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Gerichtsurteil zu AtomentschädigungAtomausstieg immer teurer

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass Vattenfall beim Atomausstieg schlecht behandelt wurde. Der Konzern sollte nun andere Prozesse beenden.

Das stillgelegte Kernkraftwerk in Stadersand, Niedersachsen Foto: euroluftbild.de/dpa

D as Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass Vattenfall bei den Entschädigungen zum Atomausstieg vom Gesetzgeber zu schlecht behandelt wurde. Das ist peinlich für den Bundestag und für die Große Koalition, deren Gesetz von 2018 so fehlerhaft konstruiert war, dass es nicht einmal in Kraft getreten ist.

Politisch gesehen ist dies aber nur eine Randnotiz. In Karlsruhe wurde die große Schlacht um den Atomausstieg nicht noch einmal geschlagen. Es bleibt das Karlsruher Urteil von 2016: Die Neubewertung der Risiken der Atomkraft nach der Katastrophe in Fukushima war zulässig. Eine zusätzliche Entschädigung – über die bereits festgelegten Reststrommengen hinaus – war nicht erforderlich.

Vattenfall hat dies aber immer noch nicht akzeptiert. Denn der schwedische Staatskonzern klagt nun weiter: beim Schiedsgericht der Weltbank auf Schadenersatz in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Mit Zinsen geht es inzwischen um eine Summe von über 6 Milliarden Euro. Hier schlägt Vattenfall dann doch noch einmal die große Schlacht und verlangt von Deutschland Schadenersatz für den gesamten Atomausstieg.

Es ist erstaunlich, dass das Washingtoner Verfahren noch immer noch nicht entschieden ist. Vom Mythos der schnellen und effizienten Schiedsgerichtsbarkeit bleibt hier wenig übrig. Die Verzögerung gibt Vattenfall aber die Möglichkeit, endlich den leidigen Streit zu beenden. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Konzern zweimal beigestanden, ihm eine faire Behandlung gesichert. Wenn Vattenfall nun in Washington weiter klagt, dann zeigt das nur eins: dass der Konzern den Rachen nicht voll genug bekommen kann.

Aber vielleicht haben die Weltbank-Schiedsrichter auch auf den Ausgang des Karlsruher Verfahrens gewartet. Wenn sie die (ohnehin schon geringe) Akzeptanz der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nicht weiter gefährden wollen, dann sollten sie jetzt anerkennen, dass Vattenfall unter dem Strich in Deutschland fair und angemessen behandelt wurde – und die Klage deshalb rundweg ablehnen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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9 Kommentare

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  • Das Entschädigungsgesetz von 2018 war fehlerhaft, woraus man aber keineswegs schließen darf, dass Vattenfall hier irgendwie „schlecht behandelt wurde.“



    Durch Umfirmierungen im großen Stil haben sich Vattenfall und andere Energiekonzerne aus einer angemessenen Beteiligung an den immensen Folgekosten der Kernenergiegewinnung gewunden. Wenn man hier schon über angemessene Entschädigungen der AKW-Betreiber spricht, dann muss man hier doch auch mal über angemessene Entschädigungen der Allgemeinheit reden und nicht wieder nur die Folgekosten für uns und die kommenden Generationen einfach sozialisieren.

  • "Reststrommengen", ein schönes Wort. Niemand braucht sich darüber Gedanken zu machen, dass diese auch verhindern (würden) die Erneuerbaren auszubauen (Nicht ohne dadurch entgangene Gewinne ein zu klagen). Absatz- und Gewinngarantie, statt Wettbewerb und Marktwirtschaft. Unternehmerisches Risiko? Null! Outsourcing der Kosten für die Endlagerung zum Schnäppchenpreis ist schon durch. Und der Abriss der Anlagen fällt uns vermutlich auch noch komplett auf die Füße. Nicht umsonst haben die Energiekonzerne "Tochterunternehmen" gegründet.

    Es ist falsch, dass die Regierung(en) keine Gesetze machen konnte(n)! Sie haben genau die Gesetze gemacht, die für die Konzerne an unserem Wirtschaftsstandort nützlich und hilfreich sind. Und wie diese Gesetze aussehen müssen, sagen die Beratungsunternehmen. Wie die Regierung der Öffentlichkeit dann "Sch..." als "Gold" verkaufen können, dafür gibt es die Medien- und Kommunikationsberatungsunternehmen.



    "Geldwäschegesetz", "Toll-Collekt", "Ausländer-Maut", "ÖPP-Verträge",...

    • @Drabiniok Dieter:

      "Unternehmerisches Risiko" ist ein marktbezogener Begriff. So tragen zum Beispiel die Stromkonzerne unzweifelig das Risiko, dass niemand ihren (Atom-)Strom haben will und und deshalb die Preise dafür purzeln. Aber dass der Staat hingeht und eine - ursprünglich von ihm genehmigte und geförderte - Stromquelle nachträglich für zu gefährlich erklärt, ist ein Eingriff in den Markt, auf den eher der Begriff "Vetrauensschutz" zutrifft.

