Getreideabkommen für die Ukraine: Gezerre um Mais und Weizen
Das letzte Schiff unter der Flagge des UN-Getreideabkommens hat abgelegt. Ob es eine Verlängerung geben wird, ist weiter mehr als offen.
Seit 27. Juni hat Russland keine Neuregistrierungen von Frachtern unter der sogenannten Black Sea Initiative mehr ermöglicht. Das Getreideabkommen war im Juli vergangenen Jahres von Russland und der Ukraine mit der Türkei und den Vereinten Nationen unterzeichnet worden. Seitdem wurde es mehrfach verlängert. In ihm garantiert Russland Handelsschiffen freie Fahrt durch das Schwarze Meer mit Ziel Ukraine, um dort ukrainisches Getreide zu laden, und freie Fahrt wieder hinaus auf die Weltmeere. In beiden Richtungen werden die Schiffe im Bosporus von den UN unter Mitwirkung der Türkei, Russlands und der Ukraine inspiziert. Das soll verhindern, dass die Ukraine auf dem Seeweg Waffen erhält.
Nach UN-Angaben vom 10. Juli hat der Getreidedeal bislang den Export von 32,75 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine mit einem Wert von rund 9,8 Milliarden US-Dollar in 45 Länder ermöglicht, zumeist Mais und Weizen; mit den seitherigen Exporten sind es 32,86 Millionen Tonnen auf 1.004 Schiffen. Das UN-Welternährungsprogramm beziehe 80 Prozent seiner Lebensmittel für Hungerhilfe weltweit aus der Ukraine unter diesem Programm, und die globalen Lebensmittelpreise seien seit Beginn der Initiative zurückgegangen, so die UN.
Russland nutzt die alle 60 Tage fällige Verlängerung des Abkommens regelmäßig als Druckmittel, um Lockerungen von Sanktionen zu erreichen. So wurde mehrfach verlangt, russische Exporte von Düngemitteln vom Ausschluss russischer Empfänger aus dem internationalen Zahlungssystem Swift auszunehmen. Am Freitag erklärte ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Russland sei ein entsprechendes Angebot bezüglich einer Tochter der russischen Bank Rosselchos unterbreitet worden. In Moskau hieß es, man kenne noch kein solches Angebot.
Die Türkei hat angekündigt, die Schiffe selbst zu schützen
Russlands Präsident Wladimir Putin betreibt um seine Haltung ein Verwirrspiel. Am Samstag sagte er seinem südafrikanischen Amtskollegen Cyril Ramaphosa am Telefon, einige seiner Forderungen seien noch nicht erfüllt. Am Freitag hatte der türkische Präsident Recip Tayyip Erdoğan nach einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen gesagt, er und Putin „stimmen überein“, dass die Vereinbarung verlängert werden solle. Sowohl Erdoğan als auch Ramaphosa erwarten Putin im Laufe des kommenden Monats zu einem Besuch. Am Donnerstag hatte der Kremlchef im Staatsfernsehen gesagt, man denke noch über das weitere Vorgehen nach. Es gebe etwa die Möglichkeit, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen auszusetzen.
Ein Auslaufen des Getreideabkommens bedeutet nicht, dass die Ukraine kein Getreide mehr exportieren kann. Es macht allerdings die Getreideschiffe zu militärischen Zielen für Russlands Kriegsmarine im Schwarzen Meer. Vor dem Nato-Gipfel in Litauen in der vergangenen Woche hatte der türkische Präsident Erdoğan gewarnt, die türkische Kriegsmarine werde in diesem Fall die Schiffe notfalls schützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt