Gesetzentwurf für Corona-Notbremse: 284 Kreise mit Ausgangssperre?
Die Bundesregierung legt einen Entwurf für ein Notbremsen-Gesetz gegen die dritte Covid-Welle vor. AfD und FDP lehnen diesen ab.
Konkret geht es um eine „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung für die Koalitionsfraktionen. CDU/CSU und SPD sollen den Gesetzentwurf dann sofort in den Bundestag einbringen. Die Bundes-Notbremse soll in einem neuen Paragraf 28b des Infektionsschutzgesetzes geregelt werden.
Sobald in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt der Inzidenzwert (Zahl der Covid-Infektionen binnen 7 Tagen pro 100.000 EinwohnerInnen) über 100 steigt, sollen automatisch die im Gesetz festgelegten Maßnahmen in Kraft treten. Dies betrifft derzeit nach Daten des Robert Koch-Instituts 284 von 412 Landkreisen.
Folgende Maßnahmen sollen zu dieser Notbremse gehören:
• Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr (Ausnahme: „gewichtige und unabweisbare Gründe“ wie medizinische Notfälle oder berufliche Tätigkeiten)
• Einzelhandel ist geschlossen (Ausnahmen u. a.: Lebensmittel, Bücher, Gartenbedarf)
• Gastronomie ist geschlossen (Ausnahme: Takeaway)
• Freizeit- und Kultureinrichtungen sind geschlossen
• Sport ist untersagt (Ausnahme 1: Individualsport allein oder zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt; Ausnahme 2: Profisport ohne Zuschauer)
• Private Treffen nur im eigenen Haushalt plus eine Person, maximal fünf Personen (Ausnahme: Demos und Gottesdienste)
Eine ursprünglich vorgesehene Pflicht zum Homeoffice wurde im zweiten Entwurf ersatzlos gestrichen. Ein höherer Inzidenzwert als 100 gilt nur für Schulen: Präsenzunterricht kann bis zu einem Inzidenzwert von 200 stattfinden.
Der Gesetzentwurf soll in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden. Eine Zustimmung des Bundesrats ist bisher nicht vorgesehen. Bisherige Änderungen des Infektionsschutzgesetzes waren aber zustimmungspflichtig. Der neue Notbremsen-Paragraf 28b soll so lange in Kraft bleiben, wie eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“ vorliegt. Darüber stimmt der Bundestag alle drei Monate ab.
AfD und FDP lehnen den Gesetzentwurf ab
Statt dieser gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen soll die Bundesregierung künftig bei einem Inzidenzwert über 100 per Rechtsverordnung auch andere Notbremse-Maßnahmen anordnen können. Diese Maßnahmen könnten strenger oder weniger streng sein. Außerdem könnte die Bundesregierung dabei Sonderregeln für Geimpfte und Getestete aufstellen. Erforderlich wäre dann die Zustimmung des Bundesrats, nicht aber die Zustimmung des Bundestags.
Nach der AfD hat am Sonntag auch die FDP-Fraktion das Notbremsen-Gesetz abgelehnt. Die Liberalen halten insbesondere die Ausgangssperre für unverhältnismäßig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland