprüche sind Menschenverachtend!!!

  • Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin hat über 4000 Mitglieder und nur 112 haben den Scheiß unterschrieben. Ca. 97 % der Lungenspezialisten sind anderer Meinung. Was für ein peinliches Affentheater zum Wohle der Automobilindustrie.

    • @Andreas J:

      Der Rückschluss stimmt so nicht. Denn es ist ja nicht so, als hätten die übrigen Mitglieder der Gesellschaft sich alle gegenteilig geäußert. Sie haben nurnicht unterschrieben - warum auch immer.

      • @Normalo:

        Was ist denn das für eine biegsame Auslegungslogik? Wenn ich etwas nicht unterschreibe, dann weil ich damit nichts anfangen kann oder weil ich es falsch finde.



        Oder wurde das denen nur nicht vorgelegt, sondern nur denen, die sicher unterschreiben? Soll's geben...

        Wenn der Rest der Fachleute jetzt alle begeistert genickt hätte "ja genau, endlich sagt's mal einer, wo muss ich..." dann hätten wir vielleicht ein überzeugendes Argument.



        Aber es haben nur 3% gesagt, dass sie die Grenzwerte der Atemwegsgifte für harmlos halten.

        Zigarettenargumente sind das...

  • Eines ist richtig - Stickoxide schaden nicht primär dem Menschen. Trotzdem dient ihr Vorhandensein als Indikator für weitere von Fahrzeugen verursachten Schadstoffen.

    Es ist auch quatsch, nur ältere Dieselfahrzeuge ins Visier zu nehmen - die modernen Hochleistunsgdiesel erzeugen unkalkulierbare Risken durch lungengängige Nanopartikel - hierzu kann noch niemand eine verlässliche Aussage machen. Zu dieser ganzen Gemengelage addieren sich Feinstäube durch Heizungen und Abrieb jeglicher Art wie sie eben eine moderne Gesellschaft hervorbringt.



    Nur isolierte Berechnungen anzustellen, wenn wir den ganzen Dreck aber zusammen einatmen ist kurzsichtig bis blind.



    Die letzten Filter sind nämlich wir selbst. Leider mehr die Anwohner, Fussgänger und Radfahrer und nicht die Autofahrer. Ich fände es gerecht, wenn man zumindest einen Teil der Abgase in die Innenräume der Fahrzeuge leiten würde. Bevorzugt in die Autos jener Lungenfachärzte und Politiker, die gerne die Grenwerte heruntersetzen würden.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Rainer Dulger, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall forderte, die für Stickoxid geltenden Grenzwerte auszusetzen"?



    Dümmer geht's immer.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Ich fordere, Herrn Dulger auszusetzen. Am Besten in einer Tiefgarage mit 24 Stunden Dauerbetrieb.

  • Wissenschaftler? Scheuer weiss nicht mal, was ein Wissenschaftler ist.

    Ich fordere einen Mindest-Bildungsstandard (kein Papier, eine direkte Eignungsprüfung direkt vor Antritt) für MinisterInnen.

  • Selbstverständlich haben 100 Lungenärzte, voran Dieter Köhler das Recht, gesetzlich festgelegte NOy, CO2 u. a. Feinstaub Grenzwerte in Frage zu stellen, berufsethisch aber nicht in dem Sinne, wie sie es im vorliegenden Fall tun, weil jeder Grenzwert an sich eine Gesundheit beeinträchtigend risikobehaftete Zumutung für Menschen, Tiere, Umwelt, Wasser, Boden, Wald, Wiesen, Feld, Luft abbildet.

    Ich erwarte ,dass die ärztlichen Berufsverbände gegen diese 100 Lungenärzte disziplonarisch vorgehen wg. Berufsstandschädigung in Tateinheit mit dem Anfangsverdacht von Verunglimpfung jener Patienten*nnen, die infolge von NOx Emissionen Atemwegserkrankungen fachärztlich behandelt werden, bzw. aufgrund von Vorerkrankungen durch diese NOx Emissionen mit statistisch valuierter Perspektive ihres vorzeitigen Ablebens verstärkt leiden.

    Den 100 Lungenärzten NOx Grenzwertkritikern geht es berufsethisch verwerflich darum, wie bei der Debatte um angeblich zumutbar atomare Niedrigstrahlenbelastung im Alltag, Nähe zu AKWs, Zwischen- , Endlagern radioaktiv strahlenden Atommülls, Arbeitsplatz, weitergehende Forderungen nach Herbasetzung von Grnezwerten NOy, CO2 abzuwürgen?

    CDU Gesundheitssprecher Erwin Rüddel verdeutlicht im im DLF, so, wie ich ihn verstehe, dass ihm Sicherung des Eigentums an Diesel Pkws wichtiger erscheint als Eigentum an Gesundheit, Unversehrtheit, wenn er sagt;.



    "Wenn es hier um Eigentumsrechte von Menschen geht und natürlich auch um Gesundheit, dann muss das abgewogen werden, und dafür brauche ich fneue Zahlen-

    www.deutschlandfun...9205NeuesteÄlteste

    • @Joachim Petrick:

      "Wenn es hier um Eigentumsrechte von Menschen geht..."

      Ja, ganz sicher ist denen DAS wichtig...aber sobald man was verkaufen kann, gehen plötzlich wieder andere Argumente vor.

      Vielleicht sollte man bei den Eigentumsrechten von Schusswaffen und Sprengstoffen auch lieber drauf achten, dass man niemanden was versehentlich wegnimmt?

  • „Will die Union tatsächlich die wissenschaftlichen Grundlagen der Weltgesundheitsorganisation in Frage stellen?“

    Naja, die WHO hat meines Erachtens an keiner Stelle gesagt, dass Fahrverbote für Diesel irgendetwas für die Gesundheit der Menschen bedeuten. Diese Interpretation und die Fokussierung auf den Diesel-PKW in Innenstädten kommt vom Gesetzgeber und den Gerichten.

    Die Lungenärztinnen weisen ja lediglich darauf hin, dass die Einhaltung eines Grenzwertes von 40 sehr, sehr, sehr wahrscheinlich keinerlei positive Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen hat. Die negativen Auswirkungen von Dieselfahrverboten sind kurz und auch langfristig noch gar nicht abzuschätzen. Fair ist es jedenfalls nicht, wenn Menschen enteignet werden oder den Arbeitsplatz verlieren oder an anderer Stelle erheblich belastet werden, nur weil es jetzt angeblich kein Zurück in der Gesetzgebung mehr gibt.

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    .... die aktuelle wissenschaftliche Debatte....

    das ist keine wissenschaftliche Debatte, das ist das zeitlich genau platzierte Produktmanagement aus der Desinformationsbranche der gekauften Mietmäuler nach dem Musterpatent der amerikanischen Ölindustrie, das Oreskes erforscht hat.



    de.wikipedia.org/wiki/Naomi_Oreskes

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @96177 (Profil gelöscht):

      Danke für den Link. Wird mein abendlicher Dessert.

      Bei der einigermaßen nüchternen Betrachtung des Weltgeschehens muss ich vor allem anderen an die babylonische Sprachverwirrung denken. Die Des-Informationsbranche leistet offensichtlich ganze Arbeit.

      Doch aufgemerkt: Die letzte Schlacht gewinnen wir. Die Zeichen stehen auf Sturm.

      • 9G
        96177 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        gerne ... wenn ich nur auch Ihren Optimismus teilen könnte.

  • Es ist schon vielsagend, wie ein Bundesminister auf so ein Sperrfeuer reagiert. Andererseits hat Politik eben doch nicht so viel mit Wissenschaft zu tun ;)