Großstädter haben weniger Wohnfläche: Risiko für die Liebe
In den Metropolen schrumpft die Quadratmeterzahl pro Kopf. Das gefährdet Rückzugsräume auch innerhalb der Paarbeziehung.
D as Eckbettsofa „Friheten“ (zu Deutsch: „Freiheit“) ist das neue Sozialmöbel. Ausgeklappt, verwandelt das Möbelstück „den Wohnraum abends in Mamas und Papas Schlafzimmer“, heißt es im neuen Ikea-Katalog. „Mehr Familienleben pro Quadratmeter“ verspricht der Einrichter und beschäftigt sich mit der Frage, wie man als große Familie oder als junges Paar in einer engen Wohnung überlebt. Klappsofas, blickdichte Vorhänge als Raumteiler und Schränke mit Schiebetüren sind wieder im Kommen.
Die Schweden haben es gerafft. Mieter in Deutschlands Metropolen haben im Durchschnitt weniger Quadratmeter zur Verfügung als noch vor zehn Jahren. Das hat das Institut der Deutschen Wirtschaft jetzt in einer Erhebung festgestellt. In jedem sechsten Haushalt in den Großstädten leben in einer Wohnung sogar mehr Menschen, als es dort Zimmer gibt. Dabei gilt im sozialen Wohnungsbau eigentlich die Regel, dass pro Person ein Raum vorhanden sein muss.
Wie eng, mit welcher Raumaufteilung kann man wohnen, ohne dass es auf die Seele schlägt? Paare finden in Berlin fast nur noch Neubauwohnungen mit zwei Räumen, von denen einer die „großzügige“ Wohnküche ist, das zweite Zimmer dann der Schlafraum fürs gemeinsame Doppelbett. Hey, was ist mit der Individualisierung?
Braucht nicht jeder auch mal die Möglichkeit, die Tür hinter sich zuzumachen? Oder soll der Partner im Streitfall dann eben den blickdichten Vorhang zuziehen und das Sofa in der Wohnküche aufklappen?
Ja, es stimmt, die Wohnungen in den 50er Jahren waren auch eng, Ehemänner arbeiteten lang, manch einer flüchtete in die Kneipe, der Rückzugsraum der Frauen war die Küche … Igitt! Da will niemand mehr hin. Ob ein einziges Doppelbett auf Dauer gut ist für die Liebe, diese Frage sollten sich Raumplaner heute aber schon mal stellen. Jedenfalls, wenn es um Menschen geht, die sich keine loftartige Eigentumswohnung mit Wohnküche, mehreren Schlafzimmern und Gästebad leisten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos