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Gesichert rechtsextreme ParteiRufe nach einem AfD-Verbot werden lauter

Die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch hat die Debatte über ein entsprechendes Verfahren neu entfacht. Das Verfassungsschutzurteil sei Teil eines „autoritären Umbaus“ der Gesellschaft, sagt Wagenknecht.

Nachdem die AfD nun als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde, steigt der Handlungsdruck auf die Politik weiter Foto: Christoph Soeder/dpa

Frankfurt a.M./Berlin epd/dpa | Mit der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz nimmt die Diskussion über ein mögliches Parteiverbot wieder Fahrt auf. Die Unionsfraktion reagierte dabei zurückhaltend auf Rufe nach der Einleitung eines raschen Verbotsverfahrens gegen die AfD. „Wir müssen angesichts der Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Einstufung der AfD nun genau analysieren, welche Konsequenzen das im Umgang mit dieser Partei haben kann“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Alexander Throm, der Augsburger Allgemeinen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD seit Freitag laut Mitteilung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein – wegen der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei. Ein Parteiverbotsverfahren kann nur von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung initiiert werden. Die schlussendliche Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, liegt beim Bundesverfassungsgericht.

Die AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla kritisierten die Verfassungsschutz-Hochstufung ihrer Partei als politisch motiviert und kündigten an, sich juristisch dagegen zur Wehr zu setzen. Auch Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, bekräftigte dies in den ARD-Tagesthemen am Freitagabend und kritisierte, dass der AfD der Bericht mit den Belegen des Verfassungsschutzes nicht vorliege.

Die Berliner Justiz-Senatorin Felor Badenberg (CDU) betonte im Deutschlandfunk am Samstag, dass es keinen Rechtsanspruch gebe auf die Veröffentlichung des Gutachtens des Verfassungsschutzes. Wenn die AfD jedoch gegen die Entscheidung gerichtlich vorgehe, werde ihr auch das Gutachten zur Verfügung gestellt, sagte Badenberg.

Der Kandidat für den FDP-Vorsitz, Christian Dürr, sprach sich in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) gegen einen AfD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht aus. „Das Signal an die Wählerinnen und Wähler, die die AfD bei der Bundestagswahl zur zweitstärksten Kraft gemacht haben, wäre fatal.“ Dürr forderte: „Wir müssen die AfD politisch wieder klein machen, indem wir konkrete Probleme endlich lösen.“

Hingegen befürwortete der Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour (Grüne) ein AfD-Verbotsverfahren. „Die Entscheidung des Verfassungsschutzes ist konsequent und eine gute Grundlage für ein zeitnahes Verbotsverfahren“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Eine wehrhafte Demokratie könne ihrer eigenen Zersetzung durch Antidemokraten nicht folgenlos zuschauen.

Auch der CDU-Politiker und Mitinitiator eines AfD-Verbotsverfahrens, Marco Wanderwitz, sieht nun bessere Voraussetzungen für ein Verbot der Partei. Wanderwitz betonte im Interview mit RTL und N-TV am Freitagabend, dass ein Verbot der AfD das effektivste Mittel sei, um Menschen für Parteien der demokratischen Mitte zu begeistern. „Und deswegen muss die AfD sozusagen ausgeschaltet werden, wenn wir da Erfolg haben wollen“, sagte Wanderwitz. Einem Zeitungsbericht zufolge soll die Einstufung der AfD durch den Verfassungschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ auch Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz werden.

Der amtierende Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) werde „sicherstellen, dass die Thematik Gegenstand auf der Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven sein wird“, sagte eine Sprecherin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie fügte hinzu, dass Mäurer dazu auch einen Vertreter oder eine Vertreterin des Bundesamtes für Verfassungsschutz einladen werde.

Wagenknecht: Demokratie einen Bärendienst erwiesen

Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch beklagt das Bündnis Sahra Wagenknecht einen „autoritären Umbau“ der Gesellschaft. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe der Demokratie einen Bärendienst erwiesen, meinte die Parteigründerin und Bundesvorsitzende Wagenknecht.

„Tatsache ist, dass die Parteien der selbsternannten ‚demokratischen Mitte‘ seit Jahren einen autoritären Umbau unserer Gesellschaft vorantreiben, die freie Meinungsäußerung einschränken, unliebsame politische Kräfte mit undemokratischen Mitteln bekämpfen und massiven Konformitätsdruck erzeugen“, sagte sie.

Auch der Streit über die Neuauszählung der Stimmen der Bundestagswahl nach dem knappen Scheitern des BSW gehöre „in den gleichen Kontext der Erosion von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“.

Debatte über AfD-Leute im Staatsdienst und Parteifinanzen

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der Bild: „Wir müssen auch prüfen, welche Konsequenzen diese Einstufung für die Tätigkeit von AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst haben muss.“ Auch gebe die Entscheidung des Verfassungsschutzes „Anlass zu prüfen, ob die AfD auf dieser Grundlage von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann“.

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) hatte bereits am Freitag angekündigt: „Wir werden auch prüfen, inwieweit die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Auswirkungen auf AfD-Mitglieder und Funktionäre im öffentlichen Dienst hat.“ Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssten die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten. Bei diesem Thema sieht der Innenminister ein länderübergreifend einheitliches Vorgehen angezeigt.

Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung?

Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner hält es wie Herrmann für notwendig, die AfD-Finanzierung in den Blick zu nehmen. „Die Innenministerkonferenz sollte aber jetzt sorgfältig einen Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung prüfen. Rechtsextreme und verfassungsfeindliche Propaganda aus Steuermitteln zu finanzieren, finde ich unerträglich“, sagte Lechner am Freitag.

Unter den Landesinnenministern ist ein mögliches Verbotsverfahren, das Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf den Weg bringen könnten, allerdings kein Konsens. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte der Bild: „Die Einleitung eines Verbotsverfahrens ist die logische Konsequenz aus dieser Entscheidung und muss nun konsequent als Nächstes angegangen werden.“

Sein Hamburger Amtskollege Andy Grote (SPD) äußerte sich zurückhaltender. Er sagte der Bild, für ein mögliches Verbotsverfahren sei die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch – sollte sie gerichtlich bestätigt werden – eine notwendige, aber keine ausreichende Voraussetzung. Ob ein Verbotsverfahren mit der erforderlichen sehr hohen Erfolgsaussicht geführt werden könnte, wäre im nächsten Schritt vom Verfassungsschutz beziehungsweise Bundesinnenministerium zu prüfen.

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13 Kommentare

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  • Solange die anderen Parteien, inkl. BSW (Rassismus)der AfD hinterrennen,sehen wir einen autoritären Umbau der Gesellschaft. Ein Verbot dürfte dann kaum helfen, da die anderen Parteien einfach weiter machen & die AfD überflüssig ist, weil sich der autoritäre Umbau auch ohne sie fortsetzt. Dies ist leider auch die Konsequenz aus der Politik, die Kriegstauglichkeit vorran treibt, anstatt Antifa& sozial-ökologischen Umbau +Umfairteilung+ Demokratisierung voran zu treiben.Selbst wenn nun Unabhängigkeit von autoritären USA&Nato eine defensiv Aufrüstung begründen kann,so bleibt es zentral wichtig die UN 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, Demokratisierung der Ökonomie und wieder die strategisch gezielte Abrüstung global einzufordern u. dafür Politik zu machen. Früher waren die Friedensbewegungen mit den Namen der Abrüstungsverträge munitioniert auf der Straße (J. Sachs nennt sie hier www.youtube.com/watch?v=p-kv71VTcYE) &beklagten die Opfer aller Seiten, was die Kriegsdynamik bremste durch Friedens Solidaritäten. So etwas war Teil der globalen Frauen Friedensbewegung, die aus der UN Dekade der Frauen 75-85 erwuchst. Da anknüpfen wäre angebracht: Menschheit werden!

  • Der bayrische Innenminister ist schon eine Klasse für sich, leider im negativen Sinne. Es müsste in der bayrischen Regierung doch jemand zu finden sein, der den guten Herrn Herrmann darüber aufklärt, dass an einen Ausschluß zur Parteienfinanzierung die gleichen rechtlichen Anforderungen gelten wie für das Verbotsverfahren. Die Hürden sind gleich hoch, es lässt sich zudem beides in einem Verfahren regeln.

    Dazu wäre noch dringend Aufklärung über die Beamtentreuepflicht notwendig. Diese unterliegt in jedem Einzelfall einer Gesamtbetrachtung. Bedeutet Auffälligkeiten in Einzelfällen darf und müsste der Innenminister jetzt schon nachgehen und ggf ahnden. Dafür bedarf es keine Hochstufung durch den Verfassungsschutz.

    Diese aber als Anlass zu nehmen, um zu prüfen welche Konsequenzen es für AfD Mitglieder im öffentlichen Dienst hat, zeugt ebenfalls von mangelnden Kenntnissen. Der gute Herr Herrmann sollte schon abwarten, ob die AfD Rechtsmittel einlegt und die Einstufung auch vor Gericht bestand hat.

    Noch ein Hinweis an einige Skeptiker in der Union, es würde sich bei einem Verbot keine Neuformierung ergeben, da Nachfolgeorganisationen ebenfalls vom Verbot betroffen wären.

    Trauerspiel

  • Frage: Wenn der größte Landesverband der AfD in NRW weder vom Verfassungsschutz beobachtet, noch als rechtsextrem eingestuft wird, wie kann dann die ganze Partei als solche deklariert werden?

    • @Trabantus:

      1.. GG § 3 ff.



      Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

      2..Kern der Begründung des Verfassungsschutzes



      www.verfassungssch...ng-2025-05-02.html

      ""Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, (..) Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.""



      ===

      Chrupalla von der AgD hat das Gutachten des Verfassungsschutzes nicht verstanden - in einem Interview



      hat er gestern zwischen Passdeutschen & Biodeutschen unterschieden. Damit hat er nach Erscheinen des Gutachtens den Vorwurf des Verfassungsschutzes bestätigt.

      Genauer kann Ihre Frage nach Veröffentlichung der 1100 Seiten beantwortet werden.

  • Wagenknecht springt den Genossen aus der 5. Kolonne natürlich gerne zur Seite. So wird's bestimmt nächstes Mal was mit der Hürde.

    • @nihilist:

      Nee, Wagenknecht ist halt Demokratin. Und Demokratie braucht Diskussion und Meinungsfreiheit.

      • @Pico :

        ... und Demokratie braucht Menschen, die kompromissbereit sind.



        Und genau das sehe ich bei Wagenknecht nicht. Wenn sie es mit der Diskussion und Meinungsfreiheit ernst meinen würde, würde sie im BSW anders agieren. Aber bisher ist das BSW nur ein kleiner Klub der von Wagenknecht Auserwählten. Passt halt zum Namen.



        Gab ja in der taz dazu schon mal einen Artikel : taz.de/Leak-zu-Zwe...beim-BSW/!6071183/ .

  • 》„Tatsache ist, dass die Parteien der selbsternannten ‚demokratischen Mitte‘ seit Jahren einen autoritären Umbau unserer Gesellschaft vorantreiben, die freie Meinungsäußerung einschränken, unliebsame politische Kräfte mit undemokratischen Mitteln bekämpfen und massiven Konformitätsdruck erzeugen“, sagte sie.《



    .



    Es hat prinzipiell tatsächlich etwas Autoritäres, eine Partei aufgrund eines Geheimgutachtens offiziell für links- oder in diesem Fall für rechtsextremistisch zu erklären und dann dabei stehenzubleiben.



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    Dieser Kritik lässt sich aber der Wind aus den Segeln nehmen, indem dieses Gutachten der Exekutive unverzüglich und in Verbindung mit einem Verbotsantrag dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird. Und zwar durch die noch amtierende Bundesregierung.



    .



    Es ist auch Eile geboten, denn sowohl Merz (gemeinsame Abstimmungen mit der AfD) als auch der künftige Fraktionschef Spahn ("wie eine normale Partei behandeln") lassen sich perspektivisch eine Machtoption offen.



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    Wenn die Regierung Scholz, die Innenministerin Faeser zu der Erkenntnis "gesichert rechtsextremistisch" gekommen sind, dürfen sie die AfD nicht gewähren lassen: es gibt keinen Ermessensspielraum pro Faschismus!

    • @ke1ner:

      Das Amt für Verfassungsschutz hat ein 1100 Seiten umfassendes Gutachten erstellt. Dieses Gutachten wird veröffentlicht wenn die AgD Klage gegen das Gutachten vor dem Verfassungsgericht einreicht.

  • Als erster Schritt müssen alle Beamten mit AfD-Parteibuch entlassen werden. Beamte leisten einen Amtseid, dass sie sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen. Das ist bei einer gesichert rechtsextremen Partei nicht möglich. Tätigkeiten z.B. im Bereich Polizei, Lehrer, Professor an einer staatlichen Hochschule usw. sind mit einer AfD-Parteimitgliedschaft schlicht unvereinbar.

  • Wagenknecht behauptet etwas, ohne Belege vorzulegen. Der autoritäre Umbau der Gesellschaft droht bei Machtübernahme von BSW oder AfD, einmal mehr werden hier die Verhältnisse umgedreht. Wessen Geistes Kind Wagenknecht ist wird leider einmal mehr überdeutlich.

  • Soso, die Grünen bestätigen mal wieder ihren Ruf als Verbotspartei, so weit so gut. Wanderwitz will die AfD "ausschalten". Habe mal kurz gegoogelt und bin dabei auf Sätze getsossen wie "Nach seiner Ernennung 1933 hatte der neue Reichskanzler Adolf Hitler zunächst nur ein Ziel: Er wollte seine politischen Gegner ausschalten" (Planet Wissen). Weiss unser "running gag" eigentlich wessen Vokabular er hier benutzt?



    Sarah Wagenknecht hat mit ihrer Analyse natürlich recht, hier bahnt sich ein Autoritarismus an, durch Personen und Gruppen die diesen herbeiführen wollen unter dem Vorwand ihn zu verhindern. Ich würde mir wünschen dass die CSUler, SPDler usw mit demselben Engagement wie sie gerade ein Parteiverbot fordern endlich mal die Rentenform oder die absolut notwendige Bundeswehrreform angehen würden. Da scheint der Eifer aber schnell nachzulassen. Das ist also sozusagen eine Ersatzhandlung um Aktion vorzutäuschen und einen Nebelschleier über den Mangel an derselben an wirklich wichtigen Stellen zu legen. aber, lasst euch von mir nicht stören, macht einfach weiter...

  • Ist es nicht merkwürdig, dass zum Ende ihrer Dienstzeit Frau Faeser das jetzt präsentiert? Frau Faeser ist übrigens disziplinarrechtlich die Vorgesetzte des VS.



    Noch mehr?