Gewalt zwischen Linken und Rechten: Messer-Opfer verzichtet auf Polizei
In Lübeck soll ein Anhänger der Identitären einen Antifa verletzt haben. Auf Indymedia wurde ein Foto des angeblichen Täters veröffentlicht.
Die Begegnung sei zufällig gewesen. Um zwei Uhr Morgens habe eine Gruppe Antifaschisten beim Bahnhof zwei junge Männer und eine Frau beim Anbringen vom Aufklebern der Identitären beobachtet. Seit 2012 ist die Bewegung in Deutschland gegen die vermeintliche Überfremdung und den angeblichen Identitätsverlust aktiv.
„Heimatverliebt“ steht fett in schwarzen Lettern auf dem Aufkleber der verklebt wurde und etwas dünner: „Jugend ohne Migrationshintergrund“. Daneben steht das Logo der Bewegung, der griechische Buchstabe Lambda, den einst die Spartaner als Erkennungsmerkmal auf Schildern trugen.
Die Männer, so der Koordinationsvertreter, seien von der Innenstadt Richtung ZOB gegangen, um dort in ein Taxi zu steigen. Dabei sei die Situation eskaliert. Einer der drei hätte ein rund fünf Zentimeter langes Klappmesser gezogen und sei auf einen der Antifaschisten losgegangen. Er habe sofort mehrmals in Höhe des Halsbereiches zugestochen.
Die Identitäre Bewegung (IB) stammt ursprünglich aus Frankreich.
Ihr Hauptthema ist Rassismus. Die Identitären wollen die von ihnen propagierte „Überfremdung“ durch Muslime stoppen und warnen vor dem „großen Austausch“ des „einheimischen“ Volkes gegen fremde Völker.
Die Bewegung will sich vom Muff der alten Rechten absetzen, bedient sich dazu auch popkultureller Symbole und kopiert linke Aktionsformen.
Seit 2016 werden die Identitären in Deutschland vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet.
Mehrere Landesämter für Verfassungsschutz – darunter auch Hamburg, Bremen und Niedersachsen – beobachteten die Gruppierung allerdings schon vorher.
Das Opfer „konnte einige Messerstiche abwehren, wurde aber am Hals und der Schulter verletzt“, sagt der Koordinationsvertreter. Der Betroffene musste ins Krankenhaus, wurde genäht und stationär aufgenommen.
Als die Polizei eintraf, waren noch drei Antifaschisten vor Ort. „Aus unserer Sicht stellte sich der Sachverhalt ganz anders dar“, sagt eine Pressesprecherin der Polizeidirektion Lübeck der taz. Details nannte sie nicht. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen. „Der Täter soll mit einer Frau geflohen sein“, sagt Ulla Hingst, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft. Sie betont aber, dass vieles noch offen sei.
Denn ohne Zeugen wären die Ermittlungen äußert schwierig, sagt sie. Selbst die Behandlung im Krankenhaus würde ihnen wegen der ärztlichen Schweigpflicht nicht bestätigt. „Wir wissen was in den Foren für Informationen verbreitet werden“, sagt Hingst. Doch bisher könnten sie auch noch nicht von einen „politischen Hintergrund“ ausgehen.
Die Antifaschistischen Koordination Lübeck hält an ihrer Schilderung der Auseinandersetzung fest. „Der gezielte Angriff mit einem Messer auf Höhe des Kopfbereiches stellt für uns eine Tötungsabsicht dar. Der Tod des Genossen wurde billigend in Kauf genommen“, sagt der Vertreter. Nur durch Glück und durch die Erfahrung ihres Mitstreiters seien keine lebenswichtigen Organe verletzt worden.
„Der Täter ist uns bekannt“, sagt der Koordinationsvertreter. Anhand von Bildern sei der in Kiel lebende Identitäre identifiziert worden. Schon seit Wochen sei auf der Lübecker Altstadtinsel Propagandamaterial der IB verklebt worden.
Die Identitären sind in der Region präsenter. Vor vier Jahren wurde sie erstmals im Norden in den sozialen Netzwerken aktiv. Die IB arbeitet eng mit der neu-rechten Szene um das „Institut für Staatspolitik“ zusammen, das sich auf die antidemokratische, antiliberale und antiemanzipatorische Konservative Revolution aus den 20er- und 30er-Jahren bezieht.
Vertreter der Bewegung betonen stets, gewaltfrei zu sein. Im Netz hat sie aber auch Kampfsportübungen von ihren Treffen dokumentiert.
Insbesondere nahe Lübeck im benachbarten Kreis Ostholstein sei die Identitäre Bewegung aktiv, sagt der Vertreter der Koordination. Dort engagiere sich auch der mutmaßliche Täter. Auf ihrer Facebook-Seite haben sich die Identitären aus Schleswig-Holstein bisher nicht zu dem Vorfall geäußert – und telefonisch waren sie nicht zu erreichen.
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