Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Testpflicht für Firmen in Sicht
Bundesregierung und Opposition ringen um bundesweite Coronaregeln. Aerosol-Expert:innen fordern einen Kurswechsel. Das RKI meldet über 13.000 Neuinfektionen.
Debatte um Notbremse und Testpflicht
Die Politik ringt unter Hochdruck um eine bundesweite Corona-Notbremse. Die Bundesregierung will die Neuregelung bereits an diesem Dienstag beschließen. Damit sollen einheitliche Regeln für Regionen mit hohen Coronazahlen festgeschrieben werden. Doch noch gibt es erhebliche Widerstände von Ländern, Kommunen, Bundestagsopposition und Verbänden. Immerhin: Wie der Spiegel berichtet, hat das Bundeswirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) seinen Widerstand gegen eine Testpflicht für Unternehmen mittlerweile aufgegeben.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte am Montag in der ARD, die Notbremse sei jetzt dringend notwendig. „Alle Argumente liegen seit Monaten auf dem Tisch, alle Maßnahmen sind bewertet.“ SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte: „Es kann nicht weitergehen, wie es bisher gegangen ist.“ Deutschland sei in einer „nationalen Notstandssituation“. Nötig sei „eine nationale Kraftanstrengung“ und „ein Gesetz mit Zähnen“, so der SPD-Chef nach Gremiensitzungen seiner Partei.
Empfohlener externer Inhalt
Doch in Details gibt es Widerstand. Aus dem Bundestag, aus Ländern und Kommunen kam Kritik an unterschiedlichen Punkten. Dabei drängte die Zeit. Die Neuregelung soll an diesem Dienstag mit einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom Bundeskabinett beschlossen werden. SPD-Vizekanzler Olaf Scholz hatte am Sonntagabend versichert, auch die SPD-Länder stünden hinter dem Vorhaben. Er habe mit den SPD-Ministerpräsidenten gesprochen, sagte der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Sie stehen alle hinter diesem Vorhaben, werden das auch unterstützen.“
In einer Formulierungshilfe des Bundes wurden mehrere Maßnahmen für Landkreise vorgeschlagen, in denen binnen einer Woche eine Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner oder mehr registriert wird – das sind aktuell mehr als die Hälfte aller Landkreise. Gestattet wären private Treffen nur noch eines Haushaltes mit einer weiteren Person – ohne Kinder insgesamt maximal fünf Personen. Vorgesehen sind zudem Ausgangsbeschränkungen von 21.00 bis 5.00 Uhr mit wenigen Ausnahmen. Erst ab einer Inzidenz von 200 sollen die Schulen schließen.
Soll das Vorhaben wie geplant schneller als üblich durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden, braucht es dazu auch die Bundestagsopposition. Das beschleunigte Verfahren müsste mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. „Ich bin hoffnungsvoll, und es liegt jetzt an der Opposition, ob sie das Verfahren beschleunigt“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntagabend im ZDF.
Auch sein nordrhein-westfälischer Kollege, der CDU-Vorsitzende Armin Laschet, wünschte sich in der ARD, dass es schnell geht. „Denn die (Infektions-)Zahlen sind absehbar und die hängen nicht von Beratungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat ab.“
Opposition nicht überzeugt von Vorschlägen der GroKo
In Schleswig-Holstein lehnt ein Teil der Jamaika-Koalition die einheitlichen Coronaregelungen ab. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Koalitionskreisen des Landes erfuhr, hält die FDP die Ausgangsbeschränkungen für problematisch. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) hält das Verfahrenstempo für völlig unangemessen.
Auch die Linken und Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisieren die Ausgangsbeschränkungen. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er sehe „kaum Möglichkeiten, dem Vorhaben zuzustimmen“. FDP und Kretschmer bemängeln, dass sich der Entwurf vor allem an der Inzidenz und nicht auch an anderen Parametern orientiert. Das SPD-geführte Niedersachsen sieht die Erfahrungen der Länder nicht angemessen berücksichtigt.
