Gesetz für schnelleres Asylverfahren: Zustimmung im Bundestag
Die Ampel will Asylverfahren beschleunigen und beschließt Reformen. Die Resonanz von Asyl-Organisationen ist verheerend.
Ein Grund: Die Gerichte sind überlastet, weil viele Schutzsuchende klagen. Denn die Asylbescheide sind oft fehlerhaft. 57 Prozent aller Abgelehnten zogen vor Gericht. Ende Juli 2022 waren rund 135.000 Klagen anhängig. Und weit mehr als ein Drittel der Klagen hat Erfolg, bei Afghan:innen waren es 2021 gar 82 Prozent.
Rechtsprechung soll vereinheitlicht werden
Die Ampel will nun, dass sowohl das Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als auch die Klagen bei den Verwaltungsgerichten schneller ablaufen. Am Freitag wurde ihr Entwurf für ein „Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren“ im Bundestag beschlossen.
Es soll die Rechtsprechung vereinheitlichen, Verfahren verschlanken und die „Qualität der Entscheidungen“ erhöhen, heißt es bei der Ampel: Das BAMF soll erstens schneller entscheiden und zweitens so, dass nicht mehr so viele Bescheide von Gerichten aufgehoben werden.
Unter anderem soll dazu die Regelüberprüfung von Asylbescheiden gestrichen werden. Widerrufsverfahren soll es nur noch „anlassbezogen“ geben. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat verweist darauf, dass zuletzt 200 Beschäftigte des BAMF mit den anlasslosen Widerrufsprüfungen befasst waren. Außerdem will die Ampel eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung einführen, die „durch gut informierte Asylsuchende zu einer erhöhten Effizienz“ beiträgt, wie es in der Zielbeschreibung heißt. „Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass die Qualität der Bescheide steigt, Klagen abnehmen, wenn Asylbewerber:innen vorab über Kenntnisse zum Ablauf des Asylverfahrens verfügen“, so Polat.
Kritik von Asyl-Organisationen
Die Resonanz von Asyl-Organisationen auf die geplante Reform ist indes verheerend. Keins der vielen derzeit laufenden Vorhaben der Ampel im Migrationsbereich zieht mehr Kritik auf sich.
Von „massiven Einschnitten in die Verfahrensrechte der Betroffenen im behördlichen und gerichtlichen Asylverfahren, in deren Verteidigungsrechte und in die Freiheit der anwaltlichen Berufsausübung“ spricht etwa der Arbeiterwohlfahrtsverband (AWO) in einer Stellungnahme. Der Verband stört sich unter anderem an den verkürzten Widerspruchsfristen und eingeschränkten Rechtsmitteln gegen Urteile.
Der Gesetzentwurf sei „geradezu von einer Misstrauenspolitik gegenüber Rechtsanwält:innen durchdrungen“, sagt auch Thomas Remmers, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer. Aus Beschleunigungsgründen würden Verfahrensrechte beschnitten werden – „ohne jeden sachlichen Grund“. Die Ampel will so angeblich rechtsmissbräuchliche Beweisanträgen, die nur eingereicht werden, um das Verfahren zu verschleppen, entgegenwirken. Anwaltsverbände weisen dies zurück.
Die Kammer sieht „grundsätzlich keinen Bedarf für eine Beschleunigung“. Neue Verfahren – Altlasten ausgenommen – würden „sehr schnell, durchschnittlich in circa drei Monaten, abgewickelt.“
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) verweist darauf, dass Asylprozesse heute in Rheinland-Pfalz nur 6,6 Monate, in Brandenburg aber 44,6 Monate dauern. „Es ist also klar ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte der Länder mit den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten gut oder schlecht auf die Vielzahl von Asylprozessen reagieren können“, so der RAV.
Bundesverwaltungsgericht kann „Prüfungsmaßstäbe“ setzen
Die RAV-Sprecherin Berenice Böhlo kritisiert unter anderem die geplanten Video-Interviews durch das BAMF in einer Stellungnahme für Pro Asyl. „Es ist unabdingbar, dass eine besondere Gesprächsatmosphäre und Vertrauenssituation geschaffen wird, damit Schutzsuchende über ihre oft traumatischen Erlebnisse frei sprechen können“, sagt Böhlo. „Dies erfordert die Anwesenheit aller Beteiligten.“
Für „systemwidrig“ hält die Anwältin, dass das Bundesverwaltungsgericht künftig eine wichtigere Rolle in Asylverfahren bekommen und selber „Prüfungsmaßstäbe“ setzen könne. Häufig vorkommende gleich gelagerte Fälle sollen künftig nicht mehr von verschiedenen Oberverwaltungsgerichten unterschiedlich bewertet werden. Stattdessen sollen diese die Verfahren direkt an das Bundesverwaltungsgericht abgeben können, das dann eine Entscheidung mit richtungweisendem Charakter trifft.
Am heftigsten kritisiert der RAV aber die Verschärfungen im Prozessrecht. „Zum Teil haben wir nur eine Woche Zeit für das Rechtsmittel, dies ist einmalig im Verwaltungsrecht, wo ansonsten ein Monat gilt“, sagt Böhlo über den derzeitigen Zustand. Dieser „Skandal“ werde nicht behoben. Stattdessen könnten Gerichte künftig mündliche Verhandlungen leichter umgehen. Der Entwurf enthalte „zahlreiche weitere solcher Maßnahmen, die dem Abbau der Verfahrensrechte der Geflüchteten dienen“, sagt Böhlo.
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