      So ein Eingriff mag politisch gerechtfertigt sein, aber (auch) in seinem eigenen Interesse muss der Staat den betroffenen Marktteilnehmern ihren Vertrauensschaden ersetzen. Denn wenn man solche politischen Unsicherheiten ins unternehmerische Risiko einpreist, kann sich niemand mehr auf staatliche Entscheidungen wie Bau- oder Betriebsgenehmigungen verlassen, und die Investitionsbereitschaft schwindet massiv. Würden Sie ein Haus bauen, wenn nach ein paar Jahren der Staat um die Ecke kommen und Ihnen erklären könnte, dass Sie es z. B. aufgrund neuer Bewertungen der Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit gewissen ver wendeten (TÜV-geprüften) Baustoffen auf eigene Kosten abreißen und anders neubauen müssten?

      Bei den Stromkonzernen kommt noch hinzu, dass sie keine reinen Marktgebilde sind. Ähnlich wie die Bahn bestand ihr Anfangskapital aus einem nach früheren staatlichen Entscheidungen entstandenen Betriebsvermögen und staatlichen Sicherstellungsaufträgen, mit denen man sie dann auf den Markt losgelassen hat - angesichts der Laufzeiten von Kraftwerken eine ziemlich langlebige Altlast.

      In erster Linie sollte diese Entscheidung daher für uns Bürger eine Erinnerung sein, dass Politik kein Wunschkonzert ist. Selbst wenn der Staat Entscheidungen trifft, die wir sehr begrüßen, sind am Ende auch wir alle diejenigen, die für die Folgen der Entscheidungen geradestehen müssen - auch für die unangenehmen.

    • @Drabiniok Dieter:

      anschließe mich - cum grano salis -

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

    “Vatten Fall von Einfalt: taz.de/Gerichtsurt...aedigung/!5723653/



    Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass Gesetze der Regierung Merkel in KA scheitern. Und dass wird üblicherweise teuer - natürlich für die Steuerzahler:innen. Wer regt sich denn da noch auf? [/sarkasmus off]“

    Bin mir nicht sicher.



    Ob - bei allem hück belieben.



    Die Gründe nicht doch tiefer liegen.



    Als die Idee - Atom get‘s it all - in 🧠en



    Gestalt gewann - fand das die Industrie!



    Ganz ungenant! Voll Scheiße! & wie!!!



    Ihr war das Risiko&Ho! Viel zu hoch&so!



    Der Spiegel bracht dazu mal ausführlich



    Wie es die Ministerialbürokratie & wie!!



    War & geldbeutel/HermesBürgschaft die Industrie - anfütterte für diese Gigantomanie!



    Und es unser tumb&schlechte Hausvater Kohl - ”Wohin hinternraus mit Müll?“ “Null overt - Gab Platzkonzert & räumte alle Schranke weg! & Nu hebbe mer denn Dreck!

    kurz - Deutsche Gigantomanie



    & Zwar ob Krieg Atom oder sie -



    Dess Beispiel lehrt‘s erneut & wie: Rentiert sich nie! & Btw - immer dieselbe Masche! Greift all dess - dem eunfsch Steuerzahler - tief in die Tasche!



    & Was folgt? Nix - Ihr wütig Rufer:



    Kohl & dee ahl Sesselpuper: Ach was!



    Er in der Kist ⚰️ der Rest a Rentierufer!

    So geht das

  • Sorry, aber in den Artikel hätte ganz selbstverständlich hineingehört, wie viel die AKWs denn per Gesetz bekommen sollen. Das sind schließlich keine peanuts. Nur so ist eine zusätzliche Forderung auch leichter zu bewerten.

  • Strengenommen ist nicht der Atomausstieg teuer, sondern die für ca. 2 Jahre auf dem Papier andauernde, dann wieder kassierte Laufzeitverlängerung durch die Regierung Merkel/Westerwelle war teuer.

    Wäre es bei der alten Regelung der rot-grünen Bundesregierung geblieben, hätte es keine Schadenersatzzahlungen gegeben, oder deutlich weniger, und der Endzeitpunkt des Betriebs der Atomanlagen wäre in etwa derselbe gewesen wie jetzt auch. Wahrscheinlich hätte es dann sogar eine bessere Netzintegration der Atomenergie im Zusammenwirken mit Wind- und Solarenergie gegeben.

  • warum wohl sind gerade jetzt viele skandinavische firmen in den wohnungsmarkt in berlin eingestiegen die klagen sich schon ihr geld ein ;) .

  • Klar, weniger als bis jetzt sowieso schon zugestanden wurde wirds sicher nicht. Somit würde ich das mit der fairen Behandlung auch betrachten.



    Wichtig aber nun betreffend Kapitalseite Vattenfall; so called shareholder: Nun scheinen die Pflichten des Vorstands gegenüber den Anteilseignern nicht auf Geld zu verzichten erfüllt und es kann endlich der finale Schlussstrich gezogen werden. Das Gute im Teuren und Schlechten sehen. So irgendwie.