Neben der Novelle des Infektionsschutzgesetzes werde das Kabinett am Dienstag voraussichtlich die Arbeitsschutzverordnung mit einer Pflicht für Testangebote in Unternehmen passieren lassen, bekräftigte Walter-Borjans. Die Unternehmen müssten dann die Tests bezahlen. Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sehen vor, dass alle Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice sind, das Recht auf einen Coronatest pro Woche bekommen. Verdi-Chef Frank Werneke kritisierte unter Verweis auf eine Umfrage im Auftrag der Regierung, in der Wirtschaft verweigerten mehr als 40 Prozent aller Arbeitgeber ihren Beschäftigten Testangebote.
SPD-Vorsitzende Saskia Esken wies zudem auf die zwingende Bedeutung der Tests für Schülerinnen und Schüler hin. Diese müssten an den Schulen selbst stattfinden, damit keine Lücken entstünden. Werneke forderte verbindliche Vorgaben auch für die Kitas. Insbesondere auf den Intensivstationen spitze sich die Corona-Lage immer mehr zu. (dpa)
Empfohlener externer Inhalt
SPD kritisiert Union für Coronapolitik
Die SPD hat der Union vorgeworfen, wegen des Ringens um die Kanzlerkandidatur die Bekämpfung der Coronapandemie zu vernachlässigen. „Der offene Machtkampf lähmt CDU und CSU, während ihrer öffentlichen Raufereien um die Kanzlerkandidatur gerät für Laschet und Söder die Pandemiebekämpfung völlig in den Hintergrund“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der „Augsburger Allgemeinen“ (Dienstagausgabe).
Am Sonntag hatten sich sowohl CDU-Chef Armin Laschet als auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder zur Kanzlerkandidatur bereit erklärt. Am Montag beraten die Führungsgremien beider Parteien darüber. „Ein solch egoistisches Verhalten ist absolut unverantwortlich und wird der schwierigen Lage in unserem Land nicht gerecht“, kritisierte Klingbeil.
„Der ehrwürdige Satz „Erst das Land, dann die Partei“ gilt in der Union nicht mehr“, sagte der SPD-Generalsekretär. „Es geht in diesen Tagen darum, bundesweit einheitliche Regeln in der Pandemie auf den Weg zu bringen.“ Dafür brauche es jetzt schnell die Zustimmung der Ministerpräsidenten und der Abgeordneten von CDU und CSU, fügte er hinzu. (afp)
Forscher:innen warnen Politik
Führende Aerosolforscher:innen aus Deutschland fordern von der Politik einen Kurswechsel bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie. „Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert“, heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und an die Landesregierungen, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es gilt als sicher, dass sich das Coronavirus vor allem über die Luft verbreitet.
„Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt“, kritisieren die Verfasser. In Wohnungen, Büros, Klassenräumen, Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber eine infizierte Person vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat, warnen sie. Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder Radfahren seien hingegen kontraproduktiv.
Empfohlener externer Inhalt
Maßnahmen wie die Maskenpflicht beim Joggen an Alster und Elbe in Hamburg etwa seien eher symbolischer Natur und ließen „keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten“, schreiben die Experten. Sars-CoV-2-Erreger würden fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen. Im Freien sei das äußerst selten, im Promille-Bereich. Hierauf sollten die begrenzten Ressourcen nicht verschwendet werden, heißt es in dem Brief.
Auch würden im Freien nie größere Gruppen – sogenannte Cluster – infiziert, wie das in Innenräumen, etwa in Heimen, Schulen, Veranstaltungen, Chorproben oder Busfahrten zu beobachten sei.
Auch die Ausgangssperren versprechen aus Sicht der Wissenschaftler mehr als sie halten können. „Die heimlichen Treffen in Innenräumen werden damit nicht verhindert, sondern lediglich die Motivation erhöht, sich den staatlichen Anordnungen noch mehr zu entziehen“, schreiben sie. „In der Fußgängerzone eine Maske zu tragen, um anschließend im eigenen Wohnzimmer eine Kaffeetafel ohne Maske zu veranstalten, ist nicht das, was wir als Experten unter Infektionsvermeidung verstehen.“ Mit Ausgangsbeschränkungen will die Politik verhindern, dass sich Menschen zeitweise überhaupt treffen.
Stattdessen empfehlen die Autor:innen mehrere Maßnahmen, wie Treffen in Innenräumen so kurz wie möglich zu gestalten, mit häufigem Stoß- oder Querlüften Bedingungen wie im Freien zu schaffen, effektive Masken in Innenräumen zu tragen sowie Raumluftreiniger und Filter überall dort zu installieren, wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen – etwa in Pflegeheimen, Büros und Schulen.
