Gerichtsurteil zu Atomentschädigung: Atomausstieg immer teurer

Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass Vattenfall beim Atomausstieg schlecht behandelt wurde. Der Konzern sollte nun andere Prozesse beenden.

Das stillgelegte Kernkraftwerk in Stadersand, Niedersachsen bei Nacht aus der Vogelperspektive

Das stillgelegte Kernkraftwerk in Stadersand, Niedersachsen Foto: euroluftbild.de/dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass Vattenfall bei den Entschädigungen zum Atomausstieg vom Gesetzgeber zu schlecht behandelt wurde. Das ist peinlich für den Bundestag und für die Große Koalition, deren Gesetz von 2018 so fehlerhaft konstruiert war, dass es nicht einmal in Kraft getreten ist.

Politisch gesehen ist dies aber nur eine Randnotiz. In Karlsruhe wurde die große Schlacht um den Atomausstieg nicht noch einmal geschlagen. Es bleibt das Karlsruher Urteil von 2016: Die Neubewertung der Risiken der Atomkraft nach der Katastrophe in Fukushima war zulässig. Eine zusätzliche Entschädigung – über die bereits festgelegten Reststrommengen hinaus – war nicht erforderlich.

Vattenfall hat dies aber immer noch nicht akzeptiert. Denn der schwedische Staatskonzern klagt nun weiter: beim Schiedsgericht der Weltbank auf Schadenersatz in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Mit Zinsen geht es inzwischen um eine Summe von über 6 Milliarden Euro. Hier schlägt Vattenfall dann doch noch einmal die große Schlacht und verlangt von Deutschland Schadenersatz für den gesamten Atomausstieg.

Es ist erstaunlich, dass das Washingtoner Verfahren noch immer noch nicht entschieden ist. Vom Mythos der schnellen und effizienten Schiedsgerichtsbarkeit bleibt hier wenig übrig. Die Verzögerung gibt Vattenfall aber die Möglichkeit, endlich den leidigen Streit zu beenden. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Konzern zweimal beigestanden, ihm eine faire Behandlung gesichert. Wenn Vattenfall nun in Washington weiter klagt, dann zeigt das nur eins: dass der Konzern den Rachen nicht voll genug bekommen kann.

Aber vielleicht haben die Weltbank-Schiedsrichter auch auf den Ausgang des Karlsruher Verfahrens gewartet. Wenn sie die (ohnehin schon geringe) Akzeptanz der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nicht weiter gefährden wollen, dann sollten sie jetzt anerkennen, dass Vattenfall unter dem Strich in Deutschland fair und angemessen behandelt wurde – und die Klage deshalb rundweg ablehnen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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