„Die Kombination dieser Maßnahmen führt zum Erfolg“, heißt es weiter. „Wird das entsprechend kommuniziert, gewinnen damit die Menschen in dieser schweren Zeit zugleich ein Stück ihrer Bewegungsfreiheit zurück.“ Zu den Unterzeichnern zählen der Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, Christof Asbach, Generalsekretärin Birgit Wehner und der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch. (dpa)
Über 13.000 Neuinfektionen gemeldet
Binnen eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland dem Robert Koch-Institut (RKI) weitere 13.245 Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 99 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI von Montagmorgen hervor. Am Montag sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird.
Zudem könnten die Zahlen wegen der Schulferien noch nicht vergleichbar mit früheren Werten sein. RKI-Präsident Lothar Wieler rechnete ab Mitte dieser Woche wieder mit verlässlicheren Daten zur Pandemie. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen lag laut RKI am Montagmorgen bundesweit bei 136,4.
Am Vortag gab das RKI diese Sieben-Tage-Inzidenz mit 129,2 an, vor einer Woche lag sie bei 128. Der Inzidenzwert dürfte wegen weniger Tests und Meldungen über Ostern zu niedrig ausfallen. Das RKI erwartet, dass der Wert im Laufe der kommenden Woche wieder belastbar sein wird. (dpa)
Höchststand bei Neuinfektionen in Indien
In Indien verzeichnet das Gesundheitsministerium 168.912 Neuinfektionen – so viele wie nie zuvor binnen 24 Stunden. Die Zahl der nachgewiesenen Ansteckungsfälle steigt auf 13,53 Millionen. Indien weist damit wieder mehr Fälle auf als Brasilien und liegt weltweit auf Platz zwei hinter den USA, die mehr als 31,2 Millionen Fälle aufweisen.
Zudem registrieren die Behörden 904 weitere Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus, die Gesamtzahl steigt auf 170.179. (rtr)
England lockert Coronaregeln
In England tritt am Montag die zweite Phase der Coronalockerungen in Kraft, in der auch die Außenbereiche von Pubs und Restaurants wieder öffnen dürfen. Außerdem dürfen auch alle Geschäfte, Fitnessstudios und Friseure wieder aufmachen. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte vor einer Woche erklärt, die Lockerungen seien durch die sinkenden Infektionszahlen „vollauf gerechtfertigt“.
Großbritannien hat mit mehr als 127.000 Coronatoten die höchste Opferzahl der Pandemie in Europa zu beklagen. Mit den Corona-Impfungen geht es im Vereinigten Königreich allerdings gut voran. Von den gut 66 Millionen Einwohner:innen haben bereits mehr als 32 Millionen eine erste Impfdosis erhalten, weitere 7,47 Millionen Menschen haben bereits beide Impfspritzen bekommen. Im Rahmen eines Vier-Stufen-Plans sollen in England bis Ende Juni alle Coronarestriktionen enden. (afp)
Notstand in Tschechien läuft aus
In Tschechien läuft in der Nacht von Sonntag auf Montag ein seit einem halben Jahr geltender Notstand aus. Die Nachrichtenagentur CTK wies am Sonntag darauf hin, dass damit zwar manche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wie zum Beispiel eine nächtliche Ausgangssperre wegfallen werden, aber nicht alle Einschränkungen des täglichen Lebens. So müssen aufgrund des geltenden Pandemiegesetzes weiterhin Restaurants und die meisten Geschäfte geschlossen bleiben. Auch muss man in der Öffentlichkeit weiterhin einen Mund-Nasenschutz tragen.
Der landesweite Notstand war bereits am 5. Oktober in Kraft getreten und wurde seither mehrfach verlängert. Zuletzt lehnte aber das Parlament in Prag weitere Verlängerungen ab. Die Regierung des Ministerpräsidenten Andrej Babis wollte damit im Kampf gegen steigende Corona-Infektionszahlen die Mobilität einschränken und eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern.
Tschechien gehört seit mehreren Monaten zu den am meisten von Covid-19 betroffenen Ländern Europas. Zuletzt gingen aber sowohl die Neuinfektionen als auch die Anzahl der in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorbenen Patienten zurück